K-Pop:Badass-Pop aus Südkorea

Rose, Jenni Kim, Lisa

Während sich die K-Pop-Kolleginnen oft unschuldig und lasziv geben, greift Blackpink gerne mal zu militärischen Posen.

(Foto: Amy Harris/AP)

In ihrer neuen Single "Kill This Love" beendet die Girlgroup "Blackpink" eine toxische Beziehung - und bricht Rekorde.

Von Jonas Lages

Vier Frauen stehen in einer Kathedrale, die in ihrer Mischung aus Metall und weißem Marmor an einen leer geräumten Saint-Laurent-Laden erinnert. An der Wand prangt ein mit spanischen Trompeten ausgestatteter Hybrid aus Kühlergrill und Kirchenorgel. Es ertönen Bläser-Fanfaren, im Basskeller grollt eine muskulöse 808-Drum-Machine wie ein angeleinter Löwe. Die Band skandiert wie in den meisten Intros ihrer Songs den Schlachtruf "Blackpink in your area". Und so ist schon nach wenigen Sekunden das Versprechen auf Randale und Endorphin-Entladung formuliert. Es wird absolut eingehalten.

Die koreanische Girlgroup Blackpink hat mit dem Musikvideo zu ihrer neuen Single "Kill This Love" gleich mehrere Rekorde auf der Videoplattform Youtube gebrochen. Innerhalb der ersten 24 Stunden wurde das Video 56,7 Millionen Mal geklickt und überholte damit die bisherige Bestmarke von Ariana Grandes Ode "Thank u, next". Auch der zweite Rekord ließ nicht lange auf sich warten; genau gesagt nur 62 Stunden: In weniger als drei Tagen erreichte der Clip am Wochenende 100 Millionen Aufrufe. Youtube-Rekorde sind für das koreanische Quartett nichts Neues. Im Januar wurde der Clip zu "Ddu-Du Ddu-Du" zum meist gesehenen Musikvideo einer K-Pop-Band; momentan steht er bei 745 Millionen Klicks.

Nach dem letztjährigen Welterfolg der Boyband BTS, der sie bis vor die Generalversammlung der UN brachte, scheint koreanischer Pop auch im Mainstream des Westens anzukommen. Blackpink ist nun eine der ersten Girlgroups, die nach BTS auf der Hallyu genannten Koreanische Welle mit einer Welttournee sowie der Unterstützung von Universal Music und ihrer in den sozialen Netzwerken aktiven Fangemeinde zur Eroberung des Westens ansetzt.

In der schnelllebigen Welt der koreanischsprachigen Popmusik (K-Pop) gehört die Gruppe freilich schon zu den Veteranen. Seit ihrem Debüt 2016, für das die Mitglieder zwischen vier und sechs Jahren in den Bootcamps des wohl stilsichersten K-Pop-Label YG trainierten, gehört die Gruppe mit ihrer wohldosierten Mischung aus Dance-Pop und Trap-Rhythmen zur Speerspitze im K-Pop-Kosmos. Während andere koreanische Girlgroups oftmals ein Image der Unschuld oder Laszivität kultivieren, bestach Blackpink von Beginn an mit einer coolen Badass-Attitüde, die sich, genauso unverkrampft wie perfektionistisch, ihre Verspieltheit nicht nehmen lässt. Da baumeln die Shopping-Tüten schon mal vom Kanonenrohr des diamantenbesetzten Panzers.

Vor dem Refrain wechseln urplötzlich Stimmung und Register des Tracks. Niemand beherrscht das so wie K-Pop-Künstler

In der neuen Single "Kill This Love" geht es nun darum, eine toxische Beziehung zu beenden, bevor sie einen selbst vernichtet. Das ewig gültige Ton-Steine-Scherben-Mantra "