Süddeutsche Zeitung

Kabarettist Piet Klocke:Er war stets bemüht

Der wunderbare Piet Klocke und die drollige Simone Sonnenschein verblüffen in Berlin durch vollendetes Zusammenspiel. Dankenswerterweise weiß man nun, was die Evolution von uns denkt und was Quallen am Wochenende tun.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Der Unterschied zwischen Männern und Frauen? Auch das noch! Muss Professor Schmitt-Hindemith denn wirklich alles erklären? Ja, muss er. Als Seminarleiter von Kursen zu zentralen Themen wie "Scheitern als Weg" oder "Kommunikation - Wozu?" ist er auch stets bemüht. Aber die Sätze, wie sollen die nur geordnet aus seinem Munde kommen, wenn der Kopf ach so voll und die Welt ach so wirr und überhaupt, kann man denn nicht mal eine Sache zu Ende ...?

Kabarettist Piet Klocke, 56, ist wieder auf Tournee und hat eine gar zauberhafte Begleitung dabei, die einen ebensolchen Namen trägt, der schlicht zu schön ist für die Kleinkunstbühne: Aus der Saxophonistin Simone Sonnenschein wird auf der Bühne das Fräulein Angelika Kleinknecht, das selbst nicht laut sprechen mag, dafür umso umwerfender musizieren und singen kann. Perfektioniert wird ihr Einsatz, indem sie nach der Pause überraschend als Piet Klocke auftritt - in seinem Karo-Anzug und mit wirrem roten Haar. Die wüsten Kopf-Bewegungen und seinen abgebrochenen Sprachstil imitiert sie so vollendet, dass der Zuschauer ahnt: Zwischen diesen beiden Künstlern ist mehr als nur ein falsches Wort und eine Menge Musik. Das ist die perfekte Bühnen-Symbiose. Auch wenn die Sache mit den Pelikanen, die ihre Eltern sind, dann doch ein bisschen zu albern ist.

Jedenfalls: Piet Klocke ist als zerstreuter Professor wieder in seinem Element und das ist gut so. In Berlin füllt er den Saal der Wühlmäuse noch bis zum Freitag, Anfang Februar ist er im Münchner Lustspielhaus zu Gast. Zwei Stunden lang unterhält er zusammen mit Fräulein Kleinknecht das Publikum so beschwingt, dass sich zum Schluss viele fragen: Soll das schon alles gewesen sein? Wo bleibt denn nun das Ende?

Kuriose Kapriolen

Die Antwort lautet: Ein Ende gibt es nicht. Denn Klocke, sinnloser Satzanfänger und begnadeter Bruchpilot der deutschen Sprache, muss immer weitermachen mit seinen Nonsens-Texten, die nur dann Sinn machen, wenn man sie über ihr Ende hinaus denkt. Dazwischen schlagen seine Gedanken so kuriose Kapriolen, dass es nicht immer, aber meist die helle Freude ist.

Dank ihm weiß der Zuschauer nun etwa, dass die Evolution sich in einigen Punkten gehörig vertan hat. Zum Beispiel mit den Hummeln, die nun wirklich nicht fürs Fliegen geschaffen wurden und noch nicht mal eine Ahnung haben, was Zwischengas ist. Oder mit diesen komischen Tauben, die schon allein aufgrund ihrer eigenen akustischen Absonderungen depressiv werden müssen. Oder Quallen! Was sollen denn solch benachteiligte Geschöpfe, sagen wir, am Wochenende tun? Mit Freunden um die Häuser zu ziehen, fällt bei diesem Anblick ja wohl schon mal weg. Die Evolution also ein Quell fehlerhafter Wesen, nirgendwo wurde da mal richtig ... wo soll man denn da anfangen?

So sieht das zumindest Piet Klocke, dem im Übrigen dieser vielgepriesene Sekundenschlaf für ein ausgeglichenes Leben einfach nicht ausreicht. Und wenn das Publikum mal wieder allzu laut lacht und seine sorgsam deformierten Satzfetzen mit sich reißt, ermahnt er seine Seminaristen oberlehrerhaft: Das führt doch zu nichts!

Stimmt. Und auch das ist gut so. Denn Weltverbesserer und Welterklärer finden sich im Kabarett schon zur Genüge - die einen mit heiligem Zorn, die anderen mit beißendem Spott. Die wenigsten wollen wirklich witzig sein, weil ihnen das als Harmlosigkeit ausgelegt würde. Klocke hingegen, dauernder Dadaist und formvollendet Verwirrter, hat sich komplett dem Humor verschrieben, nur manchmal blitzt ein Sinn darin auf. Und meist erst dann, wenn sich der Zuschauer mit ihm durch wirrste Gedankenakrobatik gekämpft hat und dabei mit erstaunlichen Sprachschöpfungen gefüttert wurde. Politisch wird der halbe Niederländer und ganze 1,93-Meter-Mann nur ganz selten. Sein Metier ist der Alltagswahnsinn, über den er sich maßlos erregen und doch nie erheben kann.

Kleine Kostprobe von seiner Homepage - unter dem Jahr 2013 steht in seiner Biografie geschrieben: "Aufgabe der Fenchel-Farm in Reutlingen, Gründung eines eigenen Staates unter seiner Leitung, neue Brille."

Klocke macht Spaß, weil er am Ende doch anspruchsvoll ist. Und das sehr geschickt zu verpacken weiß. Sprachliches Gehirntraining mit Lachmuskelkater, dazu überraschende Töne - mehr kann man von musikalischem Kabarett kaum erwarten. Gegen die "Unbill des Lebens" anzuarbeiten, dazu ist er an diesem Abend angetreten. Ein Clown, ja. Aber ein guter.

Weitere Termine und Informationen zu Piet Klocke finden Sie hier.

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