Kino:Die heißen Lüste der Gewürze

Regisseur Jon Favreau war mit den "Iron Man"-Blockbustern erfolgreich. Im neuen Film "Kiss the Cook" feiert er die Latino-Küche - und den Cook spielt er selber.

Von Rainer Gansera

Zart, nein zärtlich bestreicht er die Brotscheiben mit Butter, belegt und würzt sie, steckt sie in den Toaster und demonstriert, wie man genau den Zeitpunkt abwarten muss, in dem das Brot goldgelb geworden und der Käse geschmolzen ist. So liebevoll und leidenschaftlich zupackend, wie er das Cubano-Sandwich zubereitet, serviert Jon Favreau als Autor, Regisseur, Hauptdarsteller und Produzent sein seinen Film "Kiss the Cook".

Bekannt als Blockbuster-Bastler ("Iron Man", "Cowboys & Aliens") besinnt sich Favreau auf seine Anfänge als Independent-Filmer ("Swingers", "Made") und intoniert, mit dem mitreißenden Elan eines persönliches Bekenntnisses, eine Hymne auf die Latino-Küche. Zugleich beschwört er die Leidenschaft, die alle wichtigen Dinge des Lebens befeuern sollte: Liebe, Freundschaft, Kochkunst.

Tisch und Bett, Gastronomie und Erotik sind die beiden elementaren Möglichkeiten, den Körper und die Lust ins Spiel zu bringen, und deshalb finden auch Kochkunst und Kino - von "Eat Drink Man Woman" bis "Bella Martha" - gern zusammen. Favreaus kulinarische Pilgerfahrt beginnt in Los Angeles, wo er als Carl Casper, Küchenchef des renommierten Gourmet-Restaurants "Gauloises", sein Team dirigiert. Er schnippelt, bruzzelt und dekoriert die Speisen mit größter Hingabe, denn er ist dabei, ein neues Menü zu erfinden. Ein gefürchteter Restaurantkritiker (Oliver Platt) hat seinen Besuch angekündigt.

Kino: Küchen-Chef Casper wird gespielt von Jon Favreau (M.), der seine filmische Leidenschaft gern zwischen Regie und Schauspielerei teilt. Links hinter ihm: John Leguizamo.

Küchen-Chef Casper wird gespielt von Jon Favreau (M.), der seine filmische Leidenschaft gern zwischen Regie und Schauspielerei teilt. Links hinter ihm: John Leguizamo.

(Foto: Studiocanal)

Nichts ist begeisternder als der Moment, in dem sich Kreativität entfaltet. Favreau alias Casper verkörpert einen sanften Kontrast: zwischen seiner bulligen Erscheinung, seiner hemdsärmeligen Art, seinen prollig-protzenden Unterarm-Tätowierungen - und der zärtlichen Finesse, mit der er die Speisen zubereitet, hinzaubert wie ein kulinarischer Alchemist. Das Problem: Der Besitzer des Restaurants (Dustin Hoffman als ätzender Sturkopf) will keine Neuerungen, nur das altbewährte Best-of-Menü, wie eben auch die Plattenlabels - so erklärt er das - ihre Best-of-Platten herausbringen. Nummer sicher.

Kochend begibt sich Jon Favreau auf einen Triumphzug durch Miami und New Orleans

Die Katastrophe ist abzusehen, es kommt zum Eklat, Caspar schmeißt alles hin und muss noch einmal ganz von vorn anfangen. Auch mit seinem Privatleben, das er als Workaholic-Chefkoch sträflich vernachlässigt hat. Vom Freund seiner Exfrau (herrlich exzentrischer Gastauftritt von "Iron Man" Robert Downey jr.) erhält er einen Imbisswagen, mit dem er nun eine Reise zu seinen kochkünstlerischen Wurzeln antritt. Zusammen mit dem Freund und Kollegen Martin (John Leguizamo) und seinem 11jährigen Sohn Percy. Der Gourmet-Chefkoch erobert seine "Street Credibility" zurück. Und seine Glaubwürdigkeit als guter Vater.

Bei diesem Foodtruck-Roadmovie, das zum Triumphzug durch Miami und New Orleans wird, geht es immer auch darum, das besondere Feuer der Latino-Kochkunst zu zelebrieren - deren Besonderheiten im Vergleich zur US-Küche hat der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz so beschrieben: "Die Nordamerikaner lieben die frischen Farben und Geschmäcker. Eine Küche wie Aquarell- oder Pastellmalerei, eine Küche, die die Gewürze fürchtet wie den Teufel, doch die sich im Schlamm von Schlagsahne suhlt und Orgien von Zucker feiert. Die Antipodin dazu ist die Latino-Küche, deren Geheimnis im Zusammenprall von Geschmäckern besteht: das Frische und das Scharfe, das Heiße und das Saure, das Salzige und das Süße."

Auch wenn das Finale mit seiner Vater-Sohn-Wiederversöhnung überzuckert erscheint, bleibt die Geschichte vergnüglich, leichtfüßig und weckt die Lebensgeister. Hier ist niemand von Essstörungen geplagt, hier geht es nie um Diätpläne, hier ist das Essen beglückende Lust-Erfahrung, in der sich enthüllt, was wir sind, wenn wir unseren wahren Leidenschaften folgen. Und wenn man das Kino verlässt, beginnt man sofort, nach dem nächsten Latino-Restaurant Ausschau zu halten.

Chef, USA 2014 - Buch, Regie, Produktion: Jon Favreau. Kamera: Kramer Morgenthau. Mit: Jon Favreau, John Leguizamo, Emjay Anthony, Scarlett Johansson, Dustin Hoffman, Robert Downey jr., Sofia Vergara. Studiocanal, 114 Minuten.

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