Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Im Mafia-Epos "The Irishman" blickt Martin Scorsese wehmütig auf sein Werk zurück. "Last Christmas" ist zwar charmant, aber nur mittelmäßig amüsant.

Von den SZ-Kinokritikern

Bamboo Stories

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(Foto: Sabcat Media / Mayalok)

Shaheen Dill-Riaz dokumentiert die vielen Facetten des Geschäftes mit Bambus in Bangladesch, seinen Abbau, Transport (in Form riesiger Flöße über den Fluss) und Handel. Waldpächter, Holzfäller, Flößer, Groß- und Einzelhändler begegnen sich in einer Ökonomie der Armen, in der immer weniger verdient wird. Schöner Film über ein Material und die Menschen, die von ihm und auf ihm leben.

Bis dann, mein Sohn

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(Foto: epd)

Der Tod eines Kindes, die Schuldgefühle eines anderen und wie sie über Jahrzehnte hinweg Familien- und Freundschaftsbeziehungen belasten. Persönliche Schicksale werden mit den Stromschnellen des politischen Wandels in China verknüpft, von der Kulturrevolution über die Ein-Kind-Politik bis zum modernen Wirtschaftsboom. Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, großer Stadt im Norden und Küstenort im Südosten spannt Wang Xiaoshuai diese epische Erzählung über einen Bogen von 30 Jahren. Statt sie linear zu verfolgen, kompiliert er die Teile im Wechsel zwischen den Zeitebenen, bis sich ein vollständiges Bild ergibt.

Black and Blue

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(Foto: Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Eine schwarze Frau wird nach der Army Polizistin. Sie fährt in New Orleans mit weißen Cops Streife in den Slums, in denen sie aufwuchs. Das nehmen ihr die alten Freunde übel - bis zu dem Moment, in dem sie Schutz vor ihren Kollegen braucht. Deon Taylor hat ein Gangsta-Movie gemacht, als wäre noch das 20. Jahrhundert: Korruption, Drogen, Rap, Bling. Sehr sympathisch, aber so nah am Klischee, dass es häufig die Grenze zur Parodie überschreitet.

Booksmart

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(Foto: Francois Duhamel; Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Noch eine Highschool-Komödie? Unbedingt, wenn sie so komisch ist wie Olivia Wildes Regiedebüt. Herrlich die Hauptdarstellerinnen Kaitlyn Dever und Beanie Feldstein, die zwei Streberinnen spielen, die am letzten Schultag entsetzt feststellen, dass sie immer nur gebüffelt haben, während die anderen feierten - die Partykids aber auf die gleichen Eliteunis gehen wie sie. In einer Nacht wollen sie alles nachholen. Die Achterbahnfahrt kann beginnen.

But Beautiful

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(Foto: Pandora Film)

Klimawandel, Umweltzerstörung, Finanzkrise, Bildungsmisere: Es gibt viele Gründe zur Klage. Statt wie in seinen früheren Filmen das schlechte Leben anzuprangern, sucht der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer jetzt lieber Inspiration fürs gute, nachhaltige Leben, unter anderem beim Dalai Lama, bei einem österreichischen Förster, der in seinen Häusern die Kräfte des Waldes nutzt, bei den Frauen, die im indischen Barefoot College lernen, Solaranlagen zu bauen, bei einem Schweizer Ehepaar, das auf der Kanarieninsel La Palma verödetes Ackerland aufbereitet. Ein bunter, etwas beliebig anmutender Strauß von Ideen, zusammengehalten von drei jazzig aufspielenden Musikern.

Gott existiert, ihr Name ist Petrunya

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(Foto: dpa)

Eigentlich hatte Petrunya, die Titelheldin in Teona Strugar Mitevskas Satire-Drama über die Rückständigkeit der mazedonischen Gesellschaft, nicht mehr im Sinn als das Recht auf ein bisschen Glück. Stattdessen löst sie einen handfesten Skandal aus, als sie beim traditionellen Kreuztauchen das vom Priester geweihte und Männern vorbehaltene Kreuz aus dem Fluss fischt. Bald ist die so lethargische wie trotzige Antiheldin Mittelpunkt eines absurden, herrlich überspitzten Kammerspiels, in dem religiöse Würdenträger, Polizisten, eine emanzipierte Lokalreporterin und ein pöbelnder Männermob auftreten.

