Architektur:Der ganz große Auftritt

Architektur: Ein Gebilde aus Rolltreppen: Am Donnerstag wurde das KaDeWe nach dem Umbau neu eingeweiht.

Ein Gebilde aus Rolltreppen: Am Donnerstag wurde das KaDeWe nach dem Umbau neu eingeweiht.

(Foto: OMA)

Immer schon eher Harrods als Hertie: Das neue Innenleben des KaDeWe wurde eingeweiht. Mit Champagner aus Miniflaschen.

Von Peter Richter

To hang our minds on loftier matters - wie man in Gegenden der Welt so sagt, wo man es am Ende viel weniger nötig hat als in Berlin. Aber auch von hier gibt es im Schatten von Superwahlchaos und all den sonstigen Debakeln ausnahmsweise einen Erfolg zu berichten: Fast ein bisschen unbemerkt wegen Pandemie-Lockdowns und anderen Sorgen ist nämlich der innere Umbau des Kaufhaus des Westens fertig geworden. "Ah, KaDeWe!" - es wird wieder gejauchzt und frohlockt, sobald sich am Wittenbergplatz die U-Bahn-Türen öffnen. Aber anders als damals in dem Musical "Linie 1" sind das jetzt nicht mehr die berüchtigten Wilmersdorfer Witwen, sondern mehr so die Kinder von Mitte (plus Mailand und Moskau) - viele sehr junge oder entschieden alterslose ätherische Wesen von manchmal unklarer Geschlechtszuordnung, aber fast immer großer Farbenpracht. Da guckt der Schultheiß-Berliner bei der Hunderunde natürlich. Aber er freut sich auch: So in etwa muss das gewesen sein, als im Frühling nach dem Krieg die ersten Blumen auf den Trümmern blühten. Leben geht also weiter.

Das Architekturbüro OMA hat im KaDeWe ein Rolltreppen-Feuerwerk gezündet

Konkret: Die neue Architektur soll an diesem Donnerstagabend eingeweiht und gefeiert werden. Sie stammt vom Office for Metropolitan Architecture, OMA, aus Rotterdam. Geleitet hat das Projekt die Partnerin Ellen van Loon, aber auch der analytische Geist von OMA-Gründer Rem Koolhaas durchwaltet jetzt das Gebäude. Denn die Einsicht, die sich vermittelt, ist wesentlich die, dass es bei all dem hier essenziell um den großen Auftritt geht, und wichtiger als die Verkaufsflächen sind dafür natürlich die Treppen - so wie es bei einem Grandhotel zwar auch um die Qualität der Zimmer geht, noch mehr aber um die Grandiosität von Hotelhalle und dort wiederum der Treppe für die Epiphanien der Abendgarderobe. Das KaDeWe aber war seit seiner Eröffnung 1907 das Grandhotel unter den Kaufhäusern. Die Liga war immer eher Harrods als Hertie oder Horten. Auch bauhistorisch bestand der Kern der Idee vom modernen Warenhaus in der Verbindung gestapelter Verkaufsflächen durch Rolltreppen. OMA hat im KaDeWe jetzt buchstäblich ein Rolltreppen-Feuerwerk gezündet: Wenn man hochschaut, schießen sie wie Blütenblätter in alle Richtungen. Schon der schiere Anblick ist ziemlich beschwipsend. Und dann haben sie Donnerstagabend auch noch am Champagner nuckeln lassen: Es gab Miniflaschen mit Glasstrohhalmen. Dann gab es eine Modenschau, und es fuhren Models auf den neuen Rolltreppen hoch und runter und standen und schauten dabei so wundervoll konvex und gelangweilt, wie das eben nur Models können - oder junge Menschen, die sich gerade, mit welchen Mitteln auch immer, erfolgreich von 032c bis Yves Saint Laurent durchgeshoppt haben.

Und wie immer und überall bei solchen Veranstaltungen wirkten alle, die dabei waren, wieder so, als hätten sie sich verabredet, den Robert-Altman-Film "Prêt-à-Porter" nachzuspielen. In der Rolle von Marcello Mastroianni hier logischerweise: Michael Müller, schon wegen der gleichen Initialen. Der aktuelle Chef des KaDeWe, ein Schweizer namens André Maeder, verlangte vom Regierenden Bürgermeister, dass in Zukunft bitte auch sonntags eingekauft werden darf - oder, noch schöner, nachts! MM sagte dazu: nichts. Er betrachtete die schöne Show und wird sich - diese Freude teilt er mit vielen Berlinern - gefreut haben, dass er schon bald kein Regierender Bürgermeister mehr ist, sondern Bundestagsabgeordneter mit einem Wahlkreis, der da endet, wo man das KaDeWe zwar schon sehen kann, aber nicht dafür zuständig ist.

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