Süddeutsche Zeitung

Technik:Wandeln übers Höllenfeuer

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Wunderwerke der Brückenkunst aus aller Welt, die berühmtesten Bauwerke und ihre Technik.

Von Katharina Matzig

Eine besondere Brücke: Sie ist dünn wie ein Haar, überspannt ein Höllenfeuer und ist schrecklich lang: Wer die Brücke Sirat überqueren muss, um sicher ins Jenseits zu kommen, sollte im Diesseits ein rechtschaffenes Leben geführt haben, zumindest wenn man der islamischen Mythologie Glauben schenkt. In der Realität waren und sind es - gottlob - andere Herausforderungen, die sich stellen, um Ufer oder Täler zu überspannen und Straßen oder Wege sicher überqueren zu können.

Wie werden Brücken überhaupt gebaut? Jedenfalls nicht in einer Nacht und nicht vom Teufel

Doch auch ohne Höllenfeuer braucht es die brennende Leidenschaft von Baumeistern, Ingenieuren und Architekten, um mit immer größere Spannweiten mit immer raffinierteren Konstruktionen Flüsse und Schluchten zu überwinden. "Brücken - Wunderwerke aus Holz, Stein und Stahl" heißt dementsprechend das jetzt auf Deutsch erschienene Buch des russischen Autors und Grafikdesigners Roman Beljajew, sein zweites, nach "Leuchttürmen - Wegweiser der Meere". Es sei nicht nur allen bayerischen Schülerinnen und Schülern, die sich lehrplangemäß in Klasse 3 und 4 im Heimat- und Sachkundeunterricht mit dem Thema Brücke auseinandersetzen, auf den Schreibtisch gelegt. Es sorgt auch bei Jüngeren und Älteren und auch nach dem Unterricht nicht nur für Kompetenzenerwerb, sondern macht auch großen Spaß. Denn Roman Beljajew erklärt das komplexe Bauwerk, dessen vermutlich ältestes Beispiel die Brücke von Arkadiko auf der Halbinsel Peloponnes ist - ein Bogen aus geschichteten Steinen, errichtet zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert vor Christus - mit Antworten auf fünf Fragen: Warum wurden Brücken erfunden, wie sahen die ersten aus, was bedeutet der Begriff "Brücke", welche unterschiedlichen Konstruktionsarten und Materialien gibt es und wie werden Brücken überhaupt gebaut? Jedenfalls nicht in einer Nacht und nicht vom Teufel, wie es im Mittelalter geglaubt wurde, der moderne Planer, so zeigt ihn Roman Beljajew, trägt Bauhelm und Laptop, er analysiert den Standort, entwickelt die Konstruktion und kümmert sich um die Realisierung.

In kurzen, prägnanten Texten und mit klaren, markanten Illustrationen vermittelt das Buch so die Geschichte und Gegenwart der Ingenieursbaukunst. "Brückenrekorde" werden ebenso vorgestellt wie "die ausgefallensten Brücken", von der 1603 erbauten Seufzerbrücke in Venedig über die 2010 unter den Wasserspiegel verlegte "Moses-Brücke" im niederländischen Halsteren bis zum 2015 eigens für die Massenwanderung von roten Krabben gebauten Übergang auf der Weihnachtsinsel in Australien. Die weltweit erste Stahlbrücke aus dem 3D-Drucker, die einen Kanal in Amsterdam überspannt, wurde 2021, also nach dem Druck des Buchs, eröffnet. Zeit also für weitere so gut gemachte Sachbücher, die sich mit dem Konstruieren und Bauen beschäftigen. Dann lässt sich sicher auch die Doppelseite "Berühmte Brückenbauer" um großartige Brückenbauerinnen ergänzen.

Roman Beljajew: Brücken - Wunderwerke aus Holz, Stein und Stahl. Gerstenberg Verlag 2022.

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