Filmstarts der WocheWelche Filme sich lohnen - und welche nicht

Christopher Nolan zeigt in "Tenet" grandiose Action-Ballette. Das spannende Kammerspiel "Yalda" ist einer realen "Vergebungsshow" des iranischen Fernsehens nachempfunden.

Aus der SZ-Kinoredaktion

Die Blechtrommel

1 / 10
(Foto: dpa)

Kaum ein anderer Film ist so untrennbar mit der Selbstwahrnehmung der Bundesrepublik im späten Kalten Krieg verbunden wie Volker Schlöndorffs Grass-Verfilmung von 1979. Der winzige Folgsamkeits-Verweiger Oskar Mazerath beschreibt den Weg ins Dritte Reich, ein absurder Alptraum, zum Trommeln und zum Schreien. Ein echter Klassiker ist dieser Film, der die Goldene Palme in Cannes und den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewonnen hat. Nun kommt er, frisch renoviert, noch einmal ins Kino.

Die Boonies - eine bärenstarke Zeitreise

2 / 10
(Foto: dpa)

In China sind die Bären-Brüder Briar und Bramble durch eine Kinderserie und Filme längst bekannt, nun kommen sie in Deutschland ins Kino. Leon Ding schickt sie mit ihrem menschlichen Freund Vick in die Steinzeit. Schweine, Nashörner, Mini-Pandas: Der Animationsfilm nimmt sich viel Zeit für allerhand Tiere, vor denen die drei meist schreiend wegrennen. Mit einer kleinen Wölfin, die gerne mutig wäre, nimmt die Handlung dann doch Fahrt auf. Ihr Widersacher erinnert allerdings sehr an den Bösewicht Scar aus dem "König der Löwen".

Experiment Sozialismus - Rückkehr nach Kuba

3 / 10
(Foto: Jana Kaesdorf)

Ein Exilkubaner kehrt in sein Land zurück, reist mit einem Filmteam herum und berichtet, wie verfallen alles ist und warum es den Menschen auch nach Fidel Castros Tod kaum besser geht. Hinter dieser "Doku-Fiktion" eines künstlichen Ich-Erzählers verbirgt sich allerdings die Berliner Kamerafrau Jana Kaesdorf. Ihr Wissen über Sozialismus oder Kapitalismus reicht nicht über Proseminar-Niveau hinaus, dennoch versucht sie ständig, die kubanische Wirtschaft zu erklären. Das ist sehr ermüdend - aber die Bilder, die sie im ganzen Land eingefangen hat, befeuern wenigstens die Reisesehnsucht.

The Fare

4 / 10
(Foto: UCM.ONE)

Einziger Handlungsort von D.C. Hamiltons Spielfilm ist ein altes klappriges Taxi. Damit bringt der einsame Taxifahrer Harris seine Fahrgäste an ihr Ziel. Als er aber eines Nachts die charmante Penny an einer ansonsten menschenleeren Landstraße abholt, ahnen beide noch nicht, dass sie sich bereits kennen: Denn sie befinden sich in einer Zeitschleife. Jedes Mal, wenn Penny zu ihm ins Taxi steigt, setzt ein Unwetter der Fahrt ein Ende und Penny verschwindet vom Rücksitz. Harris versucht zu begreifen, was passiert, setzt sein Taxameter zurück, und die mysteriöse Fahrt beginnt von Neuem. Was hier wie der Plot eines Psychothrillers klingt, entpuppt sich leider als wenig aufregende Liebesgeschichte. Zwei Liebende, gefangen in einer niemals endenden Taxifahrt. Schrecklich kitschig.

Fragen Sie Dr. Ruth

5 / 10
(Foto: dpa)

So etwas wie "normal" gibt es nicht, lautet das Credo der Sextherapeutin Ruth Westheimer, die in den Achtzigern mit der Radiosendung "Sexually Speaking" berühmt wurde. In einer Zeit, in der Schwulsein noch als Sünde galt und weibliche Lust als (hoffentlich) nicht existent, plädierte sie für Freude am Sex in seinen diversen Ausprägungen und Respekt für alle. Ryan White porträtiert die herrlich quirlige, schlagfertige und charmante 92-Jährige, deren Lebensweg sich in vielfacher Hinsicht zu einem Zeitbild fügt: Sie überlebte als Tochter deutsch-jüdischer Eltern den Holocaust, kämpfte in Israel für den neuen jüdischen Staat, um schließlich in den USA an der Moralgeschichte mitzuschreiben. Dass sich die Geschichte dieses Lebens schließlich wie eine American-Dream-Erzählung liest, irritiert. Aber auch das gehört wohl zum (Selbst)bild einer Überlebenden.

Lovecut - Liebe, Sex und Sehnsucht

6 / 10
(Foto: Silverio Films)

Der Episodenfilm folgt sechs pubertierenden Digital Natives bei ihrer Suche nach Liebe, Beziehung und Körperlichkeit. Ein flirrender, leichtfüßiger Drift durch die Straßen von Wien und eine Lebensphase, die produktive wie zerstörerische Energien freisetzt. Besonders bemerkenswert: Der Erzählstrang, in dem Iliana Estañol und Johanna Lietha warmherzig und mit großer Selbstverständlichkeit die Nöte eines verliebten, körperlich beeinträchtigten jungen Mannes und dessen Wunsch nach Sexualität thematisieren.

See der wilden Gänse

7 / 10
(Foto: bai_linghai; eksystent Filmverleih)

In Cannes lief Diao Yinans üppig aber präzise inszenierter Noir-Thriller über einen Gangster auf der Flucht in der chinesischen Provinz letztes Jahr im Wettbewerb. Manches erinnert an Hitchcock, manches an Nicolas Winding Refn, alles zusammen ist eine Sammlung zeichenhafter, superstilisierter, auch ungewöhnlicher Bilder. Viel wichtiger als die Handlung ist das hemmungslose Spiel mit Farben und Formen: menschliche Schattenrisse im Regen, neonbeleuchtete Straßen, Verfolgungsjagden auf Motorrädern. Und wenn Blut spritzt, dann auf abstrakte Weise, wie Farbkleckse einer Performance.

Still Here

8 / 10
(Foto: Kinostar Filmverleih)

Vlad Feier trifft mit seinem intensiven Sozialdrama ins Herz der aktuellen Diskussion um Rassismus im Polizeiapparat: Ein zehnjähriges Mädchen aus einem ärmlichen, überwiegend afroamerikanischen New Yorker Viertel verschwindet, die Polizei unternimmt rein gar nichts. Erst als ein Journalist sich einmischt und einen Verdächtigen präsentiert, gerät der Fall in den Fokus der Öffentlichkeit. "Still Here" erzählt sehr differenziert und einfühlsam von der persönlichen Tragödie einer Familie und zeigt damit die brutalen Konflikte und Missstände (nicht nur) der amerikanischen Gesellschaft auf.

Tenet

9 / 10
(Foto: epd)

Ein ehemaliger CIA-Agent (John David Washington) auf Weltrettungs-Mission. Wildes Jetsetting zu dramatisch-pittoresken Locations, komplexe Einbrüche, Verfolgungsjagden, Kommandooperationen, dazu ein russischer Fiesoligarch (Kenneth Branagh) mit Superyacht und gefangener Superfrau. Zunächst einmal zeigt Christopher Nolan hier, dass er auch einen Bond oder "Mission Impossible" tiefenentspannt aus dem Ärmel schütteln würde. Zusätzlich aber gibt es "invertierte Materie", die sich rückwärts durch die Zeit bewegt. Erklärungsversuche sind (auch im Film selbst) sinnlos, aber für grandiose Action-Ballette in wilder Traumlogik ist dieser Einfall allemal gut (SZ vom 22. August).

Yalda

10 / 10
(Foto: dpa)

Todesstrafe oder Vergebung? Darum geht es, mit ganz realen Konsequenzen für eine wegen Mordes verurteilte junge Frau, in einer Reality-Show. Das unglaubliche Format ist einer echten Sendung des iranischen Fernsehens nachempfunden: Vor einem Millionenpublikum muss Maryam ihren Fall darlegen und die Tochter ihres getöteten Ehemannes um Vergebung bitten. Massoud Bakhshi macht daraus ein spannendes, optisch glamouröses Kammerspiel, das die Ungerechtigkeiten und Ausbeutungsverhältnisse der iranischen Gesellschaft offenlegt. Dazu ihre Lügen: Alles ist inszeniert und vieles ein Fake in dieser Glitzer-Show.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: