Süddeutsche Zeitung

Kino:FBI versus Weißes Haus, erste Runde

"The Secret Man" erzählt von Mark Felt, der als "Deep Throat" im Watergate-Skandal entscheidende Hinweise gab.

Von Fritz Göttler

Siebzehn Versetzungen in drei Jahrzehnten, siebzehn Mal eine neue Stadt, ein neues Heim, neue Schulen für die Kinder. Ein amerikanisches Frauen-, ein Ehefrauenschicksal, von der Karriere des Mannes bestimmt, von Resignation getränkt: Audrey Felt, die Frau des FBI-Mannes Mark Felt, der in den Siebzigern eine entscheidende Rolle spielte bei der Aufklärung des Watergate-Skandals und dem Rücktritt von Präsident Richard Nixon 1974. Wunderschön, kokett, kompliziert, sagt der Filmemacher Peter Landesman von ihr: "Alkoholikerin und wahrscheinlich manisch-depressiv, auch wenn es damals diese Diagnose nicht gab." Das Schicksal dieser Frau verleiht der Geschichte ihres Mannes eine dunkle Grundierung. "Sie war wie ein Feuervogel, den er liebte, aber nicht kontrollieren konnte." Wunderschön, kokett, kompliziert, das ist auch hier, und immer wieder, Diane Lane.

Mark Felt war der zweite Mann im FBI zur Zeit des Watergate-Einbruchs, ins Quartier der demokratischen Partei, im Juni 1972, hinter dem die Männer des Präsidenten steckten und dieser selbst. Mark Felt war "Deep Throat", der Whistleblower - der Ausdruck war damals noch nicht so fest etabliert wie heute -, der dem Journalisten Bob Woodward von der Washington Post Hinweise zur Verwicklung des Weißen Hauses gab. 1976 wurde die Geschichte in dem Film "Die Unbestechlichen/All the President's Men" von Alan J. Pakula erzählt, mit Robert Redford als Bob Woodward und Dustin Hoffman als sein Kollege Carl Bernstein.

Auf den Glamour dieses Films hat Peter Landesman, der als Reporter aus den Krisenzonen der Welt bekannt wurde, bewusst verzichtet, sein Film ist von kühler Monochromie. Und der souveräne Liam Neeson spielt Mark Felt, als könnte er dessen Farblosigkeit zur Tugend machen. Ein Bürokrat, aber zerrissen zwischen moralischen Prinzipien, dem Schauder vor politischer Korruption, professioneller Loyalität und persönlichem Ehrgeiz. Ein Jahr nach Watergate verließ Mark Felt das FBI, Vermutungen, er müsse "Deep Throat" sein, wies er heftig zurück. Erst 2005 gab er sich zu erkennen, 2008 starb er, mit 95 Jahren.

Mark Felt ist FBI-Urgestein, seinem Chef, dem dubiosen J. Edgar Hoover, treu ergeben, nach dessen Tod hatte er sich einige Zeit Hoffnungen gemacht, sein Nachfolger zu werden. Hoovers gefürchtete Geheimakten über das Politpersonal in Washington lässt er nach dessen Tod in einer Blitzaktion schreddern - bevor die Leute vom Weißen Haus anrücken, um es zu beschlagnahmen. Das FBI kommt gut weg in diesem Film - aber seit Donald Trump sich mit dem Ex-FBI-Chef Comey anlegte, sieht man die Konfrontation FBI und Politik in einem neuen Licht.

"Er hat sich", resümiert Peter Landesman, "allein im stillen Kämmerlein selbst verbrannt und niemand hatte es gemerkt." Mark Felt hat selbst im Dienst dubiose Methoden angewendet, etwa bei der Jagd auf die Weathermen, der radikalen Untergrund-Organisation der Siebziger. Er hat niemanden geschont. Audrey Felt nahm sich 1984 das Leben, mit dem Dienstrevolver ihres Mannes.

Mark Felt - The Man Who Brought Down the White House, USA 2017 - Regie, Buch: Peter Landesman. Nach dem Buch von John O'Connor. Kamera: Adam Kimmel. Mit: Liam Neeson, Diane Lane, Maika Monroe, Marton Csokas, Tom Sizemore, Josh Lucas, Noah Wyle, Eddie Marsan. Wild Bunch, 103 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2017
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