Karlheinz Stockhausen gestorben:Pionier der elektronischen Musik

Der 1928 geborene Karlheinz Stockhausen galt als einer der überragenden Komponisten und Musikdenker des 20. Jahrhunderts - seine Vita.

Karlheinz Stockhausen galt als einer der überragenden Komponisten und Musikdenker des 20. Jahrhunderts. Er wurde am 22. August 1928 in Mödrath bei Köln geboren. Sein Vater, Volksschullehrer von Beruf, fiel im Zweiten Weltkrieg. Die musisch begabte Mutter starb früh in einer Nervenheilanstalt. Ab 1945 war Stockhausen Vollwaise.

Karlheinz Stockhausen gestorben: Karlheinz Stockhausen bei Proben im Jahr 1998.

Karlheinz Stockhausen bei Proben im Jahr 1998.

(Foto: Foto: dpa)

Er besuchte ein Gymnasium in Xanten und kam 1941 in ein Internat. Nach dem Abitur im Jahre 1947 in Bergisch Gladbach studierte er bis 1951 an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln Klavier und Schulmusik sowie an der Universität Köln Musikwissenschaft, Philosophie und Germanistik. Im Anschluss an das Staatsexamen besuchte er die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt.

1952 bis 1953 studierte er in Paris bei Olivier Messiaen und lernte hier Pierre Boulez kennen. Mit ihm und Luigi Nono bildete Stockhausen, dessen erste Kompositionen der "punktuellen Musik" schon internationale Anerkennung gefunden hatten, in den 50er Jahren das sogenannte "Dreigestirn" der Neuen Musik. 1954 bis 1956 studierte Stockhausen noch Phonetik und Kommunikationsforschung bei Werner Meyer-Eppler an der Universität Bonn.

Zunächst vertonte Stockhausen hauptsächlich eigene Texte für Chöre. Schlagartig bekannt wurde er nach der Uraufführung von "Kreuzspiel" 1951. 1953 wurde er ständiger Mitarbeiter und 1963 Leiter des Studios für elektronische Musik des Nordwestdeutschen Rundfunks Köln. Zwischen 1953 und 1956 entstanden dort mit den "Studien I und II" und "Gesang der Jünglinge" seine ersten elektronischen Kompositionen, die später zu den wichtigsten Arbeiten innerhalb der elektronischen Musik gerechnet wurden.

Bei den Internationalen Ferienkursen in Darmstadt nahm Stockhausen 1951 bis 1974 und 1996 als Dozent für Komposition teil und stellte dort viele seiner Werke sowie musikalischen Ideen vor. Im September 1971 wurde er auf den Lehrstuhl für Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln berufen. Dieses Amt gab er 1977 wegen der ausgedehnten Reise- und Konzerttätigkeit auf. Er lehrte außerdem Komposition am Konservatorium in Basel (1963), an der University of Pennsylvania in Philadelphia (1964) sowie an der University of California in Davis (1966-1967). 1997 begannen in Kürten die jährlichen Stockhausen-Kurse für Komposition und Interpretation.

Sein Ruhm als Klangerfinder und Schöpfer kühner musikalischer Prozesse war im Jahre 1970 mit den Weltausstellungskonzerten im Kugelauditorium von Osaka endgültig begründet. Er trug entscheidend zur Formulierung der seriellen Musik bei und bestimmte die Entwicklung der elektronischen Musik modellhaft mit. Zu seinen bahnbrechenden Verdiensten werden unter anderem die Verbindung von Musik und Raum sowie die Erforschung der neuen, den Tonhöhen in der Zwölftonmusik entsprechende, systematische Organisation der Tondauern gerechnet.

Die Kölner "Originale", "Hymnen", "Stimmung", "Sternklang", "Am Himmel wandre ich" - Stockhausen wandte sich zunehmend Kompositionsformen zu, deren kosmische Aspekte bereits im Titel deutlich wurden. Wesentlich wurde die Begegnung mit Ostasien, Japan und dem Zen-Buddhismus. "Musik als Tor zum Spirituellen" überschrieb Michael Kurtz, der Autor der ersten Stockhausen-Biographie, die Jahre 1970 bis 1974 und setzte als Motto Stockhausens Wort darüber: "Das Essenzielle meiner Musik ist immer religiös und spirituell, das Technische ist nur Erläuterung." Damals kam es auch zum Bruch mit der Linken, die sich vom Verfasser komponierter Träume und Gebete wegen seines Mystizismus und angeblich autoritären Gebarens abwandten.

Stockhausens sich verstärkende Neigung, nicht nur den musikalischen Ablauf der Komposition zu fixieren, sondern auch die Gestik der Interpreten, führte zu musikalisch-theatralischen Aktionen wie "Alphabet" für "Liège", "Inori", "Herbstmusik" oder "Harlekin". Zwischen 1977 und 2003 arbeitete er an einem siebenteiligen, alle Elemente seines musikalischen Werks verbindenden kosmischen Musiktheaterzyklus "Licht", den Die Zeit ein "alles Irdische transzendierendes Welttheater" nannte. Der Versuch eines modernen Gesamtkunstwerks, "das sich prekär zwischen höchster geistiger Spekulation und kindlicher Anschauung bewegt", wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, wurde bisher kontrovers diskutiert.

Stockhausen schrieb mehr als 280 selbstständig aufführbare Werke, darunter 32 Orchesterwerke, 11 Werke mit Chor und Orchester und über 140 Werke elektronischer bzw. elektroakustischer Musik. Er spielte über 100 verschiedene Schallplatten mit eigenen Werken ein und veröffentlichte zehn Bände "Texte zur Musik", dirigierte fast alle Uraufführungen seiner Werke selbst oder leitete sie als Klangregisseur.

Für einen Eklat sorgte Stockhausen im September 2001 bei einem Pressegespräch anlässlich des Hamburger Musikfests, als er die Terroranschläge auf New York und Washington als "das größte Kunstwerk Luzifers" bezeichnete und sich bewundernd über die Präzision in der Vorbereitung und Durchführung der Attentate äußerte. Obwohl der Komponist seine Worte abmilderte und bedauerte, ließ Hamburgs Kultursenatorin Christina Weiss die vier Stockhausen-Konzerte zum Hamburger Musikfest ersatzlos streichen, und es entspann sich im Feuilleton eine Debatte über die Frage, ob seine umstrittenen Äußerungen Ausdruck einer fatalen Weltferne waren oder in den Kontext seines kompositorischen Denkens passten.

Im Mai 2005 wurde im Mailänder Dom der erste Teil von "Klang - die 24 Stunden des Tages" erstmals aufgeführt. Stockhausen plante, den "Klang-Zyklus" bis 2028, zu seinem 100. Geburtstag, fertiggestellt zu haben.

Er wurde im Laufe seiner Karriere vielfach ausgezeichent, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1974), Prix Ars Electronica (1990) der Picasso-Medaille der UNESCO (1992) und dem Polarpreis der Königlich-Schwedischen Akademie der Künste (2001).

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