Süddeutsche Zeitung

Kabarett:"Jetzt stehen wir an einer Zeitenwende"

Werner Schneyer, bald 80, sorgt sich um die Demokratie in Europa. Im Lustspielhaus spielt er zum letzten Mal sein Programm "Ich bin konservativ"

Interview von Oliver Hochkeppel

Mit "Meine zwölf Leben" hat Werner Schneyder seine Autobiografie untertitelt. In der Tat gibt es wenig Text-Affines, was der "professionelle Dilettant", wie er gerne sagt, in gut 65 Berufsjahren nicht gemacht hat. Er war Journalist und Werbetexter, Barsänger und Hörspielautor, Regisseur und Ringrichter, Schauspieler und Sportkommentator. Zumindest in Deutschland ist er aber wohl als Kabarettist am bekanntesten, dank des legendären Duos mit Dieter Hildebrandt zwischen 1974 und 1982. In dieser Rolle war er hier freilich nur noch äußerst selten zu sehen. Am Donnerstag, 15. September, tritt der 79-Jährige noch einmal mit seinem Programm "Ich bin konservativ" im Lustspielhaus auf, begleitet von seinem langjährigen Weggefährten Christoph Pauli am Flügel.

SZ: Als Sie Ihr Programm "Ich bin konservativ" vor acht Jahren aus der Taufe hoben, haben viele die Ironie verstanden. Besteht jetzt nicht die Gefahr, missverstanden zu werden?

Werner Schneyder: Mag sein, aber im Laufe des Abends wird schon klar werden, wie es gemeint ist: Ich nehme den sogenannten Konservativen ja das Recht weg, sich so zu nennen. Das ist die Stoßrichtung des Programms. Ich werde es im Lustspielhaus wirklich das allerletzte Mal spielen.

Dann haben Sie es sicher noch einmal aktualisiert?

Aber ja, kolossal. Ich habe es im Sommer komplett runderneuert, an den entscheidenden Stellen. Das war deprimierend, diese Art, wie man Recht behalten hat, über die Jahrzehnte. Wie die Herrschenden und Regierenden die Rechte gezüchtet haben, wirklich gezüchtet. Wie sie nicht erkannt haben, dass man in die Wand knallt, wenn man dieser Wachstumsideologie sinnlos nachrennt. Jetzt stehen wir an einer Zeitenwende: Wenn die ökonomische Grundphilosophie sich nicht ändert, ist der Crash unvermeidlich.

Also auch der politische Crash? Sie spielen auf den Rückzug der Demokratie an, wie man ihn schon in manchen Nachbarländern sehen kann?

Ja, natürlich. Und es ist keine Rede davon, dass es bei uns viel stabiler ist.

Vielleicht macht ja Österreich demnächst den Anfang, bei der Wiederholung der Präsidentenwahl?

Wenn das schief geht, ist diese Republik verändert. Wir zittern alle. Und die Wahlen in Deutschland waren kaum erfreulicher. Es ist absolut deprimierend. Wenn man sich nur überlegt, dass auch in allen Ländern, in denen Sozialdemokraten regiert haben, sich die berühmte Schere gnadenlos immer weiter vergrößert hat. Weil das Geld, das verdient wird, in diese Schattenwirtschaft fließt und die Politik nicht willens oder in der Lage ist, diese Zocker so zu besteuern, dass die Sache nicht mehr rentabel ist. In Österreich hat ein Sozialdemokrat gerade eine Finanz-Steuer vorgeschlagen, mit der ganz unglücklichen Bezeichnung "Maschinensteuer". Ich würde es "Panama-Steuer" nennen: Dass die Regierung einmal das Geld kriegt, bevor es in Panama landet.

So etwas traut sich in Deutschland gar keiner mehr vorzuschlagen.

Wenn man bedenkt - was ich auch im Programm sage -, dass John Meynard Keynes in den Zwanzigerjahren gesagt hat, es werde der Tag kommen, an dem die Menschen nur noch drei Stunden am Tag Lohnarbeit verrichten müssen. Er hat die Industrialisierung, die Automatisierung, im Prinzip sogar die Digitalisierung vorausgeahnt und gewusst, dass es ein zivilisatorischer Fortschritt ist, wenn Menschen nicht mehr so viel Lohnarbeit verrichten müssen. Sie haben dann Zeit für die andere Arbeit. Das wäre eine neue Gesellschaft, wenn man Arbeit teilt. Aber diese sogenannten Wirtschaftsparteien - und die Sozialdemokraten gehören dazu - predigen das Gegenteil. Das ist absolut dumm, unlogisch und reaktionär. Und die sogenannte Globalisierung ist ja nichts anderes als ein internationales Gangstersyndikat.

Kommt das so auch im Programm vor?

Ja, sicher. Das Groteske ist ja, dass einige intelligente Kapitalisten schon seit einiger Zeit sagen: Wenn wir nicht anders teilen, werden sie uns wegblasen. Ein mir gut bekannter steinreicher Österreicher sagt - und das macht mich so fertig, weil das ja ein von mir seit Jahrzehnten verwendetes Argument ist: "Wir arbeiten an einer revolutionären Situation." Und die ist jetzt da. Samt der Befürchtung, dass es, auf welche Seite das Pendel auch schlägt, mit Faschismus endet.

Sie klingen sehr pessimistisch.

Ich bin im Moment abgrundtief pessimistisch. Deshalb übergebe ich auch. Im nächsten Jahr werde ich 80, da mache ich ab Januar noch ein Programm, das ich das ganze Jahr spiele, und das heißen wird: "Das war's von mir." Also schon ein Abschied. Bis zur Pause mache ich da meine wichtigsten Kabarett-Nummern, und danach meine persönlichsten Chansons.

Sie hatten 1996 schon einmal den Abschied verkündet. Mit "Ich bin konservativ" wurden Sie zwölf Jahre später für die Ruhrfestspiele wortbrüchig . . .

Da hatte ich nicht bedacht, dass mich die Dreißigjährigen nicht mehr kennen . . .

. . . und deren Zuspruch das Comeback sozusagen unvermeidlich machte.

Ja, ein bisschen. Aber jetzt ist mit politischem Kabarett wirklich Schluss, also mit neu Geschriebenem. Denn im Moment müsste man ein neues Programm schreiben, das ist mir zu viel. Ich wehre mich ja immer gegen diese koketten Leute, die da kommen und sagen: Ah, das waren noch Zeiten mit Ihnen, dem Hildebrandt und dem Scheibenwischer. Nein, es gibt wieder sehr gute junge Leute. Wenn ich mir den Wagner und den Uthoff in der Anstalt anschaue, muss ich sagen: Chapeau!

Im Lustspielhaus schließt sich also gewissermaßen ein Kreis?

Ja, denn als Kabarettist hatte ich mein Debüt ja auch in München, nachdem ich folgenreich mit dem Dieter Hildebrandt verkuppelt worden war. Jetzt noch einmal in Schwabing zu spielen, das rührt mich natürlich. Ich bin ein sentimentaler Hund.

Wird man im Alter nicht sowieso weicher?

Absolut. Seit vielen Jahren kann ich keine Wildwest-Filme mehr ansehen. Weil ich die Tatsache, dass Menschen einfach so totgeschossen werden, nicht mal mehr in einer Kunstform ertrage. Aber auch wenn man müder und vielleicht zynischer wird, die Wut steigt. Die ist so groß wie nie. Weil es so bitter ist, dass die Idioten unbeirrbar waren und nach wie vor sind.

Werner Schneyder, "Ich bin konservativ", Do., 15. Sep., 20 Uhr, Lustspielhaus, Occamstraße 8

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Quelle:
SZ vom 13.09.2016
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