Kindertheater:Groß entrümpeln für die Kleinen

Michael Tasche, der neue Intendant des Münchner Theaters für Kinder, Dachauer Straße 46

Michael Tasche (rechts) mit dem Ensemble des "Kleinen Lord", der zweiten Inszenierung des neuen Chefs.

(Foto: Florian Peljak)

Als neuer Intendant will Michael Tasche frischen Schwung ins arg verstaubte Münchner "Theater für Kinder" in der Dachauer Straße bringen

Von Barbara Hordych

"Du bist vielleicht nicht der beste Regisseur, dafür aber der, mit dem alle am liebsten zusammenarbeiten", hatte ihm ein Produzent einst attestiert, erzählt Michael Tasche und lacht. Erlebt man den neuen Intendanten des Münchner Theaters für Kinder in dem Haus, in dem er vor 35 Jahren als junger Mann einmal selbst als "Techniker mit Spielverpflichtung" begann, dann versteht man, was der Produzent wohl meinte: Tasche, 62, der sich selbst leicht ironisch noch einen "Rest-Charme" attestiert, begrüßt lebhaft die zumeist weiblichen Begleitpersonen, die an diesem Dezembervormittag zu der Kindergarten- und Grundschulvorstellung in dem Traditionshaus an der Dachauer Straße eintreffen. Sobald sich der Vorhang im Saal gehoben hat, ist seine Mission hier erst einmal beendet, dann hat er Zeit für ein Gespräch im Bistro nebenan.

Womit beginnen, wenn es um die neue Ära im Theater geht? Vielleicht mit der Ansage, die jahrzehntelang den Zuschauern in den Ohren klang. Darin wurden sie darüber aufgeklärt, wie sie sich in einem Theater zu verhalten hätten: nicht essen, nicht trinken, auf den Stühlen sitzen bleiben. Als die Schauspieler jetzt ihren neuen Chef baten, die Ansage vom Band neu aufzunehmen, weniger formell und betulich bitte, willigte Tasche sofort ein. Und setzte noch eins drauf. "Wenn ich da bin, übernehme ich die Ansage gleich selbst", versprach er. Seitdem springt Tasche regelmäßig vor den Vorstellungen auf die Bühne und erklärt im lockeren Plauderton, dass man im Zuschauerraum nicht essen solle - das dürften die Besucher des Schlosses gleich hinter ihm im "Froschkönig" ja auch nicht. Dafür dürften die Kinder jetzt aber auch mal die Erwachsenen belehren: Die sollten nämlich ihre Handys ausschalten oder gleich ganz in der Tasche lassen. "Gestern riefen die Kinder nach meiner Ansage laut: Handys aus, Handys aus", erzählt Tasche und lacht zufrieden wie über einen gelungenen Streich. Die Faszination Theater, die greife glücklicherweise noch heute, sagt Tasche, daran hätten Fernsehen und Smartphones nichts geändert.

Geändert hätten sich allerdings die Unterbringungszeiten von Kindern in Mittagsbetreuungen und Horten. "Weshalb es für uns schwierig geworden ist mit den Nachmittagsvorstellungen, zumal in einer Großstadt wie München auch die Großeltern häufig ganz woanders wohnen und ihre Enkel nicht begleiten können", sagt Tasche. Dafür laufe das Theater an den Vormittagen und an den Wochenenden hervorragend, sei oft ausgebucht. "Es hat eben einen Ruf wie ein Donnerhall, das merke ich immer wieder", sagt Tasche. Vorstellbar wäre vielleicht, auch nachmittags Vorstellungen für Horte anzubieten, aber das müsse erst ausgehandelt werden, weil diese Plätze bezuschusst würden.

Bis Ende Dezember sollte und wollte Michael Tasche erst einmal als Intendant der ehemals privaten Bühne einspringen, die 2014 wegen existenzbedrohender finanzieller Schwierigkeiten mit Hilfe des Unternehmensberaters Martin Krafft und des Insolvenzanwalts Alexander Grüter in die Rechtsform einer GmbH umgewandelt worden war. Seitdem war der frühere Direktor Heinz Redmann in seinem ehemaligen Haus als künstlerischer Leiter angestellt - bis er es in diesem Sommer verließ. "Weil er seine Ämter niedergelegt hat", wie Geschäftsführer Grüter im Sommer erklärte, weil er "systematisch herausgedrängt wurde", wie Redmann selbst es nannte. Wie auch immer, für Tasche steht fest: Er möchte gerne bleiben.

