Süddeutsche Zeitung

Kindertheater:Alles nur geklaut

Am Residenztheater ist "Robin Hood" als Weihnachtsstück für Kinder zu sehen. Regisseur Robert Gerloff macht daraus ein witziges postdramatisches Spiel, das auch Erwachsene anlockt - die sich zur Not den Nachwuchs ausleihen

Von Egbert Tholl

Als vor 25 Jahren der "Robin Hood"-Film mit Kevin Costner in die Kinos kam, waren viele begeistert von Alan Rickman, der den bösen Sheriff von Nottingham spielte und deutlich machte, dass die Schurken im Kino oft interessanter sind als die guten und lieben Helden. Damals konnte man nicht ahnen, dass dereinst ein Schauspieler auf einer Theaterbühne stehen wird, der Rickman nicht nur ein wenig ähnlich sieht - Lob der Maskenbildabteilung! -, sondern diesen an Lust, dem Bösewicht ein funkelndes und sehr munteres Leben einzuhauchen, noch übertreffen wird. Der Schauspieler ist Gunther Eckes, er spielt den Sheriff am Residenztheater und ist dabei umgeben von vielen zauberhaften Kollegen.

Die Wochen vor Weihnachten sind nicht die schlechtesten fürs Theater, weil in diesen die Kinder erfreut werden müssen und das Weihnachtsmärchen herauskommt. Märchen ist hierbei ein weiter Begriff, Weihnachten auch, denn das Residenztheater wird "Robin Hood" noch bis weit ins nächste Jahr hinein spielen. Die großen Kindertheaterproduktionen des Hauses sind längst Kult, so sehr, dass die Erwachsenen sich auf die Suche nach Kindern machen, um eine Ausrede zu haben, sich Geschichten anzuschauen, die sie liebten, als sie selbst klein waren. Im Theater trifft man dann auf Menschen, von denen man bislang nicht wusste, dass sie Nachwuchs haben. Haben sie auch nicht alle, denn der ist geborgt.

Das Praktische an einem Stoff wie "Robin Hood" ist ja, dass ihn jeder kennt, so ungefähr jedenfalls, und die Geschichte schnell erzählt ist. Es gibt keine definierte Urquelle, sondern tausend Varianten, die man meistens aus dem Fernsehen kennt, spätestens seit Errol Flynn Robin Hood spielte, das war 1938 und Erich Korngold bekam für die Filmmusik einen Oscar. Na gut, damals gab es noch kein Fernsehen. Dafür kann man nun im Residenztheater versuchen, alle Filme, aus denen Regisseur Robert Gerloff winzige Splitter, Momente, Bilder, Themen, Ideen zitiert, zu erkennen. Das ist quasi ein postdramatisches Spiel, aber lustig. Und rasant. Das geht weit über die Verfilmungen des Stoffes hinaus, da geht ein Wald spazieren wie in "Herr der Ringe", gibt es Batman (dessen Gehilfe ja schließlich Robin heißt) und eigentlich alles zwischen Stummfilm und Tarantino, das irgendwie zur Geschichte passt.

Gleiches gilt für die Musik, die eine lustige Vier-Personen-Kapelle auf Orgel und Trommel, Geige, Bassklarinette und Tuba spielt, eine Riesenflunkerei mit sehr viel Witz. Guckt Robin verliebt, erklingt "Schwanensee" und eine Hommage an Leonard Cohen gibt es auch, Halleluja. Aber so irrlichternd die ganzen Einfälle sind, im Wesentlichen geht es Gerloff und seiner Truppe darum, einfach wunderbar die Geschichte zu erzählen, wie sie die Dramaturgin Angela Obst aufschrieb.

Und so sind alle Figuren dabei, die es braucht, es fehlt allein Richard Löwenherz, aber der käme ja eh erst ganz am Schluss. Wobei: So überbordend, wie Manfred Zapatka den gierigen König John spielt, könnte er am Ende auch noch den Löwenherz geben, so quasi Sean-Connery-Cameoauftritt. Des bösen Königs Schergen, also der Sheriff von Gunther Eckes und Thomas Gräßle als Guy de Gisbourne sind zwei herrliche lackierte Knallköpfe. Der eine, Eckes, ist ein bisschen im Clinch mit Alteza, dem lieben, großen und sturen Bühnenpferd, der andere, Gräßle, ist sehr entzückend, wie er versucht, die Kinder zu erschrecken, "Kerker, Folter Tod!". Das währt ohnehin nicht sehr lange, denn: Maid Marian und ihre Amme brauen wie zwei Druiden ein Tränklein, das das Gute im Menschen zum Vorschein bringen soll, da der Sheriff die Maid freit und die wissen will, ob der wirklich durch und durch böse ist. Aufgrund einer Spinatallergie gerät der Trank jedoch in des Gisbourne Kehle, worauf Thomas Gräßle ganz und gar "juppie du" zumute wird und er munter singend ins Parkett entfleucht.

Arthur Klemt spielt die Amme, kugelrund und unerschütterlich fröhlich, jede Sekunde ein anderer Einfall, so etwas hätte man gern daheim. Rührend kümmert sich die Dicke um die Zarte, die großäugige Maid von Mathilde Bundschuh, die über gehörig viel Eigensinn verfügt. Max Koch darf in beiden Lagern wirken, er ist einerseits der herzensgute Hüne Little John, andererseits der Bischof, der von den Steuereinnahmen, für die das Volk ausgewrungen wird, seinen Teil abhaben will.

Natürlich kann Robin Hood fabelhaft Bogen schießen, aber Maid Marian kann es besser, was nicht schlimm ist, denn Thomas Lettows Aufgabe besteht als Robin vor allem darin, umfassend charmant zu sein. Ihm zu Hilfe sind der ewig junge, feine Alfred Kleinheinz (Bruder Tuck) und die schöne Pauline Fusban, die gerne mit den Jungs rauft. Eine prächtige, freskengeschmückte Burg wächst aus dem Boden, es gibt Flitter und Glitter und alles ist bestens unpädagogisch wertvoll.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2016
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