Karneval:Politischer Kampf zwischen Tusch und Alaaf

Brings 2

Peter Brings kommt mit seiner Musik bei den Jecken im Kölner Gürzenich gut an - seine politische Meinung will nicht jeder hören.

(Foto: Jörg Dembinski)

Die Band "Brings" ist im Karneval für Frohsinn zuständig. Doch dieses Jahr macht sie auch Stimmung gegen die AfD. Kann das gutgehen?

Von Larissa Holzki, Köln

Rot-weißes Tuch und das Stadtwappen mit den Dreikönigskronen schmücken die Brüstung des ersten Balkons, Weingläser glänzen auf den weißen Tafeln im runden Saal des Kölner Maritim-Hotels. Im Kühler liegt Chardonnay. Die Herren protzen in gebügelten Gardeuniformen und glucksen aus Clownskostümen, Frauen funkeln in Leopardenröckchen, Indianerfedern. Viele von ihnen hüpfen. Auf der Bühne steht die Band Brings: "Ich bin fromm, ich bin frei, ich bin voll, ich bin high", dröhnt Frontmann Peter Brings mit seiner dreckigen Stimme. Vor 16 Jahren hat die Rockband den Karneval wieder aufregend gemacht. Man tut wohl weder Sänger noch Publikum Unrecht, wenn man ihn als Sexsymbol der um die 50-jährigen Frauen in Köln bezeichnet.

Brings ist aber auch ein Mensch, der sich politisch verantwortlich fühlt. Mitte Januar hätte er diesen Auftritt fast abgesagt - und alle anderen im Maritim auch. Beinahe jeden Abend mietet in den Wochen bis Aschermittwoch eine andere Karnevalsgesellschaft den großen Saal, um ihre Sitzung mit Büttenreden, Tanzmariechen und Livemusik zu feiern. Die Band in den rotkarierten Hosen bestellen sie als Highlight dazu. Nun aber soll in zwei Monaten die AfD hier ihren Parteitag abhalten. Und mit diesen Leuten will sich Peter Brings keine Bühne teilen. Auch nicht, wenn ein paar Wochen dazwischenliegen.

Deshalb hat die Band eine Bewegung angestoßen, die Musiker, Tanzgruppen, Büttenredner und Präsidenten von Karnevalsgesellschaften ergriffen hat: Subtile Botschaften und klare Statements dringen seither durch die Sitzungssäle. Provozieren Stornierungen. Gelangen in bundesweite Medien. Der Druck ist so groß, dass die Hotelkette künftig nicht mehr an die AfD vermieten will. Auf Twitter wettern AfD-Politiker deshalb gegen die Künstler. Der Karneval macht also jetzt Politik.

Und Politik ist anstrengend. Die Ledersitze im Bandbus von Brings sind zurückgekippt wie Liegestühle, das Licht ist schummrig. Peter Brings sitzt ganz hinten links und fummelt sich auf dem Weg ins Maritim die Verkabelung zwischen Pferdeschwänzchen und Hemdkragen durch - zum 182. Mal in sieben Wochen. Er hat Augenringe, reibt sich durch das Gesicht.

Diese Session hat noch mehr geschlaucht als sonst. Brings musste bei Musikerkollegen und Karnevalsoberen gegen Zweifel anreden: "Ich höre ständig, eine Demokratie muss die AfD ertragen, aber wenn Parteiführende sagen, wir sollen auf Frauen schießen und nicht mehr daran denken, dass Deutsche sechs Millionen Juden umgebracht haben, will ich das nicht ertragen", sagt er. Seine Band sieht das genauso.

"Heuchler" oder Helden? Die Kölner sind sich uneins

Viele Fans auch. Sie beglückwünschen die Band auf deren Facebookseite. Aber es gibt auch Kommentatoren, die die Bandmitglieder als "Heuchler" beschimpfen, weil sie nicht aufgeschrien hätten, als am Hauptbahnhof Frauen begrapscht worden seien, die ihnen "Überheblichkeit" und "politische Hetze" vorwerfen. Die Übergriffe in der Silvesternacht 2015 und die Einkesselung nordafrikanischstämmiger Männer zum vergangenen Jahreswechsel haben die Stadt gespalten. "Ich weiß, was sich die AfD hier abholen will. Die wollen Köln zum symbolischen Boden machen", sagt Peter Brings.

Brings werden in Köln gehört. Keine andere Musikgruppe im Karneval erreicht so eine breite Altersgruppe. Ihre Hits garantieren Sitzungsveranstaltern und Partyausrichtern den Ticketausverkauf. Auch neben und hinter der Bühne machen sich die Protagonisten Freunde. Sie begrüßen Ordner mit Namen, fragen Techniker, wie es ihnen geht und machen mit wartenden Fans noch ein zweites Foto, wenn das erste zu dunkel wird. Trotzdem ist die Band selbst überrascht, wie viele Menschen und Gruppen sich ihrer Initiative anschließen.

Bevor Brings an die Öffentlichkeit gegangen sind, haben sie die Kollegen von Bläck Fööss, Höhnern, Paveiern, Kasalla und Cat Ballou dazugeholt. Diese Bands bilden so etwas wie die Lobby der Musiker, die im Karneval dafür bezahlt werden, Frohsinn zu verbreiten. Als Zusammenschluss könnten diese Künstler dem Karneval die Tonspur ausschalten.

Tatsächlich gab es erst mal hitzige Diskussionen: Dürfen sie ihre politische Meinung rumposaunen? Ist Stimmungsmache gegen eine demokratische Partei legitim? Ist sie richtig? Hört das Publikum zwischen Tusch und Alaaf gut genug zu, um leise Kritik zu hören? Oder hilft nur ein Boykott, der viele Anhänger vergraulen könnte? Sind Leute, die sich rote Pappnasen aufsetzen und schunkeln wollen, überhaupt bereit, über Politik nachzudenken?