Der Spielbetrieb konnte trotz dieser Querelen aufrecht erhalten werden. Anfang September öffnete das Haus, wie immer in den vergangenen 51 Jahren nach der Sommerpause, seine Türen. Was hat sich seitdem geändert? "Zuerst einmal haben wir unglaublich viel an den Bühnenbildern renoviert", sagt Tasche. Dabei packt er durchaus selbst mit an, darin hat er Erfahrung. Sein Medizinstudium hatte er als junger Mann zugunsten der Theaterleidenschaft aufgegeben, da war er 27. 1983 kam er von Bottrop nach München, primär der Liebe wegen, gleichzeitig suchte er aber auch Arbeit in einem Theater. Er fand sie im Münchner Theater für Kinder, dessen Chef Heinz Redmann guten Kontakt zu dem damaligen Chef der Bühnentechnik in der Oper hatte. Wenn also Mäuse für den "Gestiefelten Kater" gebaut werden sollten, schickte Redmann den jungen Techniker Tasche rüber zur Oper, damit er sich dort mal anschaue, wie das mit den Tieren so funktioniere. "Die haben ja beispielsweise für den ,Freischütz' eine ganze Langstrecke mit Tieren gebaut", erinnert sich Tasche. "Ich bin ein Augenoptiker, ich habe immer wahnsinnig gerne zugeschaut und mir dabei viel abgeguckt", sagt er. So hat er denn auch den charmanten Frosch, Titelheld seiner ersten Inszenierung am Haus und Publikumsliebling der jüngsten Theaterzuschauer, selbst konstruiert.

Der weiteren Karriere als Regisseur, Moderator und Gag-Schreiber (unter anderem für Harald Schmidt) wegen verließ er seinerzeit nach sieben Jahren das Haus. Seit seiner Rückkehr als Intendant verstehe er Redmanns Credo besser: "Gute Schauspieler gibt es viele", sagte der einmal, "aber gute Techniker sind selten". Wenn man Tasche konkret nach seinem langjährigen Weggefährten befragt, fällt die Antwort ziemlich kurz aus: "Kein Kontakt mehr", sagt er und springt lieber zu einem anderen, erfreulicheren Thema über.

Viel lieber erzählt er etwa von dem jungen Techniker Daniel Alberts, der in einer Laiengruppe spielt und ihm eines Tages signalisierte, dass er gerne einmal einen kleinen Part auf der Bühne übernehmen wolle. "Na klar, du bist mein Tom", habe er spontan ausgerufen. Nun steht der Techniker in seiner ersten, wenn auch bis auf den Satz "Frohe Weihnachten" stummen Rolle auf der Bühne: er gibt den schüchternen Tom, der von seiner habgierigen Mutter instrumentalisiert wird, um dem "Kleinen Lord" sein Erbe streitig zu machen.

Ach ja, auch der Spielplan sei "renovierungsbedürftig" und müsse "entrümpelt" werden, sagt Tasche. Nachdem er jetzt mit dem "Froschkönig" für die jüngsten und dem "Kleinen Lord" für die älteren Kinder zwei komplett neu geschriebene Stücke herausgebracht habe, nehme er sich nun die "Zauberflöte" vor. "Viel zu steif" sei die existierende Fassung, und die Musik "zu antiquiert". Im Februar will er eine Neuinszenierung herausbringen, für die er wieder mit Bastian Pusch zusammenarbeitet, der auch schon die Musiken für die beiden anderen Stücke geschrieben hat. Überhaupt sind Musicals Tasches Steckenpferd, davon zeugen auch die schrägen Shows, die er in den vergangenen Jahren getextet und produziert hat - den kultigen Romeo-und-Julia-Verschnitt "Italia con Amore" oder das Flower-Power-Potpourri "Robin Hut", das im November Premiere in der "Drehleier" hatte.

Da die Mitglieder des "Lord"-Teams gut singen könnten, wie Michael Tasche erfreut festgestellt hat, sehe er der neuen "Zauberflöte" optimistisch entgegen. Ein komplett neues Stück plane er übrigens auch noch, "Eddi, das Erdmännchen" soll es heißen und von einem kleinen Erdmännchen handeln, "das eigentlich stramm Wache stehen soll, dabei aber viel lieber dem Rhythmus lauscht, den es überall hört. Und, wie sollte es anders sein, "viel lieber tanzt als immer nur brav aufzupassen".

Gute Zukunftsaussichten also für das neue Jahr im alten Haus, für das jetzt erst einmal wieder die Fördergelder von der Stadt München (150 000 Euro) und vom Freistaat Bayern (250 000) beantragt werden müssen. Zudem hofft Tasche auf eine bessere Lichtanlage und einen neuen Boden im Zuschauerraum; die Gelder dafür müsste der Förderverein der GmbH bewilligen. Wer Tasche erlebt, kann sich vorstellen, dass die Wünsche in Erfüllung gehen. Seine Energie und sein Optimismus sind einfach ansteckend.

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