Süddeutsche Zeitung

Nelly-Sachs-Preis:Offener Brief an die Jury

Die Autorin Kamila Shamsie bekommt den Nelly-Sachs-Preis nicht, anders als zunächst verkündet. Nun kritisieren mehr als 250 Autoren die Entscheidung.

Von Felix Stephan

Mehr als 250 internationale Autoren haben in einem offenen Brief die Aberkennung des Nelly-Sachs-Preises an die britisch-pakistanische Schriftstellerin Kamila Shamsie kritisiert. Zu den Unterzeichnern des Briefes, der in der London Review of Books erschienen ist, zählen Noam Chomsky, Michael Ondaatje, Arundhati Roy, Tom McCarthy, Ocean Vuong, Teju Cole, Barbara Ehrenreich, George Saunders, Alexander Kluge, der Literaturnobelpreisträger JM Coetzee und weitere namhafte Schriftsteller.

Was bedeute ein Literaturpreis, fragen die Autoren, wenn er das Recht untergrabe, sich für Menschenrechte und Redefreiheit einzusetzen. Ohne diese Rechte seien Kunst und Kultur bedeutungsloser Luxus.

Die Autoren zitieren eine gemeinsame Erklärung von vierzig jüdischen Organisation, laut der es "sowohl dem palästinensischem Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit als auch dem globalen Kampf gegen Antisemitismus" schade, wenn man "antijüdischen Rassismus mit Kritik an Israels Politik" vermische. Diese Vermischung bewahre Israel davor, sich an den Standards der universellen Menschenrechte und dem Völkerrecht messen zu lassen. Kamila Shamsie sollte den Nelly-Sachs-Preis für ihre Romane erhalten, weil diese "auf vielfältige Weise Brücken schlagen", wie es in der Begründung der Jury ursprünglich hieß. Kurz darauf hatte sich herausgestellt, dass Shamsie die Organisation "Boycott, Divest & Sanctions" (BDS) unterstützt. Im Mai hatte der Bundestag den BDS als antisemitisch eingestuft.

Der Preis ist nach der jüdischen Lyrikerin, Nobelpreisträgerin und Exilantin Nelly Sachs benannt und wird alle zwei Jahre von der Stadt Dortmund verliehen. Laut Satzung soll er Persönlichkeiten würdigen, die "überragende schöpferische Leistungen auf dem Gebiet des literarischen und geistigen Lebens hervorbringen und die insbesondere eine Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen den Völkern zum Ziel haben."

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Quelle:
SZ vom 24.09.2019/cag
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