Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

In Henning Gronkowskis "Yung" spielen sich vier Berliner Partygirls brillant selbst. Die Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm "Als ich mal groß war" versumpft dagegen in Nostalgie.

Von den SZ-Kinokritikern

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Angelo

Angelo

Quelle: Grandfilm

Der Österreicher Markus Schleinzer erzählt die Geschichte des Habsburgischen Hofmohren Angelo Soliman. Museale Setz- und Guckkästen bestimmen das Bild, selbst das Blickfeld ist im 4:3-Format eingekastelt wie ein Diorama. Diese radikale Form reflektiert die Kaltschnäuzigkeit des Experiments, das Angelo letztendlich war: ein menschliches Exponat. Mit Beobachtungsgabe demaskiert Schleinzer den Blick auf das Fremde und zeigt mit Brüchen im historischen Setting, wie präsent der vermeintliche Anachronismus eigentlich noch ist.

Sofia Glasl

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Aretha Franklin: Amazing Grace

Kinostart - 'Aretha Franklin: Amazing Grace'

Quelle: dpa

Ein Zeitdokument von ungeheurer Schönheit, das mit 47 Jahren Verspätung in die Kinos kommt. Alan Elliotts Dokumentarfilm zeigt die Liveaufnahmen zu Aretha Franklins gleichnamigem Album von 1972, entstanden unter der Regie von Sydney Pollack. An zwei Abenden singt die Queen of Soul in einer Baptistenkirche die Gospelsongs ihrer Kindheit. Elliott zeigt die Originalbilder, ohne etwas hinzuzufügen: Arethas schweißüberzogenes Gesicht, die versunkenen Blicke der Gemeinde, die Handbewegungen des Chorleiters. Ein berührender Abschiedsgottesdienst für diese übernatürliche Stimme.

Annett Scheffel

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Als ich mal groß war

Als ich mal groß war

Quelle: Pandora Film Medien GmbH

Er und sein Kumpel sind Feuerwehrmänner und reich; sie ist Designerin mit großem Haus und Pool. So stellen sich drei real existierende etwa zehnjährige Kinder ihr zukünftiges Leben vor. Sie berichten vor der Kamera darüber, Lilly Engel und Philipp Fleischmann haben das verfilmt und den dokumentarischen Sequenzen gegenübergestellt. Fünf Jahre später haben sie die Kinder noch mal besucht. Das ist der Punkt, an dem der Film von seiner sehr netten Idee etwas zu philosophisch abhebt und in vorgreifender Nostalgie versumpft. Er kommt, so könnte man sagen, in die Pubertät.

Philipp Bovermann

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Bruderliebe

Bruderliebe

Quelle: Film Kino Text

Markus wird von einem Auto erfasst und mitgeschleift. Er liegt im Koma. Sein Vater bereitet die Beerdigung vor. Markus' Bruder Michael aber gibt ihn nicht auf. Das war 2008. Michaels Camcorder und Julia Horns Kamera begleiten seitdem Markus' Entwicklung. Zehn lange Jahre Pflege in zwei Stunden Dokumentation.

Sandra Lohse

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Campo

Campo

Quelle: Wolf Kino

Soldaten gleiten mit ihren Fallschirmen durch den Sternenhimmel wie Quallen auf dem Meeresgrund. Tiago Hespanha fängt in seiner essayistischen Betrachtung das Nebeneinander von Tier und Mensch auf Europas größtem Militärstützpunkt südlich von Lissabon ein. Die philosophische Collage verknüpft klug und in großartigen Bildern Prometheus-Sage, Vogelrufe und Militärübungen. Ob in der freien Natur oder im Gefecht, auf dem Feld wird über Leben und Tod entschieden.

Anna Steinbauer

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Dicktatorship

Dicktatorship

Quelle: déjà vu Filmverleih

Kaum ein Narrativ hält sich so hartnäckig wie das vom italienischen Macho. Zu Recht? An dieser Frage arbeiten sich die schwulen Filmemacher Gustav Hofer und Luca Ragazzi, die auch privat ein Paar sind, ab. In inszenierten Dialogen, Interviews und Netzschnipseln suchen sie nach Antworten und finden eine frauenfeindliche Gesellschaft, die vor Patriarchalismus nur so trieft. Sieht man über die gewollte Dramaturgie hinweg, ist die Doku charmant, sarkastisch und wahnsinnig traurig.

Nora Voit

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The Good Liar - Das alte Böse

Kinostart - 'The Good Liar - Das alte Böse'

Quelle: dpa

Ein hochbetagter Gauner arbeitet recht effizient auf allen möglichen Ebenen des Betrugs, vom Investitions- bis zum Heiratsschwindel. Bis er in Bill Condons Thriller auf eine Witwe mit Vermögen trifft, die klug genug ist, ihn in zunehmend kompliziertere Lügengespinste zu treiben. Damit allerdings verschiebt sich auch die Story: die vergnügte Studie über Verbrechen im Alter dehnt sich in eine schwere Rache aus.