Spaßverderber beim Volksfest für Lokalpatrioten?

Schließlich hat Brings-Schlagzeuger Christian Blüm auf der Fahrt von einer Sitzung zur nächsten im Namen aller Diskutanten einen Brief an das Maritim in seine Notizbuch-App getippt: Sie würden es nicht hinnehmen, dass der AfD und Björn Höcke auf der Bühne des Hotels die Gelegenheit gegeben werden soll, "einer menschenverachtenden Gesinnung Gehör zu verschaffen". Norbert Blüm, der ehemalige CDU-Arbeitsminister und Vater des Brings-Mitglieds, hat geprüft, ob das Schreiben klug formuliert oder juristisch angreifbar ist. Weitere Künstler und Karnevalisten haben unterschrieben oder selbst die Initiative ergriffen.

Das Festkomitee Kölner Karneval hat sich auf die Seite der Musiker gestellt. Alle Parteien aus dem Rat der Stadt haben in irgendeiner Form auf den Aufruf reagiert. Schülerräte haben ihre Abschlussbälle im Maritim abgesagt. Und zur Überraschung der Band haben sich auch viele Karnevalsgesellschaften positioniert, die gemeinhin konservativ ausgerichtet sind. Einer der Techniker, die für Brings Instrumente aufbauen und Boxen schleppen, trägt Freitag ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Keine Bühne für Nazis".

Vor der Bühne im Gürzenich schwenkt ein Mann mit strohblonder Perücke ein Schild mit dem Schriftzug "Kölle first". Diese Mischung aus Selbstironie und politischer Schelte ist der Karneval gewöhnt. Im Schutzkostüm der Kunstfigur macht man sich lustig über das Versagen eines Amtsträgers und zwinkert dabei. Sich über Lösungen den Kopf zu zerbrechen, gehört nicht zum Programm. Aber genau das ist die Hoffnung, die in dem Protest der Künstler steckt: Dass etwas bleibt, wenn die Schminke abgewaschen ist.

Die Brings-Musiker und ihre Mitstreiter stehen vor der gleichen Herausforderung wie viele Politiker: Wie können sie Leute erreichen, die mit eigenen Problemen und Bedürfnissen beschäftigt sind, die des Zuhörens müde sind und sich nicht bevormunden lassen wollen?

Der Kölner Karneval ist schließlich ein Volksfest für Lokalpatrioten. Die Kölschgläser in den Kneipen werden abwechselnd auf die Mädchen, den Dom und den Fußballverein der Stadt gereckt. Beschunkelt wird immer auch die Heimatliebe. Wer Angst um regionale Traditionen, Sprache und Brauchtum hat, kann sich hier einlullen lassen. Ist es gerade deshalb wichtig, auf Ausgrenzung aufmerksam zu machen oder drängt man diejenigen, die ihre Kultur bedroht sehen, mit dem belehrenden Zeigefinger nur noch mehr in die Defensive?

Mit einem Boykott, das ist den Musikern schnell klargeworden, hätten sie vor allem Anhänger vergrault und Verträge gebrochen. Brings, die zweimal das größte Kölner Fußballstadion ausverkauft haben, können sich diesen Protest vielleicht leisten - Nachwuchskünstler aber nicht.

Kritik - leicht gerieselt ins Konfetti

Köln habe immer für Weltoffenheit, Toleranz und nicht zuletzt Nächstenliebe gestanden. Mit diesen Worten hat Peter Brings in den vergangenen Wochen versucht, die Menschen abzuholen. Und er hat hinzugefügt, dass das auch so bleiben solle. Mal deutlicher, mal subtiler hat er mit dem Song "Halleluja" den umstrittenen US-Präsidenten Trump oder die AfD gegrüßt.

Er lässt damit allen Raum. Brings hat einen Impuls gegeben, den Veranstaltern meist aber selbst überlassen, wie viel Politik sie ihren Gästen zumuten. "In einigen Gesellschaften, deren Präsidenten klar gegen die Partei Stellung bezogen haben, sind Mitglieder ausgetreten", sagt Christian Blüm. Der Bundesvorsitzende der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, Sven Tritschler, hat sich von der Mitgliedschaft in der Prinzen-Garde beurlauben lassen.

Was haben die Musiker mit ihrer Aktion also erreicht?

Der AfD-Parteitag am 22. April wird im Maritim stattfinden. Daran sei das Hotel vertraglich gebunden, heißt es. Nur Björn Höcke darf nicht teilnehmen. Ihm hat das Hotel nach der umstrittenen Rede in Dresden Hausverbot erteilt. Die zahlreichen Reaktionen und Initativen haben aber gezeigt, dass die Ansagen der Band, die Statements der Gesellschaften, die Positionierung zahlreicher Künstler, Vereine und Politiker in der Karnevalssession Menschen animiert haben, Haltung zu bekennen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sie damit weitermachen.

Der Straßenkarneval hat inzwischen seinen Höhepunkt erreicht: Die Leute trinken mehr, feiern ausgelassener und viele sind schon vor den Konzerten verkatert. In der "Lachenden Kölnarena" singen Freitagabend 10 000 Einhörner, Freiheitsstatuen, Hühner, Meerjungfrauen und Raubtiere mit Brings. Zwei Frauen wurschteln ihre Büstenhalter unter dem Kostüm hervor und schleudern sie auf die Bühne. Für diesen Abend lässt der Sänger die politischen Statements der vergangenen Wochen. Spätestens im April werden die Musiker wieder Stellung beziehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: