Otto-Rehhagel-Doku:Otto - der Film

Lesezeit: 3 Min.

Otto Rehhagel (in Schwarz) feiert als Nationaltrainer mit seinen frischgebackenen griechischen Europameistern im Jahr 2004. (Foto: Filmwelt)

Wie gelang Fußballtrainer Otto Rehhagel die Sensation, die Griechen zum Europameister zu machen? Eine Kinodokumentation enthüllt die Kniffe des "Rehakles".

Von Holger Gertz

Der Fußballtrainer Otto Rehhagel hat Werder Bremen zum Herausforderer des FC Bayern gemacht, den Zweitligisten Kaiserslautern zum deutschen Meister, die griechische Nationalmannschaft zum Europameister. Er war ein Dompteur grauer Mäuse; darauf spezialisiert, aus Kleinen Große werden zu lassen. Wie er das geschafft hat, versucht der Dokumentarfilm "King Otto" zu ergründen, in dem der Regisseur Christopher André Marks rekonstruiert, wie Rehhagel 2004 die EM gewann mit seinen Griechen. Eine der größeren Sensationen der Sportgeschichte, vor allem wieder mal ein Spiel mit psychologischen Kniffen, das Rehhagel zeitlebens beherrscht hat. Er hat seine Fußballer größer geredet und war dabei so überzeugend, dass die Spieler tatsächlich größer wurden, jedenfalls solange er sie trainierte.

Bei der EM damals traten die Griechen im Viertelfinale gegen den damals amtierenden Europameister Frankreich an, mit dem damals amtierenden Weltstar Thierry Henry. Sie hatten keine Chance, aber der Film erzählt, was Rehhagel seinem Verteidiger Georgios "Giourkas" Seitaridis flüsterte: "Der Thierry Henry kennt dich gar nicht. Aber morgen nach dem Spiel wird er wissen, wer du bist." So ist es dann gekommen, Griechenland gewann 1:0.

Der Film ist konventionell aufgebaut, kurzer Rückblick auf Rehhagels Leben, langer Rückblick auf das Sensationsturnier, Originalszenen der Spiele, aufgeregte TV-Kommentare, zwischendurch immer wieder aktuelle Interviewsequenzen von Rehhagel, genannt Rehakles, genannt König Otto, genannt King Otto. Auf einem thronartigen Stuhl sitzt er, inzwischen 83, und stellt den Mann dar, den er immer dargestellt hat beziehungsweise der er ist und war. Aufsteiger aus der Arbeiterklasse; aus Essen-Altenessen in die Stadien der Welt, die ja Schauspielhäuser sind. "Im Theater gilt auch: Beifall klatschen und die Klappe halten", sagt Rehhagel, dem mancher nicht abgenommen hat, dass er tatsächlich ein Kenner der schönen Künste sei. "Früher hatte er Mühe, Omelett von Hamlet zu unterscheiden", hat mal der Trainerkollege Max Merkel gesagt.

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Rehhagel baute seine Wagenburg, zog die Brücke hoch

Aber Rehhagel war immer einer, der auf Umwegen ans Ziel kam. Als sie ihn bei den Bayern nicht mehr wollten, wurde er halt mit Kaiserslautern Meister. Als er nicht zum Bundestrainer ernannt wurde, triumphierte er mit Griechenland. Rehhagel verarbeitete alle Angriffe von außen, er schloss sich zusammen mit seinem Trainerteam und seinen Spielern zu einer Einheit gegen die da draußen, baute seine Wagenburg, zog die Brücke hoch. "Der griechische Fußball ist so attraktiv wie ein Rekordversuch im Pfahlsitzen", schrieb die Zeit, aber alle Experten, die bei der EM sein Spiel als vorvorgestrig beschrieben, lieferten Rehhagel nur den Treibstoff, den er brauchte für seine Kunst der Motivation. So hat er es immer gemacht, schon in der Bundesliga, gern waren die Journalisten die Feinde - das sahen seine Spieler gern genauso. Im Film sind ein paar Sequenzen vom Training mit den Griechen, "follow me, hopp, hopp, hopp", ruft Rehhagel, und die Spieler hoppeln ihm tatsächlich hinterher.

Der König und sein loyaler Adjutant: Nationaltrainer Otto Rehhagel (rechts) und sein Co-Trainer Ioannis Topalidis nach dem Sieg. (Foto: Filmwelt)

Direkt neu ist das nicht, jedenfalls nicht für einen, der Rehhagel damals noch live bei Werder erlebt hat. Im Prinzip war Rehhagel immer ein freundlicher Alleinherrscher, der sprach, als läse er aus alten Büchern, "die Glücksgöttin Fortuna hat uns erhört". Der allerdings einen absolut verlässlichen Blick fürs Personal hatte. Er erkannte die passenden Spieler, und er hatte immer die geeigneten und loyalen Adjutanten bei sich, in Bremen den Manager Willi Lemke, bei den Griechen den Assistenten Ioannis Topalidis, ein Grieche, der in Deutschland unter anderem für Starkenburgia Heppenheim gespielt hatte. Unterklassig, aber Topalidis ist ein deutsch-griechischer Menschenflüsterer, zweisprachig - das war wichtig, weil Rehhagel mit dem Griechischen nie warm geworden ist. Topalidis ist der Nebenheld in diesem Film, das Verbindungselement zwischen Trainer und Team, zwischen König Otto und den Griechen. Er übersetzte, was der König sagte, und er übersetzte es so, dass es bei seinem Volk auch ankam. "Wenn es zu harte Kritik war, habe ich sie ein bisschen mit einem Zuckerguss überzogen."

Regisseur Marks holt alle nochmal vor die Kamera, Rehhagel und Topalidis und Seitaridis und die anderen Wundertäter, auch Traianos Dellas, den Rehhagel tatsächlich Libero spielen ließ, als wäre wieder 1974. Aber das war eine von Rehhagels Stärken: die Zeiten und Epochen zusammenzubringen, Gegenwart mit Vergangenheit und Vorvergangenheit, nicht nur, was das Fußballerische angeht. Dellas erinnert sich: "Rehhagel sagte mir, ich müsse aus der Verteidigung heraus alles überblicken - wie der Koloss von Rhodos."

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Eine solide, vor allem verdiente Hommage an Otto, den Allerersten. Und eine Erinnerung daran, dass Fußball mal ein einfaches Spiel war.

King Otto , GR, US, UK 2021 - Regie: Christopher André Marks. Kamera: Lefteris Agapoulakis, Yannis Kanakis, Stelios Pissas Filmwelt. Filmwelt Verleih, 82 Minuten.

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