Kabarett:Den Wahnwitz begreifen

HG Butzko

HG Butzko braucht keine Sakkos, Bühnenbilder oder Requisiten. Er klärt als "einer von uns" auf, in Jeans und mit Schalke-Akzent, doch sprachlich geschliffen und intellektuell hochgerüstet.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Seit 20 Jahren widmet sich HG Butzko durchaus komplexeren Themen. Bis Samstag spielt er sein neues Programm "Echt jetzt" in der Lach- und Schießgesellschaft

Von Oliver Hochkeppel

Mit einer Warnung beginnt HG Butzko die Premiere seines neuen Programms "Echt jetzt" in der Lach- und Schießgesellschaft: "Sie sitzen hier nicht im Land des Lächelns. Mir eilt der Ruf eines Anstrengenden voraus!" Nun möchte man gleich einwenden, dass es heutzutage ja schon als schwierig gilt, was den Tiefgang eines Youtube-Katzenvideos und die Aufmerksamkeitsspanne eines Comedy-Sketches übersteigt. Tatsächlich steigt Butzko tiefer in durchaus komplexe Themen wie die Digitalisierung oder die Globalisierung ein als die meisten anderen. Aber er tut auch genug dafür, dass es nicht "anstrengend" wird.

Das geht schon mit dem Warmlaufen los. Ein kleiner Donald-Trump-Block, gefolgt von einem kurzen Angela-Merkel-Paket, schon ist der ganze Raum auf Betriebstemperatur. Zumal Butzko sich da nicht an den üblichen Schmäh-Tenor dranhängt, sondern die Absurdität der Gegenwart aus der Vergangenheit extrapoliert - bei Trump zum Beispiel mit der Erinnerung an eine "Simpsons"-Folge aus dem Jahr 1997, in der Trump Präsident wird -, "für Amerikaner der Gipfel des Ulks", für Deutsche ein komplett Unbekannter. In diesen Zeitraum von vor 20 Jahren wird Butzko noch des Öfteren zurückkehren - begann er da doch mit dem Kabarett, das ihn seitdem durch zehn Soloprogramme und zum Gewinn der meisten wichtigen Preise trug. Außerdem ergibt sich so der Running Gag des Programms: "Die Älteren von Ihnen werden sich erinnern."

Trotzdem bleibt "Echt jetzt" ganz frei von nostalgischer Verklärung oder auch der "Früher war alles besser"-Versuchung. Dafür ist Butzkos Themenkatalog viel zu "hip". Der beginnt zunächst mit der Frage, wie es fast 30 Jahre nach dem Mauerfall um die deutsche Einheit steht, dann weitet Butzko das auf den Zustand Europas und schließlich auf den Umgang Europas mit Afrika und somit auf die Asylfrage aus. Und wo er schon bei den grundlegenden dualen Systemen von Mächtigen und Ohnmächtigen ist, nimmt er sich auch noch die Feminismus-Debatten, also Mann und Frau vor. Der Trick, mit dem er die ideologischen Verhärtungen klarer macht, ist so einfach wie wirkungsvoll: mit dem Perspektivwechsel. Ebenso witzig wie aufklärerisch spielt er durch, wie es aussähe, wenn Westdeutschland der DDR "beigetreten" wäre, wenn Afrika Europa kolonialisiert hätte oder Männer die diversen Benachteiligungen von Frauen erfahren müssten.

Genauso aufklärerisch fällt nach der Pause Butzkos Analyse von Digitalisierung, Handysucht und den Zumutungen des Internets aus. Dafür hat er einen endlosen Strom von Selbstanklagen parat, in dem ehemalige Mitgründer oder Chefs von Facebook, Google, Apple und Co freimütig ausführen, dass sie Teufelswerk in Gang gesetzt haben. Das ist so eindrucksvoll, dass sich manch einer hinterher gerne eine "hand-resignierte" CD holt.

HG Butzko, bis Samstag, 13. Oktober, 20 Uhr, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastraße 9.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: