Kasper König am Museum Ludwig:Aus Silber Gold machen

Bei seinem Antritt am Kölner Museum Ludwig verglich Kasper König die Architektur des Gebäudes mit einem "bulgarischen Kulturzentrum" - dann machte er sich daran, den Museumsbesitz zu erweitern. Jetzt zieht König in einer Ausstellung die Bilanz seines Sammelns. Das Resümee ist erfahrungsgesättigt und existenziell, aber überall leichthändig aufbereitet.

Georg Imdahl

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Museum Ludwig Kasper König

Quelle: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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Bei seinem Antritt am Kölner Museum Ludwig verglich Kasper König die Architektur des Gebäudes mit einem "bulgarischen Kulturzentrum" - dann machte er sich daran, den Museumsbesitz zu erweitern. In einer Ausstellung zieht König nun die Bilanz seines Sammelns. Das Resümee ist erfahrungsgesättigt und existenziell, aber überall leichthändig aufbereitet.

In der Erinnerung an frühere Zustände der bis heute grassierenden Kölner Kulturkrise taucht kurz vor der Jahrtausendwende ein leckgeschlagenes rheinisches Flaggschiff auf, das Museum Ludwig, das damals ziellos vor sich hin dümpelte. Dem glücklosen Kapitän Jochen Poetter folgte dann mit Kasper König ein Schwergewicht unter den Ausstellungsmachern - und gab in Wort und Tat sogleich jenes Alpha-Tier, in das die Kunststadt ihre Hoffnungen gerne investierte.

Jovial mokierte sich Kasper König über die Museumsarchitektur, die er als "bulgarisches Kulturzentrum" verspottete, den ortsansässigen Zeitungsverleger nannte er einen "rheinischen Berlusconi". Doch ließ der vormalige Rektor der Frankfurter Kunstakademie Städel-Hochschule bei jeder Gelegenheit durchblicken, wie sehr er sich in das Museum und seinen neuen Job verliebt hatte.

Text: Georg Imdahl/ SZ vom 02./03.06.2012

Im Bild: Bodys Isek Kingelez, Köln, 2001, verschiedene Materialien.

© Bodys Isek Kingelez. Foto: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

"Ein Wunsch bleibt immer übrig" im Museum Ludwig, Köln, bis 4. November. Katalog in Vorbereitung. www.museum-ludwig.de

Museum Ludwig Kasper König

Quelle: Pawel Althamer

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Im November 2001 debütierte der Quereinsteiger des Jahrgangs 1943 mit einem bauernschlauen "Museum der Wünsche", einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die er als Direktor für die Sammlung erwerben oder, vor allem, als Schenkungen einholen wollte. Die 120 Arbeiten der Wunschliste waren zu Beginn mit einem silbernen Schildchen versehen, das sich in ein goldenes Täfelchen verwandelte, sobald das Werk in Museumsbesitz übergegangen war.

Als die Schau der Begehrlichkeiten im April 2002 schloss, wimmelte es vor Gold: Das Museum Ludwig war in kürzester Zeit um Werke und Werkgruppen von fünfzig Künstlern reicher geworden - darunter Bilder von On Kawara und Raoul De Keyser, Skulpturen von Pawel Althamer, Isa Genzken und Charlotte Posenenske, Fotografien von Candida Höfer, Sherrie Levine, Ed Ruscha und Jeff Wall, Filme von Jack Goldstein und Douglas Gordon sowie das komplette Konvolut mit Grafik und Editionen von Marcel Broodthaers. Der Einstand geriet zum Coup, heute wird das "Museum der Wünsche" bereits kopiert wie unlängst in Wien.

Im Bild: Pawel Althamer, "The Cameraman", 1995, verschiedene Materialien.

© Pawel Althamer

Museum Ludwig Kasper König

Quelle: SZ

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Manche Kölner Wünsche brauchten indessen länger bis zu ihrer Erfüllung. William Egglestons Serie "Los Alamos" (1966/74) war jahrzehntelang völlig in Vergessenheit geraten, bevor das Museum Ludwig sie aus den entlegenen Schubladen des Fotografen hervorkramte, ausstellte und ankaufte. Oder Hans Haackes "Manet-Projekt 74", das einst vom Kölner Wallraf-Richartz-Museum als unerwünscht zurückgewiesen wurde, weil es an die Vergangenheit des Kuratoriumsvorsitzenden Hermann Josef Abs erinnerte, die mit seinen Lebensdaten "verbundene Kollaboration mit den nationalsozialistischen Machthabern", wie es im Katalog damals hieß. Die Otto-Wolff-Stiftung kaufte das Werk im Jahr 2005 und überließ es dem Museum als Leihgabe. Und schlussendlich fand auch Philip Gustons autobiografischer Atelier-Allegorie "Complications" von 1973 in die Sammlung.

Im Bild: William Eggleston, aus: "The Los Alamos", 1965 - 1974/2002, Dye-Transfer Print, 75-teilig.

© Eggleston Artist Trust

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Quelle: SZ

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Bis heute sind dem Museum unter Königs Ägide rund 2000 neue Werke zugeflossen, darunter Installationen von Stephen Prina, Matt Mullican und Mike Kelley. Die Zahl allein sagt wenig, wohl aber der Zuschnitt der "persönlichen Auswahl", mit der König nach seiner "letzten programmatischen" Ausstellung "Vor dem Gesetz" (SZ vom 19.12.2011) nun seine Sammeltätigkeit in Köln bilanziert, bevor er das Ruder im Dezember an seinen Nachfolger Philipp Kaiser übergibt. Ausgeklammert bleibt der spektakuläre Nachlass der Stifterin und Sammlerin Irene Ludwig, der ein eigenes Kapitel und einen eigenen Raum in der ständigen Sammlung erhält.

Im Bild: Stephen Prina, "The Second Sentence of Everything I Read is You: The Queen Mary", 1979-2006, Installation.

© Stephen Prina. Foto: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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Quelle: Franz West / Zoe Leonard

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Die Auslese im Obergeschoss präsentiert sich als alles andere als Trophäensammlung. Deutlich werden vielmehr die kuratorischen Ansprüche an eine zeitgenössische Kunst, die sich autonom entwickeln, zugleich aber immer auch ihre Rückkoppelungen mit der sozialen Realität und damit ihre Dringlichkeit unter Beweis stellen soll.

Viele Werke sind ebenso konkret wie metaphorisch, etwa Zoe Leonards "Tree", ein Ankauf aus der Ausstellung ihrer Arbeit im Museum: Die zersägte und wieder zusammengeschraubte Eiche ragt als Prothese ihrer selbst in die Raumflucht und verkörpert symbolisch die Versehrtheit von Existenz und deren zähen Überlebenswillen.

Im Bild: Franz West, "Plural", 1995, Eisen, Farbe, Leinwand, Dipersionsfarbe, Linoleum, Installation; davor: Zoe Leonard, "Tree", 1997 / 2011, Holz, Stahl.

© Franz West / Zoe Leonard. Foto: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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Quelle: SZ

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Es geht freilich auch beiläufiger, unterschwelliger, cooler. Die "Video Booths" des Amerikaners Tom Burr von 1995 bespiegeln die Zellen eines Dan Graham aus den Jahren um 1970, führen zudem aber disparate Assoziationen von Beichtstuhl und Peep-Show zusammen.

Die Perfektion und Selbstbezüglichkeit der Minimal Art konterkariert Manfred Pernice mit spröden Architekturskulpturen aus Sperrholz und Pressspan, um eine fehlgeleitete Urbanität zu kritisieren, und die "Zielscheiben" des Dänen Poul Gernes aus den Sechzigern und Siebzigern reagieren auf Jasper Johns' berühmte "Targets" - zugleich setzen sie sich in ihrer klobigen Manier ostentativ vom "Internationalen Stil" des Modernismus ab.

Im Bild: Poul Gernes, alle Arbeiten: "Target", 1966 - 1976.

© Franz West / Zoe Leonard. Foto: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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Quelle: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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In Königs Visier geraten kontinuierlich Positionen, die durch das Raster des Kanons gefallen sind. Wie Peter Saul, der in den Sechzigern eine konsumkritische Pop-Art und damit die Quadratur des Kreises erprobt, oder Paul Feeley mit einer Abstraktion, die die Hard-Edge-Malerei auf ihre Art auslegt: sehr ornamental, sehr soft. Feeleys farbenfrohe Rosette hing seit längerem eigenwillig neben einem späten Ernst Wilhelm Nay - auch darin bekundet sich Königs Verständnis einer Sammlung: Höher als eine gesicherte Erkenntnis von Einflusslinien und Wirkungsgeschichte rangiert bei ihm die Intuition mit allen ihren Risiken.

Ein Schwerpunkt der Bilanz liegt auf konzeptuellen Ansätzen, soweit sie sich nicht in "verklausulierten Insider-Geschichten" und "besserwisserischen Fußnoten-Attitüden" erschöpfen, wie König jüngst den Künstler Jonathan Monk gescholten hat.

Im Bild: Cady Noland, "Log Cabin Roof", 1990, Holz, Metall; und Manfred Pernice, "Hangelar", 2007, Holz, Pressspan, Papier, Eisen, Gummi, Folie, Farbe, Collage.

© Cady Noland / Manfred Pernice. Foto: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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Quelle: Lee M. / Museum Ludwig, Köln

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Direkt aus dem Alltag geschöpft sind einige Arbeiten von Hans-Peter Feldmann, zum Beispiel Fotografien von Autoradios, die aufgenommen wurden, als darin gerade "schöne Musik" lief. Bezeichnend die Anekdote aus Feldmanns Biografie: Der Düsseldorfer war aus dem Kunstbetrieb ausgestiegen, als König ihn in den späten Achtzigern vom Wiedereinstieg überzeugte. Es gibt letztlich übrigens auch Ankäufe, die am Geld scheiterten. Maurizio Cattelans kleiner Trommler, vor zehn Jahren publikumswirksam auf dem Museumsdach platziert, war dem Direktor zu teuer.

Wenn es, um es mit einem Satz des amerikanischen Künstlers Robert Morris auszudrücken, Kunst gibt, die sich aufbläst, und solche, die Luft ablässt, so ist Kasper König eindeutig ein Gewährsmann der letzteren Kategorie. Sein Kölner Resümee ist erfahrungsgesättigt und existenziell, aber überall leichthändig aufbereitet.

Im Bild: Ansel Adams, "Canyon de Chelly National Monument", Arizona, 1942, Sammlung Gruber / Museum Ludwig, Köln, Gelatinesilber.

© The Ansel Adams Publishing Rights Trust, Mill Valley

© SZ vom 01.06.2012/feko/pak
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