Kino:Das Glück liegt unter der Salami

Nach "Lammbock" kommt "Lommbock": Die Fortsetzung der Kiffer-Komödie mit Moritz Bleibtreu und Lucas Gregorowicz.

Von Philipp Bovermann

Sie waren mal cool. Jetzt sind sie zwei bekiffte Würzburger, von denen einer Stress auf dem Standesamt bekommt. Dabei wollte Stefan (Lucas Gregorowicz) eigentlich nur kurz aus Dubai rüberjetten, seine Geburtsurkunde abholen, sie zwischen seine schicken Hemden packen und dann zurück in die Wüste, um dort eine hübsche Scheichtochter zu heiraten. Aber die Heimat ist wie eine der Pizzas, die er früher zusammen mit seinem besten Kumpel Kai (Moritz Bleibtreu) vertickt hat: Schmeckt auch kalt noch ganz annehmbar, und unter der Salami-Scheibe liegt ein Tütchen Gras.

Die auf illegale THC-Beilagen spezialisierte Pizzeria, die dem Film "Lammbock" 2001 ihren Namen gab, existiert natürlich noch. Kai schmeißt sie jetzt allein, unter neuem Namen: "Lommbock", so musste er das Schild nicht austauschen. Schon damals war er derjenige, der wollte, dass immer alles so bleibt wie es ist. Er theoretisierte über die physikalischen Veränderungen von Silikon-Implantaten auf Reiseflughöhe, während er perfekte Joints drehte, minutenlang, ohne Schnitt, während Stefan auf der Couch neben ihm rumnölte, er müsse auf seine Jura-Klausur lernen. Aber "ein Schneller" ging halt doch immer noch.

Film

Früher war mehr THC: Kai (Moritz Bleibtreu, links) und Stefan (Lucas Gregorowicz) zünden sich auf die guten alten Zeiten "einen Schnellen" an.

(Foto: Wild Bunch)

16 Jahre später hat Kai die ersten grauen Haare, Stefan hat einen Bart und eine Strandbar. Allerdings befindet sie sich auf dem Dach eines Hochhauses in Dubai und in den Joints ist nur Tabak und Mandelöl. Als er in Würzburg Jenny davon erzählt, seiner Exfreundin aus Teeniezeiten, sagt sie, das sei "schon ein bisschen Bob Marley-Disneyland, oder?"

Die beiden essen ein Eis, gehen spazieren, im Hintergrund die malerische Main-Promenade. Das Wetter: strahlend schön. Sie gelangen zu einer Anhöhe mit Blick über die Stadt. So schließt sich der Kreis. Das letzte Mal waren sie dort mit 16 zum Rumknutschen. Jetzt kommen sie als Touristen. Im Verlauf des Films fliegt die Kamera immer wieder in die Höhe und ertränkt das einigermaßen belanglose Geschehen - Stefan hat mit Kai gekifft, nun droht ihm deshalb Ärger mit Dubai - für ein paar Momente in der ruhigen Gleichmut des Panoramas. Als hätte sie keine Lust mehr auf den alten Quatsch und wolle lieber fränkische Weinstöcke anschauen, so was ist einem früher ja auch gar nicht aufgefallen. Nach dem Ausflug landen Jenny und Stefan im Bett, ohne richtigen Grund, aber warum auch nicht.

Der schöne Blick in die Weinberge ist jetzt wichtiger als die Joint

Ebenso lieblos geht der Film mit dem heimlichen Maskottchen seines Vorgängers um, Mehmet Scholl. Er tauchte in Gesprächen immer wieder als Running Gag auf ("Das Zeug kickt besser als Mehmet Scholl"). Nun steht er plötzlich aus Fleisch und Blut da, in der Strandbar in Dubai. Was nun mit ihm anfangen? Es werden ein paar Worte gewechselt, dann geht Scholl weiter. Bisweilen wirkt es geradezu masochistisch, wie Regisseur Christan Zübert das Tafelsilber des ersten Teils verscherbelt. Die coole Ironie von damals hat sich in Zynismus verwandelt. Der Silikontitten-Theoretiker Kai erklärt nun, die Menschheit stamme von Aliens ab. An einer Stelle gibt er zu, ihm falle eigentlich auch nichts mehr ein. Da befinden sich die Jungs gerade in der herrlichen Natur vor den Toren Würzburgs, wo das nicht so auffällt.

Der Film "T2 Trainspotting" zeigte jüngst, dass Klassentreffen von Fans verbotener Substanzen auch ganz anders ablaufen können, dass aus dem alten Heimatgefühl und der Nostalgie etwas Neues entstehen kann. Hier hingegen blickt Stefan in die weite Landschaft, auf die Weinberge, und sagt, in Dubai habe man ja keine echten Freunde, manchmal fehle ihm das Ganze hier richtig. Wo ist sie hin, die Heimat? Vielleicht war auch "Toni Erdmann" nicht zuletzt deshalb ein so umjubelter Erfolg, weil er ebenfalls subtil diese Sehnsucht thematisierte, die den Zeitgeist umzutreiben scheint. Dort reist einer Unternehmensberaterin das haarige Kuschelmonster namens Kindheit hinterher, aus dem piefigen Aachen in die seelenlose, globalisierte Welt - nicht als Schrecken, sondern als Verlockung der Heimkehr ins Vertraute, Echte, Nahe.

"Lommbock" ist da schon einen Schritt weiter. Der Film wärmt das alte coole Gelaber wieder auf, legt eine Salami-Schreibe drauf und schafft eine Welt der ewigen Kindheit und Jugend, in der niemand je erwachsen wird. Er ist, mit anderen Worten, ein Heimatfilm.

Lommbock, Deutschland 2017 - Regie, Buch: Christian Zübert. Kamera: Philip Peschlow. Mit: Moritz Bleibtreu, Lucas Gregorowicz, Alexandra Neldel. Wild Bunch, 105 Minuten.

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