Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

"Maria Stuart" versucht sich an einer feministischen Geschichtsinterpretation. Und "Capernaum" gibt gefühlvoll Einblick in die Elendsviertel von Beirut.

Von den SZ-Kinokritikern

Capernaum

1 / 16
(Foto: Alamode Film)

Ein Junge verklagt seine Eltern, weil sie ihn in die Welt gesetzt haben: Immer dokumentarischer und wahrhaftiger sind die Filme der libanesischen Regisseurin Nadine Labaki geworden, seit "Caramel" und "Wer weiß, wohin?" In ihrem zärtlichen Blick gewährt sie den Ärmsten der Armen aus den Elendsvierteln von Beirut einen Schutzraum. Die Fiktion ist da nur noch ein hauchzartes Gerüst für die dokumentarische Wahrhaftigkeit von Laiendarstellern, die ihr eigenes Schicksal in den Film tragen. "Capernaum" heißt Chaos. Der Film geht für den Libanon ins Rennen um den Fremdsprachen-Oscar - mit guten Chancen.

Close

2 / 16
(Foto: Netflix)

Da entgleitet selbst der kriegserprobten Personenschützerin Sam (Noomi Rapace) das Pokerface: Sie soll die feierwütige Unternehmerstochter Zoe auf eine Marokkoreise begleiten. Was für eine Strafe! Kaum sind die beiden im Land, versuchen sinistre Männer aber schon, das Mädchen zu entführen. Sie haben die Rechnung aber ohne Sam gemacht, die in Vicky Jewsons launigem B-Movie reichlich Gelegenheit bekommt, solch üble Typen zu vermöbeln (ab 18. Januar auf Netflix).

Fahrenheit 11/9

3 / 16
(Foto: dpa)

Wer Michael Moore kennt, kennt auch Flint, Michigan. In seinem neuem Film weist er nach, wie der Wasserskandal in Flint, gegen den Obama nichts unternahm, zu einem der Gründe für Donald Trumps Wahlsieg wurde. Einem europäischen Publikum sind die Skandale um Korruption und Wählerunterdrückung nicht so geläufig - aber Moores Analyse, wie sein Land in eine gefährliche Schieflage geriet, kann durchaus erhellend sein. Und manchmal sind seine Auftritte auch komisch. Nur sein Hang zur Theatralik ist wahrlich nicht jedermanns Sache.

Die Geheimnisse des schönen Leo

4 / 16
(Foto: Copyright 2018 Real Fiction)

Ein Politthriller, der in ziemlich trüben Milieus spielt, in den Nachtclubs von Köln, bei der Stasi in Ostberlin, in den Machtzentralen von Bonn. Im Mittelpunkt steht das gescheiterte Misstrauensvotum gegen den Kanzler Willy Brandt im April 1972. Der CSU-Abgeordnete Leo Wagner war womöglich einer der Verräter, die gegen die eigene Fraktion stimmten. Er war charmant, elegant, souverän und hoch verschuldet, erfährt der Filmemacher Benedikt Schwarzer bei seiner Recherche. Schwarzer ist Leos Enkel, und der zweite Teil seiner spannenden Doku gerät zum wilden Psychothriller um Leos unglückliche Frau.

Genesis 2.0

5 / 16
(Foto: Rise and Shine Cinema)

Auf einer kargen, kalten Insel in Nordsibirien graben Männer nach den Elfenbein-Stoßzähnen von Mammuts und finden dabei ein außergewöhnlich gut konserviertes Exemplar. Tausende Kilometer entfernt wollen Forscher es mit Gentechnik zu neuem Leben erwecken. Die Filmemacher Christian Frei und Maxim Arbugaev erzählen diese Geschichten mit dem Pathos der Langsamkeit. Ihre vielfältigen ethischen, technischen und kulturellen Aspekte führen sie aber nicht zusammen.

Glass

6 / 16
(Foto: AP)

Vor 19 Jahren drehte M. Night Shyamalan den Thriller "Unbreakable" über zwei Männer mit übernatürlichen Kräften. Vor drei Jahren drehte er den Thriller "Split" über einen schizophrenen Tennie-Mädchen-Entführer mit 24 Persönlichkeiten. Beide Filme rührt er in "Glass" zu einer esoterischen Psychomännerfortsetzungssuppe zusammen. Und man fragt sich mal wieder, warum er einst als Wunderkind des US-Kinos gefeiert wurde.

Hotel Auschwitz

7 / 16
(Foto: Copyright déjà-vu film / Birgit Möller und Florian Lampersberger)

Ein sehr deutscher Film, und damit ist nicht gemeint, dass es um Auschwitz geht. Eine Gruppe von Schauspielern fährt ins ehemalige KZ, fickt und heult und diskutiert dort - Theater als Therapiesitzung. Und der Film schaut zu. Die Szenen wirken gewollt improvisiert, aber das eigentliche Problem ist, dass Cornelius Schwalm es nicht schafft, dem Gelaber und Gemache der Theatergruppe wirklich einen Mehrwert abzugewinnen. Stattdessen reproduziert er das krampfige Rumeiern um Auschwitz als Mise en abyme.

Immenhof - Das Abenteuer eines Sommers

8 / 16
(Foto: Copyright 2018 Concorde Filmverleih GmbH)

Vom Kino der Fünfziger übers Fernsehen der Neunziger zurück ins Kino. Aber warum macht Sharon von Wietersheim das so zahm, uninspiriert und vorhersehbar? Sommerferien, Reiterhof, Zicken und Nichtzicken, erste Liebe und das Glück auf dem Rücken der Pferde, ein fieser Geschäftemacher im Nachbargestüt, der das Idyll bedroht. Liebe Mädchen, schaut euch lieber zehnmal den "Pferdeflüsterer" von und mit Robert Redford und der ganz jungen Scarlett Johansson an!

