Kammerakademie:Streifzüge zwischen Musik und Malerei

Klanfarben 5.9.19

Es scheint, als würde die Frau auf der Leinwand versonnen den Musikern der Kammerakademie bei ihrem Auftritt im Museum Barberini lauschen.

(Foto: David von Becker)

Das feine, vielseitige Ensemble aus Potsdam hat sich einen Namen gemacht - und zeigt sich experimentierfreudig.

Von Harald Eggebrecht

Potsdam und die Musik - da wird vielen sofort ein schimmerndes Gemälde einfallen: Dort steht in der Bildmitte König Friedrich II. von Preußen vor einem mit Kerzen beleuchteten Notenständer und bläst Flöte, begleitet am Cembalo vom königlichen Kammermusicus Carl Philipp Emanuel Bach und einem kleinen Ensemble namhafter Musiker. Im prächtig erleuchteten Barockmusiksaal von Friedrichs Lieblingsschloss Sanssouci lassen sich im hochherrschaftlichen Publikum noch andere illustre Zeitgenossen des musikliebenden Preußenkönigs entdecken wie der Komponist Carl Friedrich Graun oder Friedrichs Flötenlehrer Johann Joachim Quantz, die königliche Lieblingsschwester Prinzessin Wilhelmine von Bayreuth oder Amalie von Preußen. Ein weltberühmtes Bild, das den preußischen Musenhof darstellt und heute in der Alten Nationalgalerie in Berlin hängt.

Doch es entstand keineswegs zu Lebzeiten des bekannten Königs, sondern fast 70 Jahre nach dem Tod des Monarchen. Der Maler Adolph Menzel vollendete es 1852 im Zusammenhang mit seinen Illustrationen zur mehrbändigen Geschichte Friedrichs II. von Franz Theodor Kugler. Der König erscheint in Menzels Sicht als aufgeklärter, der Musik und den Künsten zugetaner Herrscher.

Wenn also ein Musikensemble den Titel Kammerakademie Potsdam trägt, kann man jenes Menzel-Gemälde als Assoziation erst einmal gar nicht unterdrücken. Doch diese ausgezeichnete Formation wurde keineswegs in Rokokozeiten gegründet, sondern entstand zu Beginn des 21. Jahrhunderts 2001 aus der Verbindung der Bläser des Persius Ensembles mit den Streichern des Ensemble Oriol, das sich schon seit 1987 in der Musikgeschichte vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart getummelt hat. Mit der so geschaffenen Kammerakademie, die zurzeit 33 Musiker umfasst, lässt sich nun die Musik in ihrer ganzen Vielfalt, ob Oper oder Sakralmusik, ob klassisch-romantische Symphonik oder experimentelles Stück der Gegenwart, darstellen und erleben.

Dirigenten wie Sergio Azzolini, Andrea Marcon und andere haben das barocke Profil ebenso geschärft, wie Michael Sanderling die symphonische Welt bis zu Dmitri Schostakowitsch erkundet hat. Seit etwa zehn Jahren ist Antonello Manacorda, der beim großen finnischen Dirigentenguru Jorma Panula studiert hat, Chefdirigent des Orchesters. Die Reihe der Solisten, die bei den Potsdamern aufgetreten ist und auftritt, ist erstklassig. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: bei den Geigern unter anderem von Julia Fischer bis zu Baiba Skride und Christian Tetzlaff, bei Cellisten und Bratschern von Sol Gabetta bis zu Tabea Zimmermann und Daniel Müller-Schott, bei den Bläsern vom Flötisten Emanuel Pahud bis zum Trompeter Gábor Boldoczki, und viele andere mehr. Der internationale Rang des Potsdamer Orchesters zeigt sich in den zahlreichen Tourneen, welche die Kammerakademie in die berühmtesten Konzertsäle in aller Welt geführt haben.

Neben ihren regelmäßigen Konzertserien im akustisch sehr guten Potsdamer Nikolaisaal bestreitet die Kammerakademie seit mehreren Jahren Gesprächskonzerte im Museum Barberini unter dem im wahren Sinne des Wortes doppeldeutigen Titel "KlangFarben". Ob beispielsweise vor Gemälden der barocken Epoche oder vor den magisch vielfarbig leuchtenden Getreideschobern und Seerosen Claude Monets oder vor Bildern der klassischen Moderne aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, immer finden die Kammerakademiemusiker Stücke, die zu den Bildern passen könnten. Dabei geht es aber vor allem um assoziative Korrespondenzen und nicht um eine der jeweiligen Malerei angediente, vermeintlich die Verwandtschaft zwischen Musik und Bild betonende klangliche Illustration.

Das mag im Einzelnen manchmal willkürlich erscheinen, etwa wenn zu einem Winterbild von Monet Johann Sebastian Bachs Präludium aus der 5. Cellosolosuite gespielt wird. Aber trotz der historischen Entfernung zwischen dem Bachstück und dem Monet-Gemälde regt die Gegenüberstellung zu Assoziationen an. Bekanntlich haben viele Zuhörer während der Musik Eindrücke von Farben und Bildern. Jedenfalls zeigt sich erst recht in solchen Unternehmungen die gedankliche Freiheit, Neugier und Flexibilität der Kammerakademie Potsdam.

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