Kino: Angriff der Klonkrieger:Klar wars

Mit dem "Angriff der Klonkrieger" schreitet George Lucas zum Ursprung der Star- Wars-Serie voran

FRITZ GÖTTLER

Er ist ein großer Schritt für das Lucas-Imperium, dieser fünfte "Star-Wars"-Film in Serie, aber ein eher kleiner für das Publikum, das ihr seit Jahrzehnten treu folgt. Erwartungen sind eigentlich keine enttäuscht worden, wie es vor drei Jahren der Fall war, als "Phantom Menace", die Episode I, in die Kinos kam - es hat besonders große Erwartungen diesmal nicht gegeben. Ein Gefühl beinahe von business as usual.

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(Foto: SZ v. 13.05.2002)

Der große Schritt, das ist natürlich, dass dieser Film in toto nun eine Videoproduktion ist, mit einer neuen von Lucasfilm und Sony entwickelten Ausrüstung, mit großartiger Bildqualität und der Möglichkeit, alle Realaufnahmen in jeder Hinsicht nachzubearbeiten und den Vorstellungen der Filmemacher anzupassen. Die Wirklichkeit hat fürs erste ausgespielt. In Cannes - kann es wirklich Koinzidenz sein, dass der Start des Festivals zeitlich zusammenfällt mit dem der neuen "Star-Wars"-Episode? - wird Lucas den Film am Donnerstag digital projizieren lassen. Und die abschließende Episode will er nur noch in Kinos mit Digitalprojektion bringen.

Eine Entwicklung wird hier markiert, die Walter Murch bereits 1999, beim Start von Episode I, auf den Punkt brachte. Murch ist eine der großen - bislang übersehenen - Figuren des jungen amerikanischen Kinos, der Regisseuren in Sachen Tondesign und Schnitt unglaubliche Dienste geleistet hat - zuletzt hat er mit Coppola von "Apocalypse Now" die Redux-Version hergestellt. Die digitale neue Freiheit hat er kühn mit der Umstellung von der Fresken- zur Leinwandmalerei verglichen. "Das war ungeheuer befreiend, und die Geschichte der Kunst von 1450 bis zur Gegenwart ist ein klares Zeugnis für die kreative Kraft dieser Befreiung - und für einige Gefahren, die sie mit sich bringt und die einen endgültigen Ausdruck fanden im 19. und 20.Jahrhundert, als einzelgängerische und gequälte Genies auftraten wie van Gogh."

Jetzt kann ich endlich alles auf der Leinwand realisieren, was ich mir immer vorgestellt habe - der große Traum des George Lucas und seiner Gehilfen in ihrem gigantischen Labor, auf der Skywalker Ranch in Marin County, ist digital Wirklichkeit geworden. Aber er hat dadurch die Wirklichkeit selbst nachhaltig verändert. Die Welt des Cyberspace und der Videospiele hat mit den alten Traumwelten nichts mehr zu tun, und nichts mit der seligen Schaffensphase der Siebziger, als die Kids sich die ausrangierten Kameras der Filmstudios zusammenkauften und in ihren Garagen zusammenlöteten mit den ersten Apparaturen der Computertechnologie.

Einen großen Schritt signalisiert Lucas im Fortgang des Gesamtmythos. In der galaxiengeschichtlichen Totale erleben wir Fabrikation und Vormarsch der faschistoiden Klonkrieger-Armee, die später, das heißt in der allerersten Episode, das Weltall dominieren wird. Privat bewegt sich der Held, der junge Anakin Skywalker (Hayden Christensen), auf Darth Vader zu, als der er dann in Erscheinung treten wird. Ein erzählerischer Sprung in den Hyperraum - so gewagt, dass er Raum lässt für manche interpretatorische Spekulationen.

Die Globalisierung hat das Erzählen generell vor irrwitzige Probleme gestellt. Wo unfassbare Korporationen und intergalaktische Konglomerate den Lauf der Dinge bestimmen, gibt es keinen großen Handlungsspielraum für Helden mehr. Wenn Anakin und sein Lehrer Obi-Wan (Ewan McGregor) ihre Laserschwerter schwingen oder auf Verfolgungsjagden durch die Städte zischen, wird der Film aufregend anachronistisch.