Manhattan Queen

9 / 16
(Foto: dpa)

Maya aka Jennifer Lopez schafft es dank eines gefälschten Lebenslaufs vom Supermarkt in Queens in eine Führungsposition in Manhattan. Peter Segal schießt alles Komödienpotenzial in den Wind zugunsten einer peinlichen Feier neoliberaler Verkaufsargumente (Maya muss eine innovative Handcreme entwickeln) und erinnert die Aufsteigerfrau aus der Unterschicht freundlich daran, doch bitte bei ihren Leisten zu bleiben.

Maria Stuart, Königin von Schottland

10 / 16
(Foto: dpa)

Saoirse Ronan und Margot Robbie spielen in diesem aufwendigen Historienfilm - und also naturgemäß Oscar-Aspiranten - die berühmtesten Königinnen der europäischen Geschichte als Konkurrentinnen wider Willen. Sie schreiben einander zärtliche Briefe und werden nur von den machthungrigen Männern ihrer Gefolgschaft zu Intrigen angestachelt. Die halbfeministische Geschichtsinterpretation von Regisseurin Josie Rourke mag nicht ganz überzeugend sein, aber interessant und neu ist sie allemal. Nur am Versuch, Robbie mit Pockennarben-Makeup zu entstellen, muss der Film selbstverständlich scheitern.

Raus

11 / 16
(Foto: Copyright Ralf Noack, ostlicht filmproduktion 2018)

Einen Neustart wie beim Computer wünscht sich der jugendliche Glocke: Weil in der Welt die Falschen am Drücker sind und weil sich Glocke gleich beim ersten Versuch als politischer Aktivist furchtbar blamiert hat. Mit vier anderen Jugendlichen folgt er dem Ruf eines Fremden in die Berge. Zurück zur Natur! Philipp Hirschs Spielfilmdebüt beginnt als Spaßtrip, mit ironischen Seitenhieben auf die Generation Smartphone. Deren Sinnsuche aber nimmt er ernst, weshalb die Aussteiger vor diversen Prüfungen stehen.

Der Spitzenkandidat

12 / 16
(Foto: dpa)

Der Senator Gary Hart war einst der schönste Mann in der amerikanischen Politik, da liegt es nahe, dass er jetzt von Hugh Jackman gespielt wird. Dieser Film nach wahren Ereignissen suggeriert, Hart wäre 1988 ein großer demokratischer Präsident geworden, wenn böse Reporter im Vorwahlkampf nicht eine heimliche Affäre ans Licht gezerrt hätten. Jason Reitman inszeniert das als einen bitteren Wendepunkt, an dem das Gossip-Zeitalter der USA endgültig begann. Davor lag aber, wie man hier noch einmal sieht, das Zeitalter der totalen Scheinheiligkeit.

Unzertrennlich

13 / 16
(Foto: Copyright mindjazz pictures)

"Ich mag es nicht, so im Mittelpunkt zu stehen", sagt der kleine Ayman. Im Zimmer der 18-jährigen Svea bleibt die Kamera für einen Moment an einem Regal hängen. Mehr als hundert Deosprays hat die junge Frau dort aufgereiht. Frauke Lodders Dokumentarfilm lässt diejenigen zu Wort kommen, die in Familien mit schwerkranken und behinderten Kindern oft um die Aufmerksamkeit der Eltern kämpfen müssen: die gesunden Geschwister. In leisen, berührenden Nahaufnahmen werden sie hier einmal zu den Hauptpersonen.

Verlorene

14 / 16
(Foto: Copyright VIAFILM / Berhard Keller)

Zwischen Orgelpfeifen, Zimmermannstracht und schwäbischem Dialekt spielt sich ein so düsteres wie packendes Familiendrama ab: In der süddeutschen Provinz lebt ein Vater allein mit seinen beiden Töchtern. Als ein Handwerker auf der Walz sich in die ältere Maria (Maria Dragus) verliebt, drängt ihr streng gehütetes Geheimnis ans Licht. Felix Hassenfratz' archaisch-intensiver Debütfilm erzählt mit eindrucksvollen Schauspielern von Missbrauch und unerfüllbarer Sehnsucht.

Yuli

15 / 16
(Foto: Denise Guerra; Copyright Denise Guerra)

Er tanzt sich selbst, Carlos Acosta, der weltberühmte Tänzer aus Kuba, in dieser Filmbiografie, gedreht von der spanischen Regisseurin Iciar Bollain. Carlos tanzt mit jungen Freunden die Stationen und Passionen seines Lebens, die Zweifel und Verzweiflungen des mühsamen Weges zum Erfolg, von der nationalen Ballettschule in Havanna bis nach London, zum Royal Ballet, wo er als erster Schwarzer den Romeo tanzt. Sein Vater Pedro hat ihn auf den Weg gebracht, unbeirrbar, unerbittlich, er stammt aus einer alten Sklavenfamilie und bezieht daraus seinen Stolz. Wir sind Krieger, erklärt er dem Sohn.

Zero

16 / 16
(Foto: Copyright Yash Raj Films)

Der ewige Bollywood-Schönling Shah Rukh Khan schmachtet und schunkelt auch mit 53 Jahren weiter durch farbenprächtige Szenerien. Regisseur Aanand Rai schrumpft "King Khan" mittels visueller Effekte auf Zwergengröße und schickt ihn als nichtsnutzigen Junggesellen auf eine Schürzenjagd bis zum Mars. Zwei viel zu junge Frauen müssen sich schier endloser Avancen erwehren. Beste Abfuhr im sonst faden Liebesabenteuer: "Dein Gehirn ist sogar noch kleiner als du."

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: