Die Neuzeit hat eine nur ihr eigentümliche Zeitablehnung entwickelt, die sich von früheren Formen von Weltablehnung, etwa unter religiösen Vorzeichen, unterscheidet. Die neuzeitliche Zeitablehnung verbindet sich mit einer geschichtlichen Diagnose. Sie führte zu einer Kritik moderner Zivilisation insgesamt. Nicht mehr ein einmaliger Sündenfall wie im Christentum, auch nicht der Verlust eines goldenen Zeitalters von Unschuld und natürlichem Recht wie in heidnischen Mythen, kein moralisch zu behebender "Sittenverfall", sondern ein ganzer historischer Prozess - der auch mehr bedeutet als "Sittenverfall" - kommt vors Gericht des Denkens. Diese eigentümlich moderne Kulturkritik wird erstmals bei Jean-Jacques Rousseau ausgearbeitet, mit Bildern eines Urzustands vor der Sesshaftigkeit und der Ausbildung individuellen Eigentums.
Geschichte und Gegenwart des reaktionären Denkens:Melancholie und Konservativismus
Aktuelle Bücher zur Frage: Was war einmal und was ist reaktionäres Denken?
Von Gustav Seibt
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