George Lucas bleibt dem Gesetz der Serials treu, dem Kodex und den Konflikten, die sich daraus ergeben. Ein Jedi darf nicht emotional reagieren. Aber Anakin liebt, Anakin hasst. Er liebt die Prinzessin Padmé Amidala (Nathalie Portman), und er hasst, bis in einen mörderischen Rache- Ausbruch hinein, jene Wesen, die für den Tod seiner Mutter verantwortlich sind. Und er entwickelt eigenartige politische Vorstellungen - die darauf hinauslaufen, dass die Demokratie eigentlich ganz gut ist, aber man sie notfalls zu ihrem Glück zwingen muss.

Der Anakin dieses Films ist ein Zwischengänger; der Psychopath, zu dem er in Zukunft mutieren mag, hat seine Wurzeln in den Siebzigern - "Star Wars" ist eindeutig ein Produkt dieser Zeit, als das New Yorker movie bratpack Hollywood übernahm: Coppola und Spielberg, Scorsese und Schrader, verklemmte Typen, die magenkrank vom Saufen und vom Dope waren, nervlich am Ende, weil sie dauernd den geistig minderbemittelten Produktionschefs der Hollywoodstudios ihre aufregenden Projekte verkaufen mussten. Der heute so smarte und erfolgreiche Geschäftsmann George Lucas war vielleicht der seltsamste, der gefährlichste Typ damals - ein amerikanischer van Gogh gewissermaßen. Er wollte Kinopoesie schaffen, esoterische Meisterwerke, sollte Regie führen bei "Apocalypse Now". Die Gefühle des Publikums anzusprechen, ist kinderleicht, hat er damals postuliert: "Das kann jeder, mit verbundenen Augen. Man muss bloß ein kleines Kätzchen nehmen und ihm dann von irgendjemand den Hals umdrehen lassen."

Das ist ja ein Disney picture geworden, hat Lucas nach Fertigstellung des ersten "Star-Wars"-Films gestöhnt, und neidisch auf die Freunde Steven und Francis geguckt, die mit dem "Weißen Hai" und dem "Paten" so dicht dran waren an der amerikanischen Wirklichkeit. Aber unschuldig war auch Star Wars nie, die Erfahrungen der Vietnamkriegsgeneration stecken darin, und bald wurde bemäkelt, dass die Schlusstotale - wenn Luke, Leia und Han Solo durchs Ehrenspalier der Krieger ziehen - den Parteitagsfilm von Leni Riefenstahl zitiert.

Auch in Episode II wird die Angst spürbar vor den Möglichkeiten der unberechenbaren dark force - die vor allem auch die des Kinos sind, als Massenmediumsmaschine. Das macht "Star Wars" zu einer großen amerikanischen Tragödie, die Erinnerungen fortspinnt an amerikanische Traumata, an Littleton und an Vietnam, und, weiter hinein in die mythische Vergangenheit, an jene, die in Western wie "Red River" und den "Searchers" aufgearbeitet werden.

Natürlich hat "Star Wars" starke Konkurrenz bekommen in den letzten Jahren - was den Event- und Seriencharakter angeht und das Merchandising- Potenzial, ist er allenfalls ein primus inter pares noch neben "Herr der Ringe" oder "Spider-Man", der eben erstmals mehr als hundert Millionen Dollar am Startwochenende einspielte. Die technischdigitale Allmacht koppelt Lucas cool mit erzählerischer Regression - er will ein "stranger himself" bleiben in jener Welt, die er geschaffen hat. Und verkauft uns ungeniert den Comer See als Idylle auf Naboo, dem Planeten der Prinzessin ... So ähnelt er allmählich dem großen Vorbild, dem Regiegott des klassischen Hollywood, Cecil B. DeMille, der mit einer Mischung aus Sturheit und Genie die Filmindustrie beherrschte. Er hatte sein Handwerk in der Stummfilmzeit gelernt und dachte nicht im Traum daran, es den modischen Veränderungen anzupassen in den Vierzigern und Fünfziger. George Lucas ist inzwischen so archetypisch in seiner Arbeit wie DeMille. Und ein wenig schaut er manchmal aus wie Moses - Charlton Heston - in dessen Film "Die zehn Gebote".

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