Kinematheken:Ein Mann für die Zuschauer

Eine Reihe im Münchner Filmmuseum würdigt dessen ehemaligen Leiter Enno Patalas, der als Autor und Kurator stets für eine ästhetische Definition des politischen Kinos gekämpft hat.

Von Fritz Göttler

Aktive Filmkritik, am Rande der Kriminalität: Im April 1970 veröffentlichte Wim Wenders in der Zeitschrift Filmkritik Fotos vom wirklichen Schluss von Hitchcocks Film "Topaz", die er nachts heimlich an einem Schneidetisch aus einer ausländischen Kopie herausfotografiert hatte. Der entlarvte französische Sowjetspion erschießt sich hier nicht, sondern wird nach Russland abgeschoben. Und lacht seinem amerikanischen Kollegen auf der Gangway des Flugzeugs fröhlich entgegen. "Beide finden die Geschichte zum Lachen." An diesem Donnerstag läuft "Topaz" - mit seinen verschiedenen Enden - im Münchner Filmmuseum, in der Reihe "In memoriam Enno Patalas".

1973 hatte Patalas die Leitung des Filmmuseums übernommen, erst zwanzig Jahre später ging er in Pension. Viele Jahre war er davor Chef der Filmkritik gewesen, schrieb mit seiner Frau Frieda Grafe Artikel und Bücher, zum neuen deutschen und europäischen Kino und zur internationalen Filmgeschichte, die man damals wieder in den Blick bekam. Patalas wollte immer mehr sein als eine intellektuelle Instanz, eine Stimme über den Dingen, er wollte sich unter die Zuschauer setzen, für sie arbeiten, seine Träume, Sehnsüchte, Begeisterungen mit ihnen teilen. Im Reich der Cinephilie gibt es keine Throne.

All das ist in der Reihe des Filmmuseums reflektiert, sie zeigt die Filme und Regisseure, für die Patalas kämpfte, zeigt, wie er in Filmen befreundeter Regisseure auftrat - unvergessen: der Pastor und das kluge Äpfelchen in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film "Jeder für sich und Gott gegen alle" -, außerdem gibt es die Fernsehfilme, die er schuf, über "Metropolis" oder das Kino der Stalinzeit - in denen es immer darum geht, wie das Sprechen übers Kino aus den Bildern der Filme kommen muss. Eine solide Politik der Autoren, für die er schon Anfang der Siebziger kämpfte: "Topaz" war für ihn wirklich politisches Kino, nicht der von den Linken umjubelte "Z" von Costa-Gavras.

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