Doris Kuhn

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Hustlers

Der Film 'Hustlers' kommt in die Kinos

Quelle: epd

Wahre Geschichte über vier Nachtclubtänzerinnen, die ihren Beruf perfektionieren. Ihr Erfolg führt sie in die Unabhängigkeit, auch wenn sie dafür ein paar Gesetze brechen müssen. Die Kunden haben Geld, die Stripperinnen ziehen es ihnen aus der Tasche, Lorene Scafaria setzt mit Tempo, Glanz und Mitgefühl ins Bild, wie sich dabei die Macht verteilt.

Doris Kuhn

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Der Leuchtturm

Der Film 'Der Leuchtturm' kommt in die Kinos

Quelle: epd

Töte niemals eine Möwe, sagt der Leuchtturmwärter, das bringt Unglück - aber sein Gehilfe tut es trotzdem. Robert Eggers ("The Witch") erzählt die Geschichte zweier Männer, die Ende des 19. Jahrhunderts vor der nebligen Küste Neuenglands auf einer kleinen Insel dem Wahnsinn verfallen. Ein Horrorfilm in körnigem SchwarzWeiß, der sich anfühlt wie der Vorort zur Hölle.

David Steinitz

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Mein Ende. Dein Anfang

Mein Ende

Quelle: Telepool

Ihr Kennenlernen sei ein Zufall gewesen, da ist sich Nora sicher. Ihr Freund Aron sagt: "Zufälle sind nur ein Mangel an Informationen." Dann ist er plötzlich tot, erschossen, ob rein zufällig oder vorbestimmt, wird sich noch herausstellen. Mariko Minoguchi hat sich in ihrem Regiedebüt die großen Themen vorgenommen, Liebe, Verlust, Tod. Und die Relativitätstheorie. Die Koinzidenz der Ereignisse lässt sich zwar irgendwann kaum noch erklären, schön ist dieses Erzählexperiment trotzdem.

Josef Grübl

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Mishima

Filmstil Mishima, Wiederaufführung am 28.11.19

Quelle: © Rapid Eye

Paul Schraders Film von 1985 wurde von Lucas & Coppola mitproduziert, die Musik stammt von Philip Glass und auch die Hauptfigur ist eine Legende: der japanische Schriftsteller und nationalistische Aktivist Yukio Mishima (Ken Ogata). In vier "Kapiteln" entfaltet Schrader Stationen eines Werkes und eines Lebens, das sich nach Schönheit, Reinheit und Selbstauslöschung verzehrt. Ein Film wie ein Ritual, formvollendet und obsessiv.

Philipp Stadelmaier

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Die schönste Zeit unseres Lebens

Kinostart - 'Die schönste Zeit unseres Lebens'

Quelle: dpa

Nicolas Bedos hat eine Methode der Zeitreise entdeckt, die funktioniert: Der alternde Ex-Comiczeichner Victor (Daniel Auteuil) wird von seiner Frau (Fanny Ardant) vor die Tür gesetzt und löst den Gutschein ein, den ihm sein Sohn geschenkt hat. Ein kostspieliger Trip: In einem Pariser Studio wird der Ort seiner Wahl aufgebaut, eine Schauspielertruppe wird die Kulisse bevölkern. Victor will aber nicht an einen Königshof oder in den Wilden Westen, er will nach Lyon, ins Jahr 1974, als er seine Frau kennenlernte. Eine originelle Komödie über die Willkür der Liebe und Macht der Fantasie.

Susan Vahabzadeh

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Snorri & der Baby-Schwimmclub

Snorri

Quelle: Mindjazz Pictures

Der Isländer Snorri Magnusson gibt Kurse, in denen er Eltern mit ihren Säuglingen im Becken planschen lässt. Beide Seiten werden von ihm angeleitet, keine Angst zu haben. Elín Hansdóttir, Ana Rún Tryggvadóttir und Hanna Björk Valsdóttir beobachten am und im Pool, wie Väter, Mütter und Verhaltenspsychologen bei ihm lernen, was man Babys alles zutrauen kann und wie man ihnen Spaß bereitet.

Doris Kuhn

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Yung

Filmstills "Yung", Kinostart am 28.11.19; © Wild Bunch (auch online).

Quelle: Wild Bunch

In energiereichen, urteilsfreien Bildern erzählt Henning Gronkowski von vier Berliner Teenagerfreundinnen, die neben Familienalltag und Hausaufgaben ein hedonistisches Zweitleben führen. Die Laiendarstellerinnen spielen sich mehr oder weniger selbst. Sie feiern bis zum Morgengrauen in Clubs, ziehen sich die verschiedensten Drogen rein, probieren sich sexuell aus. Das alles folgt keiner gewöhnlichen Handlung, sondern nur dem Bewusstseinszustand in den endlosen Schleifen aus nächtlichen Trips. Ein Film über das High der Jugend, das niemals enden soll.

Annett Scheffel

© SZ vom 28.11.2019/sloh
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