Biografie:Eine andere Hautfarbe

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Das Mädchen Therese, Tochter einer Völkerschautruppe aus Togo, wächst um 1900 in Wuppertal auf

Von Roswitha Budeus-Budde

"Die Frauen spielen in der afrikanischen Gesellschaft eine unglaublich starke Rolle, auch wenn sie nicht so in der Öffentlichkeit auftauchen", sagt Hermann Schulz, der als Missionarssohn in Afrika geboren wurde. In seinem Œuvre finden sich immer wieder bemerkenswerte Frauenporträts, deren Vorbildern er auf seinen Reisen als langjähriger Verleger des Peter-Hammer-Verlages begegnet ist. "Erst mal halten sie den Kram zusammen, organisieren toll, bestimmen auf den Märkten die Preise. Und der ganze Kontinent, für den ich kein Konzept habe, wäre längst zusammengebrochen, wenn es die Frauen nicht gäbe."

Auch sein neues Buch "Therese. Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte" beruht auf dem Zusammentreffen mit einer bemerkenswerten Frau, 1977, die ihn, den einzigen Weißen in einem Supermarkt in Togo zu seiner Überraschung in akzentfreiem Deutsch anspricht. Sie erzählt ihm, dass sie wie er aus Wuppertal kommt, wo sie 1900 als Kind einer Völkerschautruppe aus der ehemaligen deutschen Kolonie Togo geboren wurde. Ihre Eltern waren Mitglieder in einer der 300 "außereuropäischen Menschengruppen", die zwischen 1870 und 1940 wie wilde Tiere vorgeführt wurden - die berühmteste war die Truppe von Hagenbeck - und unter menschenunwürdigen Bedingungen durch Europa touren mussten.

In einem fesselnd erzählten, chronologisch angelegten Zeitzeugnis, verfolgt Hermann Schulz mit der Kindheit und Jugend des Mädchens auch die politischen Veränderungen in Deutschland.

Getrennt von ihren Kindern, die in Kinderheimen oder Pflegefamilien untergebracht wurden, ein Schicksal bei dem Therese ihre "deutschen Eltern" fand. Denn auf Rat und Zuspruch des evangelischen Pfarrers in Wuppertal, nahm das kinderlose Ehepaar Hufnagel sie als eigenes Kind an. Therese war für sie ein besonderes Geschenk, für den Vater, einen liberalen Sozialisten - der sie oft liebevoll "Schokoplätzchen" nannte, und besonders für die Mutter, eine sehr fromme Christin.

In einem fesselnd erzählten, chronologisch angelegten Zeitzeugnis, verfolgt Hermann Schulz mit der Kindheit und Jugend des Mädchens auch die politischen Veränderungen in Deutschland. Schildert das Leben mit den Nachbarn in Wuppertal und die Schulzeit von Therese. Die für fünf Monate unterbrochen wird, als ihr leiblicher Vater sie mit nach Togo nehmen will, und das Mädchen in seiner Völkerschautruppe - bei der sie ihre Mutter kennenlernt - als Illegale in Rotterdam in einer Fabrikhalle festgehalten wird.

"Wenn ich sonst morgens aufwache und irgendwo hingehe, in die Schule zum Beispiel oder zum Einkaufen . . . muss ich daran denken, dass ich eine andere Hautfarbe habe als alle Menschen um mich herum. Bei euch muss ich das nicht denken, da ist alles normal, verstehst du? ", gesteht sie ihrem deutschen Vater, als er sie aus den Niederlanden zurückholt. Doch je älter sie wird und je mehr die Nationalsozialisten das öffentliche Leben bestimmen, desto schwieriger wird es für sie als Schwarze. Zunehmend setzen ihr Neugier, Aggression und Gewalt zu. "Wo will eine wie du hinreisen? Wie ist es denn da unten in Afrika? Ist ja nicht deine Schuld, dass du so schwarz bist", fürchtet sie von Soldaten auf einer Zugreise gefragt zu werden, auf dem Weg zu dem Diakonissenheim, in dem sie eine Ausbildung beginnt.

Hermann Schulz dokumentiert in diesem Teil von Thereses Lebensgeschichte die schwierige Situation der Diakonissen unter dem zunehmenden politischen Druck durch den Terror der Nazis, dem auch Therese, die inzwischen ein Kinderheim leitet, ausgeliefert ist. Ihre Rettung wird, dass einer ihrer Brüder, der als Musiker in der Hamburger Clubszene lebt, sie nach langer Suche findet. Mit ihm und einem Freund kann sie 1933 nach Togo fliehen. "Bin ich eine Deutsche? Bin ich eine Afrikanerin? Diese Fragen würden sie noch viele Jahre beschäftigen, doch irgendwann würde sie wissen, dass die Frage unsinnig war". (ab 14 und junge Erwachsene)

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