Kino:Falsche Fährte

"Ein Moment der Wahrheit", ein Journalisten-Thriller über "Rathergate", mit Cate Blanchett und Robert Redford.

Von Susan Vahabzadeh

In schnelllebigen Zeiten gedeiht das Gras, das über Sünden wächst, besonders gut. Das Kino ist eher langlebig und konserviert die Skandale, die es sich vornimmt - die Watergate-Affäre beispielsweise will partout nicht verschwinden aus dem kollektiven Skandal-Grundwissen, und daran ist der dazugehörige Film mit Robert Redford und Dustin Hoffman, "Die Unbestechlichen" (1976), nicht ganz unschuldig. Was James Vanderbilt nun in "Der Moment der Wahrheit" beschreibt, nannte sich Rathergate und trug sich 2004 zu, war viel kleiner - und wäre ohne diesen Film schon wieder vergessen.

Cate Blanchett spielt Mary Mapes, die damals Sendungen für das legendäre Fernsehmagazin "60 Minutes" produziert, und zwar mit dem ebenso legendären Nachrichten-Mann Dan Rather. Robert Redford hat diese Rolle übernommen und macht sich natürlich sehr gut als Übervater, vor dem alle in Ehrfurcht erstarren, obwohl er das keineswegs verlangt. Zu Mapes ist Rathers Verhältnis das eines väterlichen Mentors und besonders eng. Zu Beginn des Films "Der Moment der Wahrheit" trommelt sie ein Team für eine neue Story zusammen. Gerade zuvor hat sie über die Folter im Gefängnis von Abu Ghraib berichtet. Jetzt will sie eine Recherche fortsetzen, die sie 2000 abgebrochen hatte: Es geht um den Militärdienst des Präsidenten George W. Bush.

Kino: Cate Blanchett als Mary Mapes.

Cate Blanchett als Mary Mapes.

(Foto: SquareOne/Universum)

Es ist grade Wahlkampf. Er tritt wieder an. Was sich nun entspinnt, ist ein Thriller: Mary Mapes, die so sehr in ihrer Arbeit aufgeht, dass Rather sie gelegentlich daran erinnern muss zu essen, stürzt sich in die Recherche. Sie muss etwas finden, was noch nicht berichtet wurde, um die Sendung machen zu dürfen. Eigentlich ist nämlich schon bekannt, dass es nur lückenhafte Präsenznachweise gibt für Bushs Anwesenheit auf dem Stützpunkt, auf dem er Anfang der Siebzigerjahre während seines Militärdienstes hätte sein sollen. Eine brisante Geschichte, mitten im Wahlkampf, mitten im Irakkrieg: Wie war es möglich, dass während des Vietnamkriegs der Sohn des damals schon mächtigen Politikers George Bush senior nur auf einer Provinz-Airbase dienen sollte und dort nicht einmal erschien? Und dann werden ihr Kopien von Notizen zugespielt, in denen steht, man habe Bush den Dienst auf Druck von oben leicht gemacht.

Vanderbilt, der für David Fincher "Zodiac" geschrieben hat - auch ein Thriller, der viel unter Journalisten spielt -, zeichnet Mape' stressigen Alltag mit viel Sinn für die wichtigen Details: Das Team steht unter Druck, der Sender will eine so knallige Geschichte gern machen, aber er will sie bald. Und eigentlich will man das Weiße Haus nicht ärgern. Der Film basiert auf Mapes' Erinnerungen, er nimmt ihre Perspektive ein und zeigt doch beiläufig, wie sie kurz versagt. Sind die Dokumente authentifiziert, fragt man sie beim Sender. Sie sagt nicht: Das geht nicht bei Kopien. Man wird ihr das vorwerfen. Die Sendung läuft, und die Washington Post befindet, die Memos könnten nicht von 1973 sein - weil das Schriftbild nach Computer aussieht. Und plötzlich ist Mapes nicht mehr die Enthüllende, sie ist selbst Zentrum eines Skandals, der auch Dan Rathers Karriere beenden wird.

Das ist alles spannend und wunderschön gespielt und lässt die unlösbaren Fragen offen. Mapes ist wahrscheinlich einer Fälschung aufgesessen. Die Republikaner werfen ihr nun vor, mit Absicht gehandelt zu haben, um Bushs Wiederwahl zu verhindern. Kollegen schelten sie, weil dieser Fehler es den Republikanern leicht gemacht habe, von erwiesenen Tatsachen abzulenken und sich auf ein Detail einzuschießen, das nicht stimmt. Es gibt aber, leider, eine dramaturgische Macke: Ihre Verteidigungsrede hält Mary Mapes erst am Schluss. Wie hätte sie darauf kommen sollen, fragt sie da, dass ein Dokument, dessen Inhalt bestätigt wurde und dessen Fälschung detaillierte Kenntnisse erforderte, in einen Computer getippt worden ist, den es damals noch gar nicht gab? Interessante Frage.

Das ist die Weisheit dieses Films: Er zeigt, dass man die Wahrheit am leichtesten in einem Berg falscher Behauptungen versteckt.

Truth, USA 2015 - Regie und Buch: James Vanderbilt. Kamera: Mandy Walker. Mit: Cate Blanchett, Robert Redford. Square One/ Universum, 125 Min.

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