Kindergeschichte:Aliens im Kaufrausch

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Burkhard Spinnen: Fipp, Vanessa und die Koofmichs. Schöffling Verlag, Frankfurt 2020. 295 Seiten, 18 Euro. (Foto: N/A)

Burkhard Spinnen macht sich in seinem Kinderroman lustig über hemmungslosen Konsum. Dazu lässt er ein Ufo mit drei Aliens vor dem Reichstag in Berlin landen. Sie kaufen die ganze Welt auf.

Von Roswitha Budeus-Budde

Ein Ufo landet direkt vor dem Reichstag, eine unglaubliche Szene, die sich an einem sonnigen Maitag mitten in Berlin abspielt. Nicht nur die ganze Stadt, sondern bald die ganze Welt ist in Aufruhr vor Angst. Mit diesem spektakulären literarischen Knalleffekt beginnt Burkhard Spinnen sein neues Kinderbuch "Fipp, Vanessa und die Koofmich". Der Autor liebt diese Anfänge, die seine Leser faszinieren sollen, wie schon in seinem letzten Kinderbuch "Müller hoch drei", in dem die Eltern ihrem vierzehnjährigen Sohn erklären, dass sie sich von ihm trennen und er nun allein im Familienhaus leben wird.

Beginnt nun in Berlin ein Krieg der Sterne? "Wer sind die? Was wollen die? Müssen wir jetzt ganz schnell abhauen und wohin?", fragt sich besonders die Regierung. Mit ihrem jungen Kanzler - es gab vor langer Zeit eine Kanzlerin, sie ist jetzt als Denkmal im Tiergarten mit ihrer typischen Fingerraute zu sehen - versammelt sich der Krisenstab "Triple X" im geheimen Regierungsbunker. Zu ihnen stoßen als Experten der Chef der Bundeswehr, die Chefin der Bundesbank und ein ziemlich kritisch betrachteter Ufologe. Doch nichts bleibt hier geheim, sie werden gesehen und abgehört vom Autor, der sie ständig im Blick hat, um seine Leser zu informieren. Er bringt sich wie eine literarische Drohne als Beobachter und Kommentator in seine Geschichte ein. Als Augenzeugen und Beteiligte hat er die Kinder Vanessa, Tochter des Hausmeisters im Bundeskanzleramt, und Fipp, ihren Freund und Computernerd, an seiner Seite.

Die Angst und Aufregung auf der ganzen Welt steigt, als sich die Ufo-Tür öffnet. Inzwischen sitzen alle Menschen gebannt vor ihren Fernsehern, denn die Regierung hat die Nachrichtenkanäle stillgelegt und die alleinige Kontrolle über die Bilder übernommen. Doch der Autor ist immer auf der Seite der Jungen, was die Erwachsenen in seinen Kinderbüchern oft schlecht aussehen lässt. Fipp, als Computergenie, knackt das Monopol und unterhält nun die ganze Welt mit neuesten Nachrichten, auch über die Ausflüge der Außerirdischen, die endlich ihr Ufo verlassen. Und weil Burkhard Spinnen mit sichtlichem Vergnügen und immer neuem Sprachwitz auf das Spiel mit der Satire setzt, sehen die Außerirdischen - welche Überraschung - aus wie Menschen und werden von ihm Charlotte, Julian und Christopher genannt. Um aber das Geheimnis ihrer Existenz nicht zu entschlüsseln, schließlich kann auch ein guter Beobachter nicht alles wissen, verfremdet er sie. Mit starren Gesichtern wirken sie wie Schaufensterpuppen, kommunizieren untereinander mit Fingerzeichen und reagieren auch nicht auf die Willkommensgrüße des Bundeskanzlers, sondern beginnen mit eckigen Bewegungen zu laufen. Ihr Ziel ist das größte Kaufhaus auf der Friedrichstraße, das sie mit gefüllten Einkaufwagen verlassen. Nach mehreren Einkaufstouren, die inzwischen die Geschäfte in Schrecken versetzen, geben die Berliner ihnen den Spitznamen Koofmichs.

Sie suchen nach Schönheit, Einzigartigkeit und Liebe

Hier beginnt der Autor mit teuflischem Vergnügen die wildwuchernde unvorstellbare Kauforgie der Aliens, die schließlich nicht nur den Welthandel, sondern auch das soziale Leben und vielleicht den Weltfrieden bedroht, als unsere Zukunft zu beschreiben. Keiner der wichtigsten Protagonisten, der Bundeskanzler und sein Stab, die Angestellten in den Kaufhäusern, die Manager der Weltkonzerne, und der zahlreichen Nebenfiguren, bleibt von seiner leisen Ironie und seinem trefflichen Spott verschont. Für den Kaufwahn der Aliens findet er immer neue Bilder. Als sie beginnen, ihre Bestellungen über das Internet zu tätigen, bildet sich vor dem Reichstag eine schier endlose Schlange von Paketpostwagen. Sie liefern ihre Ware zwar ab, doch sie wird sofort von den Aliens entsorgt. Hinter dem Ufo entsteht eine Müllhalde.

Die Kinder sind in dieser mit vielen Dialogen aufgelockerten Handlung den unbekannten, so menschenähnlichen Wesen am Nahesten und erfahren von ihnen, dass sie in all der Kaufwut nach "Schönheit, Einzigartigkeit und Liebe" suchen. Ob sich dieser Wunsch erfüllt, als Vanessa ihnen ihre Lieblingspuppe schenkt, die auf der ganzen Welt geliebt wird, aber Mädchen zum Konsum auffordert? Was bedeutet die Flucht der Aliens mit dem Ufo, bei einem Showdown mit vielen kleinen Mädchen und ihren Lieblingspuppen? (ab 12 und für Erwachsene).

© SZ vom 13.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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