Kabarettist Wigald Boning im Gespräch:Wigald Bonings radikale Selbsterfahrung im Zelt

Lesezeit: 2 Min.

Egal, wie mies das Wetter war - über Monate hinweg schlief der Kabarettist unter freiem Himmel. Ein Gepräch über seine Erfahrungen beim Biwakieren.

Interview von Franziska Augstein

Als Entertainer im Fernsehen war Wigald Boning schon immer für Experimente zu haben, doch im vergangenen Jahr entschied sich der Kabarettist zur Abwechslung für eine Versuchsanordnung unter freiem Himmel: Mehr als ein halbes Jahr lang zeltete er von August 2015 an jede Nacht bei jedem Wetter im Freien. Seine Erlebnisse hat er nun in dem Buch "Im Zelt. Von einem, der auszog, um draußen zu schlafen" verarbeitet. Auf der Frankfurter Buchmesse haben wir uns mit ihm darüber unterhalten.

SZ.de: Wie kamen Sie auf die bizarre Idee, 202 Nächte im Zelt oder auf Parkbänken zu schlafen?

Im Sommer 2015 war es so heiß in meiner Wohnung in München, ich kam nicht in den Schlaf. Und so ging ich an die Isar, fand eine Kiesbank, gab ihr den Namen "Boning-Insel" und fühlte mich wohl. Ich beschloss, draußen zu verweilen.

Einfach so, ohne alles?

Ich ging zu einem Expeditionsausrüster und kaufte mir ein kleines Zelt. Die Idee war, fortan darin zu nächtigen - also ein Experiment durchzuführen; das Versuchsobjekt war ich selbst.

Woher kommt diese - nennen wir es - Sportlichkeit?

Das ist mein angeborener Drang zum Radikalismus. Ich bin ein Radikaler - aber nur dort, wo es dem Erkenntnisgewinn dient. Nachts auf eine Wiese schlafen. Auf einer Kiesbank. Auf einem Dach. Das ist Freizeitradikalismus.

Wie fanden Sie die Schlafstätten, wie fanden Sie Ihren Platz zum Aufschlagen des Zeltes, wenn Sie für Ihre öffentlichen Auftritte durch Deutschland getingelt sind?

Manche Veranstalter hatten Sinn für mein Experiment - und suchten wunderbare Orte für mich. Zum Beispiel in Magdeburg. Dort durfte ich auf dem Dach des Hundertwasser-Hauses schlafen. Aber es gibt auch die Veranstalter, die so gar kein Verständnis dafür haben, dass man nicht im schönen Hotel und nicht im schönen Zimmer oder in der Suite nächtigen möchte.

Aber Sie haben das immer hingekriegt?

Einmal nicht - in Mannheim nicht. Da bin ich gescheitert. In ganz Mannheim, so hieß es, kann man im Winter nicht zelten. Ich bin dann noch Nachts mit dem Zug nach München zurückgefahren.

Es gibt ja nicht nur die Kälte, es gibt auch Gesetze und Verordnungen.

Ja, die rechtlichen Komponenten. Da muss man unterscheiden zwischen dem Zelten und dem Biwakieren. Zelten - das macht man auf Campingplätzen. Ein Notbiwak darf man in Deutschland überall aufschlagen. Und dort darf man, das ist gerichtlich abgesichert, zur Wiederherstellung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit bis zu zehn Stunden schlafen.

Das haben Sie auch geschafft?

Nicht so recht. In den ersten Wochen ging es der körperlichen Leistungsfähigkeit immer schlechter. Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich an den immer wieder anderen nächtlichen Lärm zu gewöhnen.

Die Nässe, die es in Deutschland fast immer gibt, hat sie nicht gestört?

Man muss zwischen Nässe und Feuchtigkeit entscheiden. Richtig nass wird man gelegentlich auf dem Weg zum Nachtplatz.

Man hat Ihnen vorgehalten, dass man in Zeiten der Flüchtlingskrise nicht aus Gaudi draußen im Zelt nächtigt.

Ja, jemand hat gesagt, ich verhalte mich wie Marie Antoinette. Die hatte sich bei Versailles eine Bauernkate samt Kuh einrichten lassen. Da ist sie aber auch nur einmal hingegangen. Nein, es ist keine Gaudi. Es ist eine radikale Selbsterfahrung. Dazu gehört es, dass ich mich gelegentlich dekadent fühlte. Das hat sich gelegt. Man hat Zeit nachts im Zelt. Ursprünglich wollte ich mir eine Zeltbibliothek zusammenstellen. Aber es ist zu beschwerlich, die zu transportieren. Also beschränkte ich mich. Im Zelt habe ich eine Geschichte der Sinti und Roma in Europa gelesen.

Wie macht man aus einer Konservendose einen Spirituskocher?

Also, diese Frage ist wirklich zu komplex, um sie auf die Schnelle zu beantworten.

"Der Klügere kippt nach" bei Tele 5
:Late Night Alk

Hella trifft auf Hochprozentiges: Bei "Der Klügere kippt nach" diskutieren Promis am Tresen aktuelle Themen und trinken dabei Alkohol. Das Ergebnis? Ernüchternd.

Von Hans Hoff

Wigald Boning. "Im Zelt. Von einem, der auszog, um draußen zu schlafen". 272 Seiten. Rowohlt, 2016. 10,99 Euro

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: