Karlheinz Stockhausen wird 75:Der Zauberkünstler und "Techno-Papa"

Nicht jeder, der seine Musik hört, ist von ihr auf Anhieb begeistert. Die Musik von Karlheinz Stockhausen fordert neue Hörgewohnheiten und erwartet eine intensive Beschäftigung mit jedem seiner Werke.

Sein umfangreiches und detailbesessenes Werk ist ebenso bewundert wie umstritten: Für die einen ist der Komponist Karlheinz Stockhausen ein verschrobener Vertreter der elitären Kunst, für anderen ein mutiger Pionier, eine Ikone der Rock- und Pop-Musik, die Größen wie John Lennon, Frank Zappa oder David Bowie und sogar die Techno-Musik beeinflusst hat.

Heute wird wird Stockhausen 75 Jahre alt. Zu seinem Geburtstag wird in Salzburg sein "Helikopter Streichquartett", ein Auftragswerk der Festspiele, aufgeführt. "Dass es gelingt, wie auch die anderen Konzerte", formulierte er an seinem Wohnort im bergischen Kürten nahe Köln seinen größten Geburtstagswunsch.

Überragender Komponist und Musikdenker

Stockhausens Ruf als einer der überragenden Komponisten und Musikdenker des 20. Jahrhunderts begründet sich aus mehr als 280 selbstständig aufführbaren Werken, über 100 verschiedenen Schallplatten, die er mit eigenen Werken einspielte, und zehn Bänden "Texte zur Musik". Nahezu alle Uraufführungen seiner Werke dirigierte er selbst oder leitete sie als Klangregisseur.

Karlheinz Stockhausen wurde am 22. August 1928 in Mödrath bei Köln geboren. Seine Eltern starben früh, mit 17 Jahren war er Vollwaise. Nach dem Abitur studierte er in Köln Klavier und Schulmusik, außerdem Musikwissenschaften, Philosophie und Germanistik, später in Bonn Phonetik und Kommunikationsforschung.

1950 begann er zu komponieren. Spätestens 1970 mit den Weltausstellungskonzerten in Osaka gelang ihm der internationale Durchbruch, weitere Meilensteine waren seine musikalisch-theatralischen Aktionen wie "Inori" oder der siebenteilige kosmische Musiktheaterzyklus "LICHT".

Während Stockhausens Schaffen in den frühen Jahren von struktureller Strenge und klanglicher Radikalität geprägt war, wurden seine Werke ab den 70er Jahren melodischer und singbarer.

Wesentlich war die Begegnung mit Ostasien, mit Japan und dem Zen-Buddhismus, die eine Hinwendung zum Mystizismus und zum Spirituellen bewirkte. "Das Essenzielle meiner Musik ist immer religiös und spirituell, das Technische ist nur Erläuterung", sagt Stockhausen. Stockhausens Werk hatte auch Einfluss auf die Rock- und Popmusiker, zuletzt wurde er gar als "Papa des Techno" bezeichnet.

"Über das Technische kann ich mit jedem Rock- oder Pop- oder Techno-Musiker sprechen", sagte der Komponist in einem Interview zu seinem 70. Geburtstag. Meistens sei ihm die Techno-Musik jedoch zu repetetiv. "Man müsste viel waghalsiger sein in den Intervallen, erfindungsreicher in den Klangfarben und nicht immer nur Melodiefetzen wiederholen."

Unterschiede gebe es bei Arbeitsauffassung und Radikalität. "Diese Musiker können sich einfach nicht erlauben, was ich ein Leben lang getan habe: sich nämlich monatelang oder jahrelang in ein Studio zurückziehen, um etwas zu realisieren, was man selbst außerordentlich gut und interessant findet, ohne Rücksicht darauf, wie weit das kommerziell an den Mann zu bringen ist." Stockhausen war zwei Mal verheiratet, hat sechs Kinder.

Jahrelang leitete er eine Kompositionsklasse und Kurse für Neue Musik. An seinem Wohnort entstanden in den 90er Jahren in einem Schulkomplex die "Stockhausen-Kurse Kürten" mit mehr als 100 Studenten - "begabte und tüchtige junge Leute" - aus 26 Ländern. Der Verlagsinhaber und Stiftungsgründer hat aus seinen beiden Ehen mit Doris und Mary zwei Söhne und vier Töchter, für die er fleißig komponierte - zudem ist er 14facher Großvater.

Aufsehen erregte er vor knapp zwei Jahren auch außerhalb der Musik, als er die Terroranschläge vom 11. September als "das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat" bezeichnete. Stockhausen korrigierte diese Aussage umgehend und bat um Entschuldigung. Doch alle, die in ihm den verschrobenen Sonderling gesehen hatten, fühlten sich in ihrer Auffassung nur bestätigt.

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