Kabarett:In der Ruhe liegt die Wortkraft

Sulaiman Masomi

Keine Eile, warum auch? Sulaiman Masomi, einst Fußballer, jetzt Poet, Rapper und Poetry-Slammer.

(Foto: Marvin Ruppert)

Im Dezember erhielt Sulaiman Masomi das Passauer Scharfrichterbeil. Im Vereinsheim stellt der Bühnenpoet nun sein Programm "Morgen-Land" vor - und entpuppt sich als gelassener Sprachspieler

Von Thomas Becker

Ein Rechtsaußen, so so. Der Ganz- oder-gar-nicht-Typ, wie er selbst sagt, immer voll druff, keine Rücksicht auf Verluste. Eine ganze Weile ging das gut, von der E- bis zur B-Jugend bei Bayer Uerdingen, danach beim IFC Paderborn, dem von Studenten gegründeten Internationalen Fußballclub, der in der Kreisklasse mitkickte. So weit, so fußballromantisch. Doch dann war da dieser Riss der Patellasehne: "Ich so hoch zum Flugkopfball - tritt mir der Verteidiger von hinten in die Kniekehle. Alles kaputt. Aber geiles Tor!" Das war's dann mit der Karriere von Sulaiman Masomi, zumindest was die Kickerei betrifft. Auf einem anderen Feld ist der 39-Jährige dagegen ganz schön erfolgreich: Das Passauer Scharfrichterbeil ging im vergangenen Jahr an den Schriftsteller, Poeten, Rapper und Poetry-Slammer - so steht es auf seiner Homepage, Letzteres in signalrot. "Poetry Slam ist schon mein Hauptmetier", sagt er, "in der Szene bin ich bekannt geworden, dort habe ich die meiste Bühnenerfahrung gesammelt, da komme ich her." Derzeit ist er auf Kleinkunstbühnen wie dem "Vereinsheim" jedoch mit dem abendfüllenden Soloprogramm "Morgen-Land" unterwegs - und dem merkt man Masomis Poetry-Slam-Background schon an.

Ganz ruhig, bedächtig, beinahe zurückgenommen kommt der in Kabul geborene, in Krefeld aufgewachsene und in Köln lebende Literaturwissenschaftler auf der Bühne daher. Keine Eile, warum auch? "Morgen-Land" ist einen Monat nach der Premiere noch ein "project in progress", jeden Abend anders, nie perfekt, aber das soll es auch gar nicht sein. "Sonst ist es irgendwann ein Kunstprojekt", sagt Masomi, "so ist es halt auf eine andere Weise perfekt. Auf meine Art." Und da gehört Fehlermachen dazu, learning by doing, wie er nach einem Zug an der E-Zigarette sagt: "Ich bin in der Gesellenphase." Dass manche Geschichte zwischen den vom Blatt gelesenen Texten zu lang und unpointiert gerät? Halb so schlimm. Authentizität ist alles. Das bis auf den letzten Gedankenstrich ausgetüftelte Kabarettprogramm ist nicht sein Ding. Das Ziel: Unterhalten? Ja, aber mit Botschaft! "Ich will nicht nur Lacher, sondern auch die Leute fordern." Kein Wunder, dass er Louis C.K. und das Infotainment-Kabarett von Volker Pispers als Vorbilder nennt.

Und so wortspielert er auch mal à la Willy Astor, macht aus Reinhard Meys "Über den Wolken" "Unter der Burka", spielt mit Kanacken-Klischees, schlägt einen ernüchternden Bogen vom Einzeller zu Donald Trump, erzählt von derben Scherzen seiner drei älteren Brüder und vom Alltagsrassismus, der ihm seit Jahr und Tag entgegenschlägt - ein Pendeln zwischen zuckerwatteweich und morgenlattehart, wie er mal sagt. Immer wieder aber landet Masomi bei den Ewiggestrigen auf Rechtsaußen. "Als die AfD vor acht Jahren aufkam, habe ich gedacht: Mit den Leuten kann man reden. Das ist eine Protestwahl. Die ärgern sich über ,die da oben'. Wenn man sich mit denen auseinandersetzt, kann man die zurückholen. Das glaube ich nicht mehr. Die fühlen sich nur bestätigt, wenn man ihre Sorgen ernst nimmt. Das sind keine Protestwähler, das ist längst eine Ideologie-Wahl. Da brauche ich keinen Dialog mehr, sondern sage: ,Okay, bleibt in eurer Blase, in eurem Sumpf!' Die Diskussion ist vorbei." Das einzig Positive an der AfD sei, dass sie "die Menschen aktiviert" und praktisch dazu gezwungen habe, Stellung zu beziehen. "Eigentlich müssen wir ihr danken, dass sie uns geweckt hat." Dank zurück an Sulaiman Masomi, der einem mit seiner so gewinnenden wie unterhaltenden Art das Offensichtliche vor Augen führt. Vielleicht ganz gut, dass es nix wurde mit der Karriere als Rechtsaußen.

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