Keira Knightley über Sadomaso:"Dämonisch ist ein gutes Stichwort"

Ihr Gesicht ist von einer Perfektion, die selbst Aphrodite die Tränen in die Augen treiben würde. Doch Keira Knightley will mehr sein als die perfekt gestylte Piratenbraut aus "Fluch der Karibik", mit der sie weltweite Bekanntheit erlangte. Ein Gespräch über Lust und Erniedrigung, Sex und Repression - die bestimmenden Themen ihres neuen Films "Eine dunkle Begierde".

Tobias Kniebe

Wenn man Keira Knightley trifft, kommt man um eine Erkenntnis natürlich nicht herum: Augen, Lippen, Wangenknochen und all die anderen Fett- und Knorpelteile ihres Gesichts harmonieren tatsächlich in einer Perfektion, die selbst Aphrodite die Tränen in die Augen treiben würde. Außerdem gehört sie mit ihren 26 Jahren und drei "Fluch der Karibik"-Filmen im Rücken zu den bestbezahlten Schauspielerinnen der Welt. Beides zusammen ist für die britische Boulevardpresse schwer zu ertragen, weshalb sie dort gern harsch behandelt und alle paar Monate der Magersucht angeklagt wird. So hat man als deutscher Kritiker auf einmal bessere Karten, diese erkennbar aufrichtige, extrem alerte und schnell sprechende junge Frau kennenzulernen.

SZ: Keira Knightley, lassen Sie uns gleich über den Anfang Ihres neuen Films reden.

Knightley: Oh oh.

SZ: Schon in den ersten Szenen rollen Sie die Augen, brüllen, schlagen wild um sich, werden von Angstvisionen gehetzt und von Selbstekel geschüttelt. Ihre Gesichtszüge verzerren sich fast ins Dämonische . . .

Knightley: Dämonisch, das ist ein gutes Stichwort. Das war exakt der Begriff, den ich als Schlüssel für meine Figur gefunden hatte. Am Anfang wollte ich sie dämonisch erscheinen lassen, ganz bewusst.

SZ: Wir lernen diese 18-jährige russische Adlige namens Sabina Spielrein kennen, als sie zwangsweise in eine Schweizer Nervenklinik eingewiesen wird. Natürlich ist sie schwer gestört - aber hätten Sie diese Frau nicht auch sanfter, introvertierter spielen können?

Knightley: Selbstverständlich! Der Regisseur David Cronenberg hat mir alle Freiheiten gelassen - ich habe auch lange nach dieser Figur gesucht. Aber irgendwann wusste ich, dass sie mich erst einmal abstoßen musste. Dass sie einer dieser Menschen sein musste, die man im Leben trifft und vor denen man gleich Reißaus nimmt - eine krasse Persönlichkeit. Von da aus ergab sich alles andere.

SZ: Eine gewagte Entscheidung . . .

Knightley: Also falsch?

SZ: Keineswegs. Aber im ersten Augenblick schon etwas schockierend. Waren Sie nicht bis vor kurzem noch die perfekt gestylte Piratenbraut?

Knightley: Tja. Einige Zuschauer werden diese neue Figur sicher hassen. Aber ich glaube an sie, und darum geht es - dass man seine Entscheidungen durchzieht, auch wenn es unausweichlich ist, dass man dabei gelegentlich voll danebenliegt. Wenn es irgendwie relevant sein soll, muss man der eigenen Faszination schon vertrauen. Anders würde ich mich auch nicht mehr auf den roten Teppich wagen, oder jetzt hier in dieses Interview.

SZ: Das klingt, als seien Sie mit sich selbst ziemlich streng geworden . . .

Knightley: Ohne das Gefühl, dass ich im Ernst etwas zu geben habe, möchte ich nicht mehr da oben stehen. Einfach nur auf die eigene Bekanntheit vertrauen, nett lächeln und sagen: Hallo, da bin ich! Das reicht doch auf Dauer nicht, oder?

SZ: Im Film bleiben Sie ja auch nicht lange so furchterregend. Es gibt eine erstaunliche Verwandlung, und die beruht sogar auf einer wahren Geschichte. Sabina Spielrein war eine der ersten Patientinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach der Psychoanalyse behandelt wurden - bald galt sie als spektakulärer Heilerfolg, später wurde sie selbst eine berühmte Psychoanalytikerin.

Knightley: Alle historischen Zeugnisse belegen, dass diese Frau unglaublich begabt und intelligent war. Für mich war sie eine Getriebene, die ihr Unbehagen in der Gesellschaft nie ganz verloren hat - auch wenn sie später als geheilt galt. Ihre Wut und ihre Verlorenheit sind immer noch da. Mal gewinnt die eine Seite in ihr, mal die andere. Das zu zeigen, hat mich sehr gereizt.

"Dann bin ich eben weg"

SZ: Die Heilung beginnt, als Sabina Spielrein ihrem Analytiker C.G. Jung gesteht, wie stark es sie erregt, erniedrigt und geschlagen zu werden. Unter anderem auch eine hocherotische Szene - da beginnt eine Affäre.

Kinostarts - ´Eine dunkle Begierde"

Keira Knightley über ihre Verkörperung von Sabrina Spielrein in "Eine dunkle Begierde": "Es ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel, wie man so fühlen kann, dieses Sado-Maso-Ding habe ich lange von mir weggeschoben - aber es ist nun mal mein Job, die Welt mit den Augen meiner Figuren zu sehen, und gerade nicht über sie zu urteilen."

(Foto: dpa)

Knightley: Daran hat mich fasziniert, dass ich dazu erst einmal gar keinen Bezug hatte. Es ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel, wie man so fühlen kann, dieses Sado-Maso-Ding habe ich lange von mir weggeschoben - aber es ist nun mal mein Job, die Welt mit den Augen meiner Figuren zu sehen, und gerade nicht über sie zu urteilen. Als ich meine Hemmungen dann endlich überwunden hatte, wurde es sehr interessant.

SZ: Als Sabina Spielrein formulieren Sie im Film die interessante These, dass man sich in der Liebe vollkommen verlieren kann . . .

Knightley: Eher im Sex.

SZ: Meine ich doch. Im Sex kann man sich vollkommen verlieren und auflösen, deshalb ergreift das Ego, das seine Identität bewahren will, gewisse Schutzmaßnahmen . . .

Knightley: Also dieses Gefühl hatte ich beim Sex noch nie - dass das jetzt ein Akt ist, oh mein Gott, der mich gerade zu zerstören droht. Und dass mein Ego da jetzt eingreifen und mich retten muss. Aber wie gesagt - aus der Sicht von Sabina Spielrein ergibt das durchaus Sinn.

SZ: Vielleicht möchte man ja auch zerstört werden.

Knightley: (lächelt kryptisch) Und dann gehen Zerstörung und Schöpfung Hand in Hand, nicht wahr?

SZ: Haben Sie sich für diesen Film eigentlich selbst einer Analyse unterzogen?

Knightley: So weit bin ich dann doch nicht gegangen (lacht). Aber es gab zwei Psychoanalytiker, die mir sehr geholfen haben - zum Beispiel bei der Frage, ob meine Figur, die durch die Schläge ihres Vaters gedemütigt und zugleich erregt wird, diesen Vater nun eigentlich liebt oder hasst. Die Antwort war: beides zugleich, sogar im selben Moment. Da dachte ich mir: How the fuck . . . wie soll das denn funktionieren? Aber die tiefere Erkenntnis ist, dass wir diese Möglichkeit eigentlich alle in uns tragen.

SZ: Eine große Frage des Films ist ja auch die ewige Spannung zwischen Freiheit und Repression. Der Arzt und seine Patientin fallen übereinander her, dabei müssten sie ihr Begehren eigentlich unterdrücken. Oder doch nicht?

Knightley: Also wenn man sich dafür entscheidet, in einer Gesellschaft zu leben - so wie ich, und Sie hoffentlich auch -, dann muss man sein Begehren unterdrücken lernen. Es wäre sehr gefährlich, wenn wir das nicht täten, das Zusammenleben würde schnell unmöglich. Erwachsenwerden heißt doch, zu erkennen, wann man sein Begehren unterdrücken muss und wann nicht. Und so machen wir es ja auch.

SZ: Fühlen Sie sich vom Ruhm noch mal besonders unterdrückt? Die Yellow Press ist doch am Ende nichts anderes als eine Art Freud'sches Über-Ich . . .

Knightley: Sicher, dieses paranoide Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen, macht die Welt zu einem ziemlich seltsamen Ort. Für mich ist es eine Realität, mit der umzugehen ich erst lernen musste. Die Freiheiten darin muss ich mir erkämpfen - aber es gibt sie.

SZ: Spüren Sie manchmal den Wunsch, alles hinzuwerfen und ganz in die Freiheit zu verschwinden?

Knightley: Oh ja. Sollte dieser Wunsch eines Tages überwältigend stark werden, bin ich dann eben weg. Und das wird dann auch völlig okay sein.

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