Süddeutsche Zeitung

Sachbuch:Internationale Party time

Wie auf der ganzen Welt gefeiert wird

Von Stefan Fischer

Luftig und leicht beginnt dieses Buch mit dem Internationalen Drachenfest in der indischen Provinz Gujarat. Indien ist für uns Europäer ferner denn je, an eine Reise auf den Subkontinent ist derzeit nicht ernsthaft zu denken. Und das Luftige und Leichte hat die Pandemie auch hierzulande unsanft auf den Boden der Tatsachen gedrückt. Umso schöner ist es, in diesem Buch Flugdrachen flattern zu sehen, in Form von Fischen, Vögeln und Schmetterlingen, mit Tier- und Fantasiegesichtern oder Gestirnen auf der dünnen Haut.

"Wir feiern!" macht gute Laune, weil man von einem Fest zum nächsten taumelt.

Christopher Corr hat dieses Buch mit dem demonstrativen Titel "Wir feiern!" kreativ illustriert. Nach den Drachen sieht man Menschen wirbeln, nicht über den Himmel, sondern durch die Straßen von Rio de Janeiro während des Karnevals. Wobei man von den Straßen gar nichts sieht und auch nichts von der Architektur. Das ganze Bild ist eine wogende Menschenmasse - ein Gewirr aus grellen Kostümen, geschminkten Gesichtern, hochtoupierten Haar, Federbüschen, langen Ketten ...

"Wir feiern!" macht gute Laune, weil man beim Blättern und Schmökern und Schauen von einem Fest zum nächsten taumelt. Von den Schattenseiten all der Feierlichkeiten bekommt man dabei so gut wie nichts mit, die Autorin Claire Grace thematisiert nicht die Alkoholexzesse, die beispielsweise mit dem Kölner Karneval einhergehen. Und dass bei La Tomatina in der spanischen Stadt Buñol sowie bei der Orangenschlacht im italienischen Ort Ivrea Tonnen von Lebensmitteln vergeudet werden, ist ihr ebenfalls keine Erwähnung wert.

Andererseits haben die Autorin und der Illustrator etliche Feste in ihr buntes Buch aufgenommen, bei denen es nicht um die pure Lust am Feiern geht, sondern die auch eine politische Dimension haben. Zum Beispiel der Weltfrauen- und der Weltkindertag, diverse Grüne Festivals wie der Baumfesttag in den Niederlanden sowie Pride Paraden, voran den Christopher Street Day.

Dieses Sammelsurium macht das Buch sympathisch. Es gibt keine Hierarchie der Feste. Das Fastenbrechen am Ende des Ramadans, das tief verwurzelt ist im Islam und eine immense Bedeutung hat für die Gläubigen, steht neben dem Valentinstag, einer kommerziellen Kreation. Einige der Feiern sind weltumspannend mit zum Teil regional unterschiedlichen Ausprägungen, andere sind kleine, lokale Angelegenheiten. Manches hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz wie zum Beispiel Thanksgiving, vor allem in den USA. Wiederum andere Anlässe, eine Feier steigen zu lassen, sind eher kurios, etwa das Pearly Kings and Queens Harvest-Festival in London, auch das wie Thanksgiving ein Erntedankfest.

Mitunter bleibt das Buch etwas zu sehr an der Oberfläche. Aber, hey: It's partytime!

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