Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

In "Schlingensief" führt der Künstler durch Chaos und Rebellion. "Follow Me" hat alles, was ein Horrorfilm des schlechten Geschmacks benötigt. Und Lucy Liu glänzt in "Stage Mother".

Aus der SZ-Kinoredaktion

The Climb

1 / 9
(Foto: Prokino)

In einer durchschnittlichen Buddy Comedy wäre Kyle der Schluffi, Mike der Bully und beim Zusehen würde man sich wundern, weshalb die beiden beste Freunde sind. Doch der Filmemacher Michael Angelo Covino macht aus dieser Beziehung ein fragiles und kompliziertes Gerüst aus Zusammenhalt und Abhängigkeit, Gutmütigkeit und emotionaler Ausbeutung - um es mit meisterhaft getimten Slapstickeinlagen und surrealen Gesangsnummern immer wieder zum Einstürzen zu bringen. Die exzentrische Mischung wirkt, als hätte Robert Altman ein Drehbuch von Éric Rohmer verfilmt, und entlockt dem mittlerweile überstrapazierten Genre Momente tragikomischer Poesie.

Follow Me

2 / 9
(Foto: capelight pictures)

Ein hyperaktiver Youtube-Star plus Gang, ein Escape-Room in Moskau in Kalter-Kriegs-Optik, ein zwielichtiger Superreicher, der böse klingendes Russisch raunt. Dazu sadistische Gewaltszenen und ein dreister Twist. Mehr braucht es nicht, um einen Horrorfilm des schlechten Geschmacks zu drehen. Will Wernick könnte hier wichtigen Beobachtungen nachgehen, wie beispielsweise der, dass Soziale Medien nach immer krasserem Content verlangen. Aber das Blut, das hier verspritzt wird, hätte man sich sparen können.

Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden

3 / 9
(Foto: dpa)

In schönster Tradition des spanischen Surrealismus verschachtelt Aritz Moreno in seinem Langfilmdebüt groteske Erzählungen ineinander. Alles beginnt in einem Zug, wo eine Frau von einem Psychiater in ein Gespräch verwickelt wird. Die haarsträubenden Geschichten des Doktors über paranoide Müllmänner (Luis Tosar) oder die Obsessionen eines Hundeliebhabers schlagen Haken zwischen Wahn und Wirklichkeit. Gegen Ende verheddert sich Moreno zwar in den eigenen dramaturgischen Fäden, die Pointe sitzt trotzdem: In seinem verwinkelten, schwarzhumorigen Kino geht es einzig um Kunst des Geschichtenerzählens selbst.

Die Rüden

4 / 9
(Foto: TOM TRAMBOW; Tom Trambow)

In diesem Film gibt es Hunde, die so aggressiv und gefährlich sind, dass sie eingeschläfert werden sollen. Und es gibt die furchtlose Hundetrainerin Nadin Matthews, die trotzdem mit ihnen arbeitet. Dazu kommen in Connie Walthers filmischer Versuchsanordnung ehemalige Gewaltstraftäter, die sich selber spielen und mit diesen Hunden konfrontiert werden, um etwas über sich und ihre Aggression zu lernen. Zum Teil wirkt das recht artifiziell, aber man bleibt atemlos dabei - das allzu Ausgedachte spielt hier keine große Rolle. Denn die Hunde mit ihren pumpenden Herzen, ihrer verzweifelten Bedrängnis, ihrem blitzschnelles Zubeißen sind viel zu real.

Schlingensief

5 / 9
(Foto: © Filmgalerie451)

In dieser Dokumentation über Christoph Schlingensief lässt Bettina Böhler nahezu ausschließlich Schlingensief selbst sprechen. Das bewahrt den Film davor, zum üblichen Konglomerat von Aussagen der Nachbarn, alten Lieben und Eltern zu verkommen, das Biografien oft so öde machte. Stattdessen begleitet man den vor zehn Jahren verstorbenen Künstler in seinen eigenen Worten durch Chaos, Rebellion, Schönheit und Traurigkeit.

Exil

6 / 9
(Foto: AlamodeFilm)

Ach, von wegen Rassismus! Es könne doch sein, dass sie ihn einfach als Menschen nicht mögen. Sagt Sandra Hüller zu ihrem Film-Ehemann (Mišel Matičević), der aus dem Kosovo stammt, einen guten Job bei einem Pharmaunternehmen hat und scheinbar perfekt integriert ist. Aber wieso fragen ihn dann seine Kollegen ständig, woher er kommt? Weshalb hängen tote Ratten an seinem Gartenzaun? Und warum muss er eigentlich immer so viel schwitzen? Visar Morina macht es dem ungeliebten Mann in diesem raffiniert ausbalancierten Film nicht leicht, er lässt ihn über hässliche Büroflure irren und erzählt von Paranoia und deutschem Alltagsrassismus.

Sebastian springt über Geländer

7 / 9
(Foto: déjà-vu film)

Es hätte auch ein Drama werden können: Ein Junge mit zu langen Haaren wächst bei seiner alleinerziehenden Mutter auf, die viel arbeiten muss. Sebastian ist meist alleine, redet nicht viel, das ändert sich auch später nicht; Ceylan Ataman-Checas Abschlussfilm an der Filmschule zeigt den Protagonisten in drei Lebensphasen. Bemerkenswert ist Finn Freyer, der Sebastian als Kind spielt und in dessen Blick so viel vom älteren bereits angelegt ist. Am Ende steht ein junger Mann, ein Träumer, der seinen Weg finden wird.

Stage Mother

8 / 9
(Foto: dpa)

Was einen braven Kirchenchor im Bible Belt mit einem Ensemble schillernder Drag Queens in San Francisco verbindet, findet die texanische Hausfrau Maybelline heraus, als ihr entfremdeter Sohn stirbt und sie sich entschließt, die von ihm geerbte Underground Drag-Bar zur Touristenattraktion umzumodeln. Anfängliche Berührungsängste werden unter der Regie von Thom Fitzgerald schnell von mütterlichen Instinkten und anpackendem Pragmatismus aufgeweicht. Geadelt wird die recht formelhaft erzählte Geschichte, deren Bühnenshows nicht halb so mitreißend sind, wie behauptet wird, allein durch das erdige Charisma von Jacki Weaver und die freche Schnauze von Lucy Liu.

Tesla

9 / 9
(Foto: dpa)

Wenn Hauptdarsteller Ethan Hawke gegen Ende ziemlich schief den Tears for Fears-Song "Everybody Wants To Rule The World" in ein Karaoke-Mikro raunt, ist eh schon klar, dass Michael Almereyda hier eine Filmbiografie gedreht, die von der Unmöglichkeit handelt, Filmbiografien zu erzählen. Einen Historienfilm, der mehr an epischem Theater als an der großen Geschichtsimmersion interessiert ist. Das führt zwar dazu, das es keinen spannenden Handlungsbogen gibt, ermöglicht aber so wunderschön absurden Szenen wie einem Eiscreme-Duell zwischen Nikola Tesla und Thomas Edison, der nichts von dessen revolutionärer Erfindung wissen will, dem Zweiphasenwechselstrom-Motor.

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