Lyrik:Klimbim mit Robinson

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(Foto: N/A)

Eine poetische Teenager-Symphonie, die das Gefühlschaos dieses Alters als Herausforderung zu Papier bringt.

Von Holger Moos

Es ist nicht leicht, sich in einen Teenager kurz vor dessen Volljährigkeit hineinzuversetzen. Nils Mohl hat es versucht, das Ergebnis ist ein kunstvolles, verrätseltes Chaos.

In seinen bisherigen Werken behandelt er häufig das Erwachsenwerden, die Orientierungssuche, aber auch die Orientierungslosigkeit junger Menschen. Für sein bekanntestes Buch, den Jugendroman "Es war einmal Indianerland" (2011), erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis und den Oldenburger Kinderbuchpreis .. Gelobt wurden sein kunstvoller und sprachlich innovativer Stil. Die Laudatorin Sabine Ludwig sagte damals: "Lesen Sie dieses Buch, genießen Sie es, es ist anders, es ist besonders, es ist einfach grandios."

Der Autor hat seiner Lust am Experiment, an Wortspielen und Wortneuschöpfungen freien Lauf gelassen.

Auf seiner Website schreibt Mohl, dass er schon vor 15 Jahren ein Buch begonnen habe, Arbeitstitel: "Guten Tag, mein Name ist Klimbimson Kreuzer". Nun wurde dieses "Opus Magnum Mini" fertig und unter einem neuen Titel veröffentlicht: "An die, die wir nicht werden wollen. Eine Teenager-Symphonie". Darin hat er seinen anspruchsvollen Stil weiter auf die Spitze getrieben. Hat seiner Lust am Experiment, an Wortspielen und Wortneuschöpfungen freien Lauf gelassen. Auch die Buchgestaltung, einschließlich der Illustrationen von Regina Kehn, ist sehr besonders. Jede Seite ist individuell gestaltet. Jugendliche Dramatik mit Augenzwinkern. Im Zentrum des Buches steht das werdende Ich, ein Ich auf der Suche nach seinem Ort in der Welt. Das Ich heißt Klimbimson Kreuzer und fühlt sich, als lebe es wie Robinson Crusoe (dessen ursprünglicher Familienname ja Kreutznaer war) auf einer einsamen Insel. Schon die Verballhornung des Namens macht deutlich, dass Mohl bei aller jugendlichen Dramatik auch den Witz nicht vergisst.

Man taucht ein in den Bewusstseins- oder Gedankenstrom des jugendlichen Protagonisten, der kurz vor seinem 18. Geburtstag steht. Der Countdown läuft. Doch die Angst ist groß, so zu werden, wie man nie werden wollte, nämlich wie die Erwachsenen, in deren Leben "Pseudo-Pflichten" herrschen und die "Langeweile eskaliert". Gegen diese Angst schreibt er an. In diesem Sinne ist das Buch auch eine Symphonie des Grauens. Es ist schwer zu sagen, um was für eine Gattung es sich handelt. Es ist kein erzählerisches Werk, aber auch kein Lyrikband, eher ein sehr assoziatives Tage- oder Notizbuch. Der Erzähler, das lyrische Ich, das anfangs geradezu gebetsmühlenhaft beschworen und als "Umkleidekabine",definiert wird, in der "man neue Leben anprobiert wie Klamotten", verfasst freie Lyrik, experimentelle Poesie, gibt aber auch Rätsel auf, schreibt kurze Prosatexte, gibt Chatverläufe und Kurznachrichten wieder, fiktive Werbeanzeigen und Lexikoneinträge werden eingeschoben. Es herrscht das Prinzip der Collage. Alles ist erlaubt, nichts verboten.

Als Leser kann man nicht immer leicht folgen. Orientierung wird gesucht, aber nicht immer gefunden. Wie im echten Teenager-Leben herrscht Chaos im Kopf. Und dieses Chaos hat Mohl zu Papier gebracht. Das Buch ist - wie das Erwachsenwerden - eine Herausforderung, aber eine, die sich lohnt. (ab 14 Jahre)

Nils Mohl: An die, die wir nicht werden wollen. Eine Teenager-Symphonie. Verlagsanstalt Tyrolia, 2021. 168 Seiten, 17,95 Euro.

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