The Irishman

7 / 17
(Foto: dpa)

Ein Epos voll gewaltiger Wehmut. Robert De Niro ist "The Irishman" Frank Sheeran, ein allzeit loyaler Mafiascherge, der in einen unauflösbaren Machtkampf zwischen seinen beiden Mentoren gerät, gespielt von Joe Pesci und Al Pacino als Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa. Die drei Superschwergewichte jenseits der siebzig tun dank CGI-Verjüngung alles, um vergessen zu machen, dass sie vor 15 Jahren noch im richtigen Alter waren, als der Film ursprünglich gedreht werden sollte. So wie der alte Killer auf sein Leben zurückschaut, blickt Martin Scorsese hier auf sein Werk zurück, und die späten Erkenntnisse, die beide dabei gewinnen, sind von großer und finaler Wucht.

Die Kinder der Toten

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(Foto: Ulrich Seidl Filmproduktion)

Elfriede Jelineks Romanungetüm "Die Kinder der Toten" galt als unverfilmbar. Das amerikanische Künstlerkollektiv "Nature Theater of Oklahoma" macht daraus nun einen Stummfilmtrip in Super-8-Ästhetik. Produziert hat Ulrich Seidl, der Chronist der österreichischen Provinzhölle. Zu Blasmusiktrauermärschen wandeln Zombiescharen durch ein steirisches Bergdorf und erzwingen die Auseinandersetzung mit der Nazivergangenheit. Ein trashiger Seelenkarneval zwischen Piefigkeit und Opfermythos, in dem Realität und Satire zu einem schaurigen und urkomischen Horrortrip verschwimmen.

Klaus

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(Foto: dpa)

Die Geburt des Weihnachtsbusiness mit seinem Drum und Dran aus dem Geist der königlichen Postakademie. Der erste Animationsfilm des Ex-Disney-Zeichners Sergio Pablos, der versucht, auf Distanz zu bleiben zum großen Vorbild, die Formen vor allzu perfekter Abrundung zu bewahren. Ein verzogener Postlehrling wird auf einen Selbsterfahrungstrip geschickt, auf die Insel Smeerensburg, um das Postwesen auf Trab zu bringen, was ihm gelingt, über die Kinder. Die Erwachsenen sind in zwei Streithansl-Lager geteilt, dazu gibt es historische Bilder, bis zurück zu den Höhlenmalereien (Netflix, ab 15.11.).

Last Christmas

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(Foto: AP)

Als Weihnachtshasser muss man schon masochistische Züge haben, um als Elf verkleidet im Weihnachtsshop zu arbeiten. Es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, bis die Zynikerin Kate (Emilia Clarke) nach dem Vorbild von Dickens' Scrooge bekehrt wird. Umspült von George-Michael-Songs ist das ganz charmant konstruiert. Gemessen an der frechen Respektlosigkeit, mit der sich Paul Feig sonst auf die Seite der Außenseiter schlägt, und an der Brillanz der Drehbuchautorin Emma Thompson, ist das Ergebnis aber doch nur mittelmäßig amüsant.

Le Mans 66 - Gegen jede Chance

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(Foto: epd)

Matt Damon als Carroll Shelby, der geniale Ex-Rennfahrer und Konstrukteur, und Christian Bale als Ken Miles, Ingenieur und besessener Rennfahrer. Wie sie sich zusammentaten, um für Henry Ford einen Wagen zu konstruieren, der die gefürchteten 24 Stunden von Le Mans gewinnen und die Vorherrschaft des italienischen Autobosses Ferrari beenden könnte, im Jahr 1966. James Mangold erzählt von Stolz und dem Abwägen von Kompromissen, von Treue und fiesen Machenschaften, was spektakulär mit einer Fülle aufregender Figuren beginnt und dann doch auf ein röhrendes, genregerechtes Buddy Movie zusammenschnurrt.

Morgen sind wir frei

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(Foto: Little Dream Entertainment)

Hossein Pourseifi erzählt von der iranischen Revolution. 1979 muss der Schah Iran verlassen, der Ayatollah Khomeini wird Staatsoberhaupt. Iranische Dissidenten kehren in die Heimat zurück. Einer von ihnen hat in der DDR geheiratet, bringt Frau und Tochter mit nach Teheran. Am Beispiel dieser Familie sieht man die Veränderung der Gesellschaft, von der Freiheit zur Diktatur der Religion.

My Zoe

13 / 17
(Foto: dpa)

Lauter schlimme Sachen: Eine Mutter, die ihr Kind besitzergreifend liebt. Eine Trennung, in der die Eheleute dieses Kind instrumentalisieren. Ein Unfall, der alle Helikoptermütter in Alarmbereitschaft versetzen wird. Ein Wissenschaftler, den eine egozentrische Frau in Frankenstein verwandelt. Und hinter allem Regisseurin Julie Delpy, die glaubt, aus ein paar althergebrachten Science-Fiction-Motiven ließe sich ein seriöser Problemfilm machen.

PJ Harvey - A Dog Called Money

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(Foto: Edition Salzgeber)

Fotojournalist Seamus Murphy hat einen Film über PJ Harvey gedreht, eine Kreuzung aus Kunstprojekt, Making-of und Reisetagebuch der britischen Musikerin, die auf der Suche nach Inspiration die Krisengebiete der Welt durchstreift: Afghanistan, Kosovo und die Armenviertel von Washington, D. C. Die Dokumentation ihres kreativen Prozesses ist faszinierend. Bei der Beschreibung von Themen wie Gewalt und Ungerechtigkeit befördert der Film aber wenig Wesentliches ans Licht.

Searching Eva

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(Foto: N/A)

Eine postmoderne Joan of Arc wird sie genannt. Kopf rasiert, Achseln und Scham nicht, Model, Influencerin, Sexarbeiterin, Dichterin, drogensüchtig, bisexuell. Eva Collé lebt vor großem Publikum im Internet. So viel Offenheit ist vielleicht Freiheit, vielleicht pathologische Selbstzerstörung. Regisseurin Pia Hellenthal lässt Eva in ihrer Pseudodokumentation Eva sein - vielleicht zu sehr. So fühlt sich der Film wie die Inszenierung der Selbstinszenierung an: flach und kompliziert zugleich.

Smuggling Hendrix

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(Foto: dpa)

Weil Jimi ist, wie er ist, rennt er über die Grenze. Der Hund darf den türkisch besetzten Teil Zyperns nun aber nicht mehr verlassen. Yannis tut alles, um ihn wieder auf die griechische Seite zu holen. Den Wunsch des Einzelnen nach ein bisschen Glück stellt Marios Piperides politischen Absurditäten gegenüber, um den Zypernkonflikt im Kleinen nachzuzeichnen. Das gelingt mit Humor und Leichtigkeit, ohne den Ernst der Lage zu verkennen.

Sterne über uns

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(Foto: dpa)

"Man sieht nix, oder?", fragt Melli ihren Sohn, nachdem sie in ihrer Flugbegleiteruniform gestürzt ist. Ein Satz mit doppelter Bedeutung: Niemand soll sehen, dass die beiden obdachlos geworden sind. Sie hausen jetzt im Zelt im Wald an der Kölner Peripherie. Ben geht weiter zur Schule, Melli serviert weiter adrett Getränke. Christina Ebelt zeigt eine Frau unter Hochdruck, eine Kämpferin, der die Luft ausgeht. Franziska Hartmann spielt das großartig. Die Not, der große Bluff, das ewige Sichabstrampeln, der Film spiegelt viel vom heutigen Lebensgefühl.

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