Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

Lesezeit: 4 Min.

Die Todgeweihten grüßen wieder: Paul Mescal in „Gladiator II“. (Foto: Aidan Monaghan/AP)

Die Fortsetzung des Sandalenklassikers „Gladiator“, ein Erotikthriller aus Brasilien und die ersten Weihnachtsfilme: die Starts der Woche in Kürze.

Von Kathleen Hildebrand, David Steinitz, Anke Sterneborg, Fritz Göttler, Susan Vahabzadeh, Philipp Stadelmaier, Martina Knoben, Lara Marmsoler

Des Teufels Bad

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Kathleen Hildebrand: Viel düsterer kann ein Film kaum sein, aber auch kaum konsequenter. Veronika Franz und Severin Fiala erzählen von einer jungen, hochsensiblen Bäuerin, die im ländlichen Österreich des 18. Jahrhunderts erst schwer depressiv und dann zur Kindsmörderin wird. Nach den religiösen Vorstellungen der Zeit war Suizid die schwerere Sünde, denn man kann sie nicht mehr beichten. Anja Plaschg (die Musikerin Soap&Skin) spielt sie mit großer Hingabe, jede Szene ist symbolisch aufgeladen, ein wunderbar vielschichtiger Film, verdienstvoll auch, als Geschichte von unten. Trotzdem: Ob man so viele graubraune Winterbilder voll Tod und Mord und Verwesung erträgt, sollte man sich vor dem Kinobesuch genau überlegen.

Frohes Fest – Weihnachten retten wir die Welt

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Fritz Göttler: Ein Wahlkampf-Film, dessen heiße Phase auf Weihnachten fällt. Carole (Noémie Lvovsky) ist Bürgermeisterin eines französischen Dorfes, deshalb muss sie auch ums Fest herum immer wieder los, um dem fiesen Gegenkandidaten Stimmen abzujagen. Also kommt Alain verstärkt zum Einsatz, ihr Mann (Didier Bourdon), im Supermarkt zum Einkauf, an den familiären Herd. Die Kinder kommen, dieses Jahr, also muss es beim Festtagsschmaus möglichst korrekt zugehen, was den Truthahn und die Eier angeht. Und die Stopfleber!? Und dann die zahllosen stromfressenden Lichterketten! Die Tochter bringt als Mann an ihrer Seite den lockigen Balthazar mit, der die Schwiegereltern mit einem sanften „Namaste“ begrüßt. Es bleibt wenig Zeit und Raum im Film von Jeanne Gottesdiener, für abgewogene, besinnliche Diskussion, und die bewährte französische Rechthaberei produziert ein paar melancholische und sehr viele böse-rotzige Momente. 

Gladiator II

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David Steinitz: Die Fortsetzung des Sandalenfilms erzählt 24 Jahre nach dem Original vom Helden Lucius (Paul Mescal). Die Römer haben seine Frau in einer Schlacht in Numidien getötet und ihn versklavt. Als Gladiator kehrt er schließlich nach Rom zurück und möchte sich im Kolosseum an seinen Feinden rächen. Klingt genau wie die Geschichte von Teil eins? Stimmt. Aber Ridley Scott macht trotzdem einen unterhaltsamen Monumentalfilm daraus (eine ausführliche Kritik lesen Sie hier).

Is Anybody There?

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Susan Vahabzadeh: Edward (Bill Millner) ist ein reichlich morbides Kind, und das aus gutem Grund: Seine Eltern betreiben zu Hause ein Altersheim, und für einen Neunjährigen kriegt er ein bisschen viel Lebensende mit. Eines Tages zieht der frühere Zauberer Clarence (Michael Caine) ein, und der ist zwar auf dem Weg in die Demenz, will aber dem Kleinen vorher noch unbedingt seine Besessenheit vom Tod austreiben und ihm beibringen, das Diesseits zu genießen, ohne die Vergänglichkeit zu verdrängen. Das ist eine schön traurige Geschichte, manchmal berührend, manchmal mit leiser Komik erzählt – im November allerdings nicht förderlich für die gute Laune, zumal John Crowley („Brooklyn“) seinen 2008 gedrehten Film in einem ärmlichen englischen Kaff in den Achtzigerjahren spielen lässt. Aber dafür hat er einen der letzten Auftritte von Michael Caine, und nur er kann mit Würde, Charme und Überzeugungskraft Sätze sagen wie „Ich mag Dachse, weil sie immer übellaunig sind und gut aussehen. Und außerdem kann man aus ihnen Geldbörsen machen.“

Johatsu – Die sich in Luft auflösen

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Martina Knoben: In Japan verschwinden jährlich Tausende Menschen für immer, viele von ihnen mit Hilfe von „Nachtumzugsunternehmen“. Das sind Firmen, die die Spuren von Menschen, die aus ihrem Leben „verdunsten“ wollen (das bedeutet „Johatsu“), verwischen. Andreas Hartmann und Arata Mori begleiten eine dieser Firmen in ihrer Doku, sie sprechen mit „Verschwundenen“ und mit verlassenen Angehörigen. Es ist ein immer wieder gruseliger Blick ins Innere einer Gesellschaft, deren Ansprüche an Disziplin, Leistung, Gesichtswahrung viele überfordern. Aufnahmen nächtlicher Stadtlandschaften vermitteln – in Millionenstädten! – das Gefühl gähnender Leere. Ein Gefühl, das auch die isoliert lebenden „Verdunsteten“ spüren.

Motel Destino

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Philipp Stadelmaier: Nachdem er in einem Sex-Motel an der brasilianischen Küste Unterschlupf findet, beginnt Hernando (Iago Xavier) eine Affäre mit der Frau des Besitzers; schon bald planen sie, ihren Gatten umzubringen. Karim Aïnouz’ Erotikthriller reaktiviert einen alten Film-noir-Plot, ist aber von der Düsterkeit des Genres weit entfernt. Dafür sorgen die süffig-prallen Farben, die hier kein tropikalistisches Klischee sind, sondern ein Korsett, aus dem sich die Figuren befreien müssen.

Neuigkeiten aus Lappland

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Anke Sterneborg: 10 000 Finnmark fürs Fenster der Lokalzeitung, das ihr unsachgemäß befestigter Weihnachtsbaum zerschlagen hat, das ist für die alleinerziehende, arbeitslose Mutter im kleinen Dorf in Lappland im Jahre 1984 unerschwinglich. Ohne nennenswerte Schreiberfahrungen bietet sie also ihre Dienste als Reporterin an und stößt alsbald auf einen Coup, von dem aber zwischen sowjetischer Vertuschung und finnischer Verdrängung niemand etwas wissen will. Nur sie hat den Knall gehört und folgt den Spuren einer russischen Atomrakete. In einer im Morgenrot magisch schimmernden Schneelandschaft verwebt Miia Tervo geschickt die intime Geschichte einer weiblichen Selbstermächtigung mit dem Zustand eines Landes, eine skurrile Familienkomödie mit Agententhriller und romantischer Liebesgeschichte. Als Hauptdarstellerin verströmt Oona Airola einen entwaffnend beherzten Charme, der nur von den irrwitzigen Kopfbedeckungen und Vokuhila-Frisuren getoppt wird.

No Other Land

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Philipp Stadelmaier: Der palästinensische Aktivist Basel Adra und der israelische Journalist Yuval Abraham dokumentieren die fortschreitende Zerstörung eines Dorfes im Westjordanland durch die israelische Armee – und machen aus ihrer Freundschaft ein Zeichen des Widerstands und der Hoffnung. Ein aufwühlender, aktivistischer Film, der mit der Realität einer menschenverachtenden Siedlungspolitik konfrontiert, und mit der Verzweiflung und dem Stress jener, die unter ihr leiden.

Weihnachten in der Schustergasse

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Lara Marmsoler: 1945, es ist kurz vor Weihnachten, als die zehnjährige Stine auf der Suche nach Unterschlupf durch die Tür des zurückgezogenen Schusters Andersen purzelt. Ihre Ankunft stellt in dem friedlichen Dörfchen so einiges auf den Kopf, denn Stine ist auf der Flucht. Der Film von Mikal Hovland erinnert mit seiner aufgeweckten Protagonistin, die die routinierten Einzelgänger-Figuren aufrüttelt, entfernt an „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Auch wenn der Film der altbekannten Formel eines weihnachtlichen Kinderfilms folgt – ein idyllisch verschneites Dorf, ein Bösewicht, der Schlimmes im Schilde führt und unvermutete Freundschaft –, ist er doch herzerwärmend und lässt sich gut an einem kalten Adventsonntag schauen.

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