Süddeutsche Zeitung

Kinderbuch:Schön sauber

"Das Buch vom Dreck" erzählt mit herrlich komischen Illustrationen die Kulturgeschichte der Körperpflege von den römischen Thermen bis zur Staubsaugertoilette im Weltall.

Von Renate Grubert

"Schmutz ist meine zweite Haut" und "Viel Baden bringt Schaden". Mit solchen Zitaten aus dem Mittelalter bringt einen "Das Buch vom Dreck" gleich auf den ersten Seiten zum Lächeln. Auch der weise Rat in Sachen Körperpflege, den Thomas Turner, Eigentümer eines Kolonialwarenladens im England des 18. Jahrhunderts, parat hat, mag moderne Leser erst einmal irritieren: "Der Mensch sollte sich regelmäßig baden, also jeden Frühling beim alljährlichen Aderlass."

Na gut, fangen wir ganz am Anfang an und lassen uns durch den Dreck der Jahrtausende ins super cleane 21. Jahrhundert führen, das, man ahnt es schon, auch so seine hygienischen Tücken hat. Das Autorenteam zeigt jedenfalls keinerlei Berührungsängste. Und zum Glück gibt es zwischendurch immer wieder echte Hoch-Zeiten der Hygiene.

Im alten Rom verrichteten die Leute ihr "Geschäft" gemeinsam

In 31 humorvollen Kapiteln geht die Reise durch die Geschichte der Körperpflege vom alten Ägypten, wo man schon Zahnpasta, Shampoo, Pfefferminze für frischen Atem, Schminke für Männer und Tampons für Frauen kannte - bis zur Internationalen Raumstation mit ihrer einsamen Staubsaugertoilette. Wie anders war das doch im alten Rom, wo man gemeinsam seine "Geschäfte" erledigte und der Besuch der Thermen mit Fußbodenheizung und allem Pflege-Schnickschnack zum gesellschaftlichen Höhepunkt avancierte. Viele dieser Errungenschaften gingen im Auf und Ab der Zeit wieder verloren, sei es durch die christliche Schamlehre, durch Verarmung, Krieg, Pest, Rattenplage oder den Wandel der Schönheitsideale - im wasserscheuen 17. und 18. Jahrhundert griffen die feinen Leute lieber zu pompösen Perücken, voluminöser Kleidung und massiven Duftwolken als zu Schwamm und Seife.

Das großformatige, mit knapp 200 Seiten ziemlich gewichtige Buch nimmt seine Sache zwar vollkommen ernst, präsentiert sie aber durchweg mit einem Augenzwinkern. So folgt man zahm wie das eigentlich sehr saubere Hausschwein (Kapitel "dreckige Sprache") dem durchaus umfangreichen Text, liest ohne Ermüdung weiter und weiter, schmunzelt über die Bedeutung von Sprüchen wie "Geld stinkt nicht" (der römische Kaiser Vespasian besteuerte den Urin, den die Gerber verwendeten, um seine Staatskasse aufzubessern) oder den Begriff der "Seifenoper" (in den Dreißigerjahren wurden die neu aufkommenden Hörspiele spöttisch "Opern" genannt, weil sie dramatisch, aber banal waren - gesponsert wurden sie meist von den Herstellern von Reinigungsmitteln) und entdeckt in den farbenprächtigen, üppig-ornamentalen, oft ganze Seiten füllenden Illustrationen immer wieder Neues und Wunderliches, von einem Dutzend verschiedener Toilettenschemel über im Eisloch badende, wild tätowierte skandinavische Hünen bis zu Einsiedlern, denen der Bart meterweit um den Körper herumwächst. An diesem Hausbuch dürfte die ganze Familie ihren Spaß haben.

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