Nachruf auf Karl Heinz Bohrer:Ein Unabhängiger

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Karl Heinz Bohrer bei einer Lesung während der Frankfurter Buchmesse 2016. (Foto: Regina Schmeken)

Der Literaturtheoretiker und Publizist Karl Heinz Bohrer ist gestorben. Erinnerungen eines Freundes.

Gastbeitrag von Michael Krüger

Einmal - da ging noch die Mauer durch Deutschland - waren wir zusammen in Leipzig auf der Buchmesse. Es war der erste Besuch Karl Heinz Bohrers in der DDR. Er leitete damals das Literaturblatt der FAZ und wollte eine Reportage zum Stand der Intelligenz im anderen Deutschland machen. Wir waren beide privat untergekommen, er schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer, ich auf einem Klappbett in der Küche eines Uhrmachers, der froh über die Devisen und den französischen Rotwein war, den wir mitgebracht hatten. Nach den Pressekonferenzen und Lesungen gingen wir durch das nächtliche Leipzig, besonders die Vororte zogen ihn an, das Kopfsteinpflaster in Taucha, die verblassten Schriften an den Häusern, die vom Glanz der großen Messestadt zeugten (Kirchen, Handelshäuser, Pensionen, Likördestillerien),die von Kugeln zernarbten Häuserfronten. An einer dieser noch nicht wieder neu verputzten Hauswände blieb er stehen und erzählte mir, an die Mauer gelehnt, wie er die Bombardierung Kölns erlebt hat.

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