Kino: Daniel Craig in "Defiance":Die tun was

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Na endlich läuft der Holocaust mal gut rein: als Naturburschenstory, mit echten Kerlen in Wäldern, und in ihrer Mitte James Bond. Wäre da nicht dieser schale Nachgeschmack.

Alex Rühle

Na endlich läuft der Holocaust mal gut rein. Nicht so quälend wie sonst immer. Mit all diesen Juden, die sich gegen die Deportationen nicht zur Wehr setzen. Und diesen endlosen Zugfahrten in die Lager. Sondern als Naturburschenstory. Wälder. Echte Kerle mit Zimmermannsarmen. Und in ihrer Mitte James Bond.

Ein Quantum Trost: Alexa Davalos mit Daniel Craig. (Foto: Foto: Constatin)

Okay, das war jetzt zu polemisch, Daniel Craig kann ja nichts dafür, dass man inzwischen durch seine Rollen immer den Geheimagenten durchschimmern sieht. Aber der Film kann sehr wohl etwas dafür, wird doch Craig in "Unbeugsam" ähnlich wie Bond inszeniert, als einsamer Held im Kampf gegen eine grausame Übermacht, als einer, der oft gezwungen ist, sich die Finger schmutzig zu machen, um andere zu retten - um dann abends, mit nackter Frau im Arm, im warmen Kaminfeuerlicht, kurz Atem zu holen von der Unbill des Lebens.

Sein Name ist Bielski. Tuvia Bielski. Ein Jude, den es wirklich gab und dessen Geschichte unglaublich klingt - in Polen erregt die Frage, was Fakt und was Fiktion ist, bis heute die Gemüter.

Bielski stammte aus Stankiewicze, einem Weiler, der damals zu Polen gehörte und heute in Weißrussland liegt. Als die Deutschen seine Eltern im Dezember 1941 ermordeten, floh Tuvia mit dreien seiner Brüder in die umliegenden Wälder. Schnell suchten andere Überlebende der umliegenden Ortschaften bei ihnen Zuflucht. Die "Bielski-Partisanen" befreiten Juden aus Ghettos, bekämpften Kollaborateure, verübten Sabotageakte gegen die deutschen Besatzertruppen.

Das Besondere aber war, und das ist historisch weitgehend belegt, dass Tuvia Bielski jeden in seine Partisanengruppe aufnahm, der kam: Alte, Frauen, Kinder. So entstand in der Wildnis ein Blockhüttendorf, das die Bewohner als "Jerusalem in den Wäldern" bezeichneten, samt Schule, Ambulanz, Synagoge und Badehaus. Bielskis Augenmerk richtete sich mehr auf die Rettung seiner Schutzbefohlenen als auf den Kampf gegen die Deutschen. Im Film sagt er deshalb den an Camus erinnernden Satz, es sei ihm wichtiger, eine einzige alte jüdische Frau zu retten, als zehn deutsche Soldaten zu töten.

Eine derart humanistische Einstellung liefert im Krieg natürlich Stoff für interessante Konflikte: Soll man sich um Verletzte kümmern, wenn das die Schlagkraft der Gruppe mindert? Kann man sich in solchen Zeiten noch Bildung leisten, religiöse Riten, ziviles Miteinander?

Der Regisseur Edward Zwick verhandelt den Streit um all diese Fragen, indem er Tuvias Bruder Zus (Liev Schreiber) als knurrenden Hardliner inszeniert, der vor allem kämpfen will und all die ängstlichen Mütterlein, die man plötzlich durchfüttern muss, genauso verachtet wie die unpraktischen Intellektuellen, die im Film für Lacher sorgen, wenn sie während des Holzhüttenzimmerns über Descartes' Subjektivismusbegriff fachsimpeln und so das Klischee vom weltfremden jüdischen Gelehrten bedienen.

Moderner Moses

Und genau hier setzt das Unwohlsein ein, das einen beim Ansehen mehr und mehr befällt. Es ist, als stünden draußen vor den Wäldern Castingbeauftragte, die nur Knallchargen zu den Bielskis durchlassen. Die Frauen müssen schmachtend zu ihnen aufschauen, die Männer tragen Nickelbrillen, zitieren Talmudsätze und spielen Schach, und Tuvia Bond-Bielski schützt sie alle, während er in chicer Lederjacke auf einem Schimmel sitzt oder die Gruppe durchs hüfthohe Wasser führt, einem modernen Moses gleich.

Man mag Zwick, der Verwandte im Holocaust verloren hat, nachsehen, dass er aus Bielski, der das Lager in Wahrheit wohl despotisch führte und mit seinen Leuten die umliegenden Dörfer auf der Suche nach Nahrung brachial überfiel, einen pragmatischen Edelmann macht.

Und es grenzt ja tatsächlich an ein Wunder, dass Bielski, obwohl die Nazis ein hohes Kopfgeld auf ihn aussetzten, drei Jahre lang mit seiner Gruppe überleben konnte: Im Sommer 1944, nachdem die Heeresgruppe Mitte von den Sowjets überrollt worden war, kamen 1230 überlebende Juden aus dem Wald. Zus und Tuvia Bielski gingen in die USA, arbeiteten als Taxifahrer, gründeten ein Fuhrunternehmen und machten nie Aufhebens um ihre Geschichte. Auch weil sie sagten, dass es vor allem Glück gewesen sei, dass sie überlebt hätten.

Genau das leugnet der Film. Und darin besteht sein eigentliches Problem: Seine Begeisterung für diesen starken Mann insinuiert, dass all die Juden, die im Holocaust umkamen, na ja, natürlich nicht selbst schuld sind - aber hätten sie sich nicht, verdammt noch mal, ein bisschen mehr wehren können?!

Besonders unangenehm stößt in dieser Hinsicht die Szene auf, in der Bielski in ein Ghetto schleicht, um den dort lebenden Juden die Flucht anzubieten. Der Alte, dem er das unglaubliche Angebot macht, für alle Bewohner zu sorgen, wirkt geradezu vernagelt in seinen Antworten: Die Todeslager sind doch ein Gerücht. Außerdem ist es kalt im Wald. Craig schweigt und geht.

Das hinterlässt dann schon einen extrem unangenehmen Nachgeschmack, wenn selbst James Bond all diese Menschen nicht dazu bringen kann, zu überleben . . .

DEFIANCE, USA 2009 - Regie: Edward Zwick. Buch: Edward Zwick, Clayton Frohman. Kamera: Eduardo Serra. Mit: Daniel Craig, Jamie Bell, Liev Schreiber. Constantin, 137 Minuten.

© SZ vom 23.4.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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