Süddeutsche Zeitung

"Einfach mal was Schönes" im Kino:Nicht nur die Liebe zählt

Lesezeit: 4 min

Derb, komisch und voll auf die Zwölf: "Einfach mal was Schönes" von Karoline Herfurth deutet das Genre der romantischen Komödie um.

Von Martina Knoben

Eine Traumhochzeit sollte es werden, mit Kutsche, Kammerorchester und in einem Märchenschloss. Aber dann zieht ein irrer Sturm auf und dem Hochzeitspaar fliegt alles um die Ohren. Gerade noch können sich Braut und Braut - richtig gelesen! - nach dem Ja-Wort küssen, dann ist Weltuntergang, die Hochzeitstorte fliegt in Richtung einer Fensterscheibe und landet dort als großer Sahneklatsch.

Einfach ist in "Einfach mal was Schönes" wirklich gar nichts, auch nicht die Beziehungen, von denen Karoline Herfurth erzählt. Gerade erst hat die Regisseurin mit "Wunderschön" (2021) ihr Talent für haarsträubende Komik und derben Körperklamauk bewiesen, es ging um die irren Verwindungen, die Frauen anstellen, um den widersprüchlichen Anforderungen an sie gerecht zu werden. Unvergessen die Szene in "Wunderschön", in der eine stillende Mutter - gespielt von Herfurth selbst - vor einem Bewerbungsgespräch mit einer Milchpumpe an beiden Brüsten auf dem Firmenklo hantiert. Ein treffender Kommentar zur Doppel- und Dreifachbelastung junger Mütter.

"Wunderschön" war ein Überraschungserfolg mit mehr als anderthalb Millionen Zuschauer im Kino, "Einfach mal was Schönes" knüpft nicht nur im Titel daran an. Wieder geht es um weibliche Lebensentwürfe, die aus feministischer Perspektive oft einfach nur grotesk wirken. Radiomoderatorin Karla, eine Frau Ende dreißig (Karoline Herfurth), ist so versessen darauf, ihren Mr. Right für eine Familiengründung zu finden, dass sie noch beim beklopptesten Date mitmacht und mit einem Extrem-Sportler durch einen Freizeitpark klettert, rutscht und robbt wie durch ein militärisches Übungsgelände.

Die Romcom wird von feministischer Skepsis unterwandert

Slapstick und Schmerz gehören eben zusammen. Gleich zu Anfang des Films hält Karla einen Test mit zwei Streifen in die Kamera, bei dem es mal nicht um Corona geht. "Willst du jetzt ein Kind oder was?!", fragt ihr Lebensabschnittsgefährte. Er selbst will offenbar lieber nicht. "Sometimes it's hard to be a woman", heißt es im Soundtrack. Das Wort "Abtreibung" fällt nicht, aber selten hat der Song "Stand by Your Man" falscher geklungen.

Karla beschließt zwei Jahre und etliche miese Dates später, auch ohne Mann ein Kind zu bekommen, was nicht nur zu irren Begegnungen mit potenziellen Samenspendern führt, sondern auch zu Widerspruch in ihrer Familie. Eine Schwangerschaft ist eben immer noch keine Privatsache! Und dann lernt Karla auch noch den lieben Krankenpfleger Ole (Aaron Altaras) kennen, bei dem alles stimmt, nur nicht das Alter - Ole ist 28 und will nach dem ersten Date verständlicherweise noch kein Kind. Außerdem gibt es Stress mit Karlas alkoholkranker Mutter Marion (Ulrike Kriener) und den zwei Schwestern: Die ältere, Jule (Nora Tschirner), hat drei Kinder und einen Mann, den sie aber betrügt, und die jüngere, Johanna (Milena Tscharntke), leidet unter Panikattacken und bricht bei der kleinsten Erschütterung in Tränen aus.

Das ist viel Stoff und Personal für eine Komödie, sodass "Einfach mal was Schönes" fast zwangläufig in Episoden zerfällt - was dem Film aber nicht allzu sehr schadet. Die tolle Besetzung hilft über Brüche hinweg, und dass Herfurth die Liebesgeschichte von Karla und Ole nicht übermäßig wichtig nimmt, passt ohnehin ins Konzept: Eine geschmeidige Romcom, wie sie die Regisseurin noch 2016 mit ihrem Regiedebut "SMS für dich" inszenierte, hätte sich mit der feministischen Skepsis der Regisseurin schlecht vertragen. Standardmotive wie Torschlusspanik, Traumhochzeit oder Horrordates nutzt Herfurth vor allem auch dazu, das Genre der romantischen Komödie umzudeuten. Es ist eben nicht nur die große Liebe, die zählt. Es geht auch um weibliche Rollenbilder und Erwartungen, weshalb sich Herfurth so sehr für Karlas Schwestern und ihre Mutter interessiert.

Mutter Marion lässt weibliche Wut und Verzweiflung einfach raus

Diese Mutter, furios gespielt von Ulrike Kriener, ist der gute böse Geist der Geschichte, sie darf all die Wut und Verzweiflung über die Zumutungen, die die Welt für Frauen bereithält, wunderbar destruktiv rauslassen. Hinreißend, wie sie im Leo-Look auf der Hochzeit ihres Ex-Mannes (Herbert Knaup) auftaucht, verbittert und betrunken, zum Sound von Christopher Cross' "Ride Like the Wind". Klar, dass sie die Hochzeit crasht, was dann allerdings nicht halb so lustig ist wie erwartet, weil eine unglückliche, alkoholkranke Frau nun mal nicht lustig ist.

Immer wieder taucht die Mutter auch an Karlas Wohnungstür auf und bettelt um Einlass (ihre Mutterliebe ist toxisch). Einmal beginnt dann eine Diskussion mit zufällig vorbeikommenden Nachbarn, übers Kinderkriegen und Frausein, eine wunderbar abgedrehte Szene. Die plötzlich zu Ende ist, als Marion das S-Wort ausspricht. S wie Scheide. Sie schreit es laut heraus, weil es mehr als alles andere provoziert. Warum eigentlich? Dass der Körper der Frau eine Kampfzone ist, hatte Herfurth schon in "Wunderschön" thematisiert, in dem es um Schönheitsideale ging. Hier erweitert sie das Feld um Fragen nach Familie und Reproduktion.

"Happy-Ends gibt es nur im Kino", heißt es einmal, ganz so pessimistisch ist "Einfach mal was Schönes" dann aber doch nicht. Nicht nur haben Karla und Ole romantische Momente (die Chemie zwischen den beiden Darstellern stimmt). Ein wunderbares Bild der Liebe zeichnet die Regisseurin vor allem - ausgerechnet - mit Karlas neurotischer Schwester Johanna und ihrer künftigen Frau. Die beiden sind es, deren Hochzeitschoreografie ein Sturm durcheinanderweht, Johanna ist einer Panik nah. "Bleib bei mir", beschwört sie ihre Geliebte und fixiert sie mit ihrem Blick. Und trotz umherfliegender Gegenstände und fliehender Gäste scheint es plötzlich ruhig zu werden, weil ein Mensch einem anderen Halt gibt.

Einfach mal was Schönes , D 2022. Regie: Karoline Herfurth. Buch: Monika Fässler, Tim Hebborn, K. Herfurth. Kamera: Daniel Gottschalk. Mit: K. Herfurth, Nora Tschirner, Milena Tscharntke, Aaron Altaras, Ulrike Kriener. Verleih: Warner, 116 Minuten. Kinostart: 17.11.2022.

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