Kino:Der Schatten des Gatten

© Meta Film London ltd

Szenen einer sehr ungerechten Ehe: Jonathan Pryce und Glenn Close in "Die Frau des Nobelpreisträgers".

(Foto: Graeme Hunter Pictures)

Die Schauspielerin Glenn Close könnte für das Kinodrama "Die Frau des Nobelpreisträgers" endlich den Oscar gewinnen. Sie war bereits fünfmal nominiert.

Von Josef Grübl

"Hören Sie das Geräusch?", fragt die Frau und klappt einen von einer anderen Frau geschriebenen Roman auf. Es macht "fffff", so als ob dem Buch die Luft entweiche. Sie sagt: "Genauso hören sich Bücher an, die nie geöffnet werden - geschweige denn gelesen".

Das verstört die Nachwuchsautorin Joan so sehr, dass sie das Bücherschreiben gleich ganz bleiben lässt. Es sind die frühen Sechzigerjahre, sie arbeitet in einem New Yorker Verlag und sieht tagtäglich, wie Männer ihre Macht ausnutzen und sich Aufträge und Auszeichnungen zuschieben. Das erinnert ein wenig an die Serie "Mad Men". Statt um Werbung geht es zwar um Bücher, doch hier wie dort sind Frauen vorerst lediglich Sekretärinnen und Ziele erotischer Attacken. Joan heiratet ihren College-Professor Joe und hilft dessen Autorenkarriere auf die Sprünge. Dreißig Jahre später sind die beiden immer noch ein Paar; er ist ein berühmter Schriftsteller geworden, sie die aufmerksame Gattin an seiner Seite. Er sagt: Meine Frau schreibt nicht. Sie steht daneben und lächelt. Doch als ihm der Literaturnobelpreis, zugesprochen wird, vergeht Joan das Lachen, sie kann die Fassade nicht länger aufrechterhalten.

"The Wife/Die Frau des Nobelpreisträgers" ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans der Amerikanerin Meg Wolitzer. Bei ihr fliegt das Paar zu einer Preisverleihung nach Helsinki, im Film des schwedischen Regisseurs Björn Runge wurde der Nobelpreis daraus. Er erzählt eine Geschichte über Frauenfeindlichkeit und Sexismus unter Literaten, von Machos und Musen, was einem angesichts der realen Vorgänge innerhalb der Schwedischen Akademie bekannt vorkommt: Im November 2017 kam heraus, dass Jean-Claude Arnault Frauen sexuell belästigt haben soll. Der Leiter eines Stockholmer Kulturzentrums und Ehemann des Akademiemitglieds Katarina Frostenson galt als einflussreich, mit diesem Fall erreichte die "Me Too"-Debatte den Literaturbetrieb. Das Krisenmanagement der Akademie verlief eher suboptimal, woraufhin man die Verleihung 2018 ganz absagte. Mittlerweile wurde Arnault wegen Vergewaltigung zu einer Haftstrafe verurteilt. Der bereits im Jahr 2016 gedrehte Film wird dadurch aktuell, er nimmt den öffentlichen Abgesang auf den alten weißen Mann vorweg, erzählt das aber intimer, im Beziehungsgeflecht einer jahrzehntelangen Ehe.

Während Joe (Jonathan Pryce) auch im besten Silver-Ager-Alter keiner Versuchung widerstehen kann und einer jungen schwedischen Fotografin hinterher steigt, muss Joan (Glenn Close) einen Journalisten abwimmeln. Nathaniel Bone (Christian Slater) will eine Biografie über Joe schreiben und weiß verblüffend viel über ihn und seine Gattin, selbst ihre Kurzgeschichten aus College-Zeiten hat er gelesen. "The Wife" ist ein Oscar-Bewerbungsfilm. Im Mittelpunkt steht Glenn Close, die das ganze Leid des Schriftstellergattinnen-Daseins in ihr zart gealtertes Gesicht legt - und damit das auch wirklich jeder erkennt, schenkt ihr der Regisseur besonders viele Großaufnahmen. Die 71-Jährige macht ihre Sache exzellent, keine Frage. Sie nimmt sich zurück und hält Joans Gefühlsleben in der Schwebe, nur in ihren Blicken spielen sich die wahren Dramen ab.

Schon sechsmal wurde die Schauspielerin für den Oscar nominiert, für Hits wie "Eine verhängnisvolle Affäre" oder "Gefährliche Liebschaften". Gewonnen hat sie ihn noch nie. Das könnte sich jetzt ändern. Bereits im September 2017 feierte "The Wife" beim Festival in Toronto seine Weltpremiere, er lief aber erst ein Jahr später in den US-Kinos an, weshalb sie bei der kommenden Verleihung wieder nominiert werden könnte. Leider ist der Film stellenweise etwas betulich, gerade weil der Regisseur sich so auf seine Hauptdarstellerin verlässt und sonst eher wenig beizusteuern hat. Was Close' Oscar-Chancen nicht unbedingt schmälern muss, die Mitglieder der US-Filmakademie zeichnen manche Kolleginnen und Kollegen auch einfach deshalb aus, weil sie nach Jahren der Nominierungen einfach "überfällig" sind.

Die ewige Oscar-Königin Katharine Hepburn sagte einmal: "Bei den Oscars gewinnen die richtigen Schauspieler, aber für die falschen Rollen."

The Wife, UK/SWE/USA 2017 - Regie: Björn Runge. Buch: Jane Anderson, nach einem Roman von Meg Wolitzer. Mit: Glenn Close, Jonathan Pryce, Christian Slater. Square One Entertainment, 100 Minuten.

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