Seit vier Jahren repräsentiert der unterfränkische Unterhaltungskünstler Urban Priol mit seiner Show Neues aus der Anstalt das politische Kabarett im Zweiten Deutschen Fernsehen. Priol stellt sich damit in die Nachfolge der großen zeitkritischen Satiresendung von Dieter Hildebrandt, Notizen aus der Provinz. Zur Erinnerung: Hildebrandts Wortmeldungen waren seinerzeit im semijournalistischen Stil gehaltene Kassiber an die politische Klasse, seine Ästhetik war die pointierte Bloßlegung von Staatsrhetorik, kurz: Der Zuschauer hatte es mit bemerkenswerter Sprachartistik als Gegenmittel zur Verlautbarkeitsprosa der deutschen Politik zu tun.
Urban Priol ist ein entfesselter Keifer, eine affektierte Heulboje mit eingebautem Politikerhass. Mit ihm zeigt das ZDF, was es heute für Satire hält.
(Foto: dpa)Man muss ein derart fettes Gütesiegel nachträglich an die Kultur des alten deutschen Fernsehkabaretts pappen, um zu begreifen, dass diese Kunstanstrengung inzwischen durch eine von hilfloser Hampelei und sprachlicher Verlotterung bestimmte Vulgärsatire abgelöst worden ist, als deren Protagonist Urban Priol vor ein paar Tagen auf einer Bühne am Münchner Odeonsplatz stand.
Priols Auftritt sollte das Unterhaltungsprogramm einer Demonstration gegen Kernenergie sein, und es ist ja oft so, dass Künstler, die auf derartigen Happenings gastieren, ohne Maske auftreten - als Sympathisanten einer guten Sache, eins mit dem erbosten Volk. Wohl deshalb trug Priol nicht wie sonst sein Bühnen-Outfit, welches mit bunten Hawaiihemden den unbedingten Willen dieses Mannes zur hemmungslosen Witzigkeit ausdrücken soll. Priol, in blauem Hemd und Jacke, ließ seine ungeölte Wortmaschine anlaufen, und das hörte sich so an: Der Amtseid von Angela Merkel laute, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, unkte der Kabarettist. Und die Volte, bei priolsüchtig-affirmativen Klatschmaschinen auch Pointe genannt, lautete: "So. Warum gehst du dann nicht endlich?"
Jeder Laie kann diesen Witz machen, jedem Thekenhocker stehen derartige Aperçus zur Verfügung. Urban Priol macht Kabarett auf dem kleinsten intellektuellen Nenner. Er ist ein entfesselter Keifer, eine affektierte Heulboje mit eingebautem Politikerhass, und seine komplett witzfreie Münchner Rede war von der eines im gerechten Zorn erstickenden Volkstribuns durch wenig zu unterscheiden. Hinsichtlich der Solidaritätsbekundungen für Karl-Theodor zu Guttenberg schäumte er: "Hier verteidigen adelsbesoffene obrigkeitshörige Untertanen-Würstchen auf Facebook die verlorene Ehre eines arroganten blasierten...", und der Rest des von jeder Kunstanstrengung freien Idiosynkrasie-Gebrülls ging im Jubel der Menge unter, der endlich mal jemand die Augen geöffnet hat, wie widerwärtig die politische Klasse sei.
Priols Rede vor der Feldherrnhalle gipfelte in der Mutmaßung, die RAF-Terroristen, die einst den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführten und ermordeten, würden heute für den Wirtschaftsminister - der wie ein Fisch im Anspielungsreichtum der deutschen Sprache schwimmende Priol nennt ihn "Rainer, das schnelle Brüderle" - den Kofferraum wieder aufsperren und sagen: "Bitte geh."
Es ist wohl in erster Linie die konsequente Abkehr von jeder künstlerischen Bemühung, die jemanden in Stand setzt, mit Vergleichen zu arbeiten, die den Anschein erwecken sollen, hier sei ein großer, tabuloser Provokateur am Werke. Aber Priol ist kein Provokateur, dazu fehlen ihm Geist und intellektuelle Kühnheit. In Wahrheit ist Urban Priol das Schießgewehr eines entfesselten Spießbürgertums, das alle Politiker an den Galgen wünscht, weil es sie grundsätzlich für verlogen, machtgierig und korrupt erachtet.
Den zaghaften Einwänden, die einige Medien gegen diese primitive, der Dumpfheit aufs Engste verbundene Darbietung erhoben, wurde in den Internetforen in einer Weise der Krieg erklärt, die den Eindruck erweckt, wer diese Hobbykeller-Kassandra angreife, versündige sich so maßlos, dass kein Purgatorium ihn säubern könne.