Kampf gegen Raubkopierer:Der gläserne Zuschauer

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Im Kino festgenommen: Die Filmbranche setzt auf moderne Technik und drakonische Strafen, um Raubkopien zu verhindern. Sogar Gefängnis ist möglich.

Martin Zips

Von außen sieht das Dresdner Rundkino wie ein Ufo aus. Kein modernes Ufo, mehr so eins aus den dilettantisch-liebevollen Filmen eines Ed Wood. Das drei Jahrzehnte alte Gebäude steht unter Denkmalschutz. Nachdem es lange Zeit leer stand - der ehemalige Eigentümer ging pleite, vor sechs Jahren beschädigte Hochwasser das Haus - wird es erst seit ein paar Tagen wieder vollständig als Kino genutzt. Eine finanzielle Herausforderung, schließlich sind im großen Saal fast 900 Sitzplätze in jeder Vorstellung neu zu besetzen. Dieser Tage läuft in diesem Saal - natürlich - "James Bond". Was die Besucherzahlen angeht, ist "Ein Quantum Trost" schon jetzt recht erfolgreich.

Wanted: Mit solchen Plakaten versuchte die Filmindustrie schon 2003 in Berlin ihr Glück. (Foto: Foto: ap)

Es ist dem schönen Rundkino zu gönnen, dass es vom Bond-Erfolg profitiert. Profitieren wollten indes auch die zwei Slowaken, die am Sonntag in der Nachmittagsvorstellung von einem Kinobesucher dabei beobachtet wurden, wie sie eine kleine, rot blinkende Videokamera auf die Leinwand richteten. Im Kinosaal begann eine Art Krimi:

Kein Quantum Trost

Der 41-jährige Filmfreund, wahrscheinlich sensibilisiert von Kampagnen wie "Respect Copyrights", meldete seine Beobachtungen umgehend dem Kinopersonal, das sogleich die Polizei informierte. Die Beamten nahmen das Raubkopierer-Duo samt dem neuen Bond - er befand sich in einer erschreckend miesen Bild- und Tonqualität auf einer 8GB-Speicherkarte - noch im Kino fest. In der Pressemitteilung konnten sich die Polizisten ein kleines Wortspiel nicht verkneifen: "Die Polizeibeamten", so hieß es, "spendeten (k)ein Quantum Trost für den verpatzten Einsatz der Hobbyagenten. Vielmehr leiteten sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Kunst- und Urheberrechtsgesetz ein."

Da die Festgenommenen "nicht einschlägig bekannt" waren, ließ sie die Polizei gegen "ein paar hundert Euro Sicherheitsleistung wieder frei". Bald werden sich der 29-Jährige und sein 30-jähriger Komplize vor Gericht verantworten müssen. Ihnen drohen Freiheitsstrafen und Schadensersatzforderungen. Schließlich ist nicht nur das Dresdner Rundkino auf zahlende Filmfans angewiesen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum die Bond-Vorpremiere in Bukarest gestoppt werden musste.

Laut Christian Sommer, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), findet die massenhafte Verbreitung von Raubkopien im Internet vor allem über sogenannte Tauschbörsen und Sharehoster statt. Auch gebe es eine Vielzahl von Diensten, die sogenannte gestreamte Filminhalte zur Verfügung stellen, etwa auf der Internetseite Youtube.

Neun Monate auf Bewährung

"Da sind viele Dinge dabei, die die Urheberrechte unserer Mitgliedsfirmen in der Film- und Unterhaltungsbranche verletzen. Deshalb versuchen wir, die Daten löschen zu lassen und gezielt gegen die Anbieter von Links zu solchen Inhalten vorzugehen", sagt Sommer. Allein 2007 habe seine Organisation 1900 Verfahren eingeleitet, "insbesondere gegen vernetzte Tätergruppen an der Spitze der Verbreitungspyramide".

Einer Studie der Universitäten Weimar und Hamburg zufolge entstanden im Jahr 2005 der deutschen Filmindustrie allein durch illegale Kopien in Tauschbörsen 193 Millionen Euro an Schaden. Weltweit ist von mehreren Milliarden die Rede. Verursacht etwa durch einen 64-jährigen Duisburger, der laut GVU kürzlich wegen des unerlaubten Vervielfältigens urheberrechtlich geschützter Bild- und Tonträger in 331 Fällen vom Amtsgericht zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist. Er wollte mit den Kopien Geld verdienen.

Wann kommt Papa wieder?

Die Versuche, den Raubkopierern frühzeitig das Handwerk zu legen, sind vielfältig: So gibt es technische Möglichkeiten wie Filter, die von den Urheberrechtsschützern jedoch nicht ohne das Einverständnis der Seiten-Betreiber aktiviert werden können. Auch ans Gewissen wird appelliert - etwa in dem Spot der Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher": Drei Kinder singen vor einem Gefängnis "Happy Birthday". Der Junge fragt: "Mama, wann kommt Papa wieder?" - "Noch viermal singen", antwortet die Mutter.

Wer heute eine Vorabvorführung eines publikumsträchtigen Films besucht, wird am Saaleingang durchleuchtet. Das Werk selber wird auf verschiedenen Filmrollen von unterschiedlichen Sicherheitsdiensten zur Premiere gebracht. Kürzlich musste in Bukarest die Vorpremiere des neuen Bonds während der Vorführung gestoppt werden. "Unsere US-Partner hatten uns Passwörter für die Ausstrahlung gegeben, aber die sind um 22 Uhr abgelaufen", erklärte der verdutzte Kinochef. Eine Maßnahme gegen Raubkopierer.

Dennoch: Gemäß einer aktuellen Internet-Studie findet sich jeder Blockbuster bereits zwei Tage nach Kinostart in Deutschland im Netz. Dabei ist schon das Herunterladen von "rechtswidrig hergestellten Vorlagen" verboten. Nicht nur das Dresdner Rundkino könnte von schärferen Kontrollen profitieren.

© SZ vom 19.11.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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