Karikatur:Tierisch doofes Siegertreppchen

Kamele hires

Illustration aus Heinz Janisch und Gerhard Haderer: Das Große Rennen.

(Foto: Verlag)

Gerhard Haderers "Das große Rennen" ist ein Sittengemälde der Gesellschaft. Wie Ascot mit ungewöhnlichen Pferden.

Von Tomas Avenarius

Die gute Nachricht: "Das große Rennen" ist ein Kinderbuch für Erwachsene. Mütter und Väter, die abends zum Vorlesen zwangsverpflichtet sind, werden nicht schon vor dem Kind wegdämmern, sie werden immer weiterlesen. Und weiterlesen heißt bei diesem Buch weiterschauen, weiterschauen, weiterschauen, ohne Ende.

Das liegt weniger am Autor Heinz Janisch, der mit seiner eher schlichten Geschichte nur die Bühne zimmert, auf der sich Gerhard Haderer als Illustrator austobt. Der Österreicher zeichnet das Rennbahnleben - erkennbar ist das britische Ascot sein Vorbild - mit garstigem Strich. Haderers Ascot, es ist das mal granatapfelrote, mal kanariengelbe weibliche Kopfgefieder, für welches das britische Rennen berühmt ist, dazwischen ragen bleigraue Zylinder über den Cutaways der Herren auf. In die Gesichter tupft Haderer das, was bei jedem großen gesellschaftlichen Ereignis zu beobachten ist: Leidenschaft, Enttäuschung, Eitelkeit, Neid, Häme, Dummheit.

Das große Rennen als Sittengemälde der besseren Gesellschaft. Da fehlt keiner. Die vermodernde Blasiertheit alten Adels steht neben der quicklebendigen Schlichtheit neuen Geldes, die trendschicken Dolce &Gabbana-Socken-Typen sitzen neben den noch langweiligeren Zopf- und/oder Dreitagebart-Heinis. Da sind die Renn- und Wettfreaks, die Jubler und Claqueure. Und mittendrin jubelt eine verschleierte Araberin neben der Handtaschen schaukelnden Kopftuch-Oma, die in ihrer ganzen britischen Biederwürde zum Abbild der Queen erstarrt ist. Ein Panoptikum ist das, ein bisschen Ascot, ein bisschen Opernball, ein bisschen Überall. Wie das große Rennen ausgeht, wird nicht verraten. Nur so viel: In diesem Wettstreit laufen keine Rösser, sondern Trampeltiere um die Wette, nach ihren eigenen Regeln. Weshalb die Stimmung plötzlich kippt auf den Tribünen, in den Sätteln und in den Gesichtern auf der Tribüne. Ob einer etwas lernen kann von den Rennkamelen, denen der Österreicher vor lauter Zeichenlust einen Höcker zu viel für ein arabisches Kamel verpasst hat?

Klar. Und wenn es die Einsicht ist, dass Kamele eigen sind, Rituale und Traditionen schnell lächerlich werden und das menschliche Gieren, immer nur dem einen applaudieren zu wollen, der ganz oben auf dem Siegertreppchen steht, tierisch doof ist.

Gerhard Haderer/Heinz Janisch. Das große Rennen. Jungbrunnen, Wien 2018. 40 Seiten, 16 Euro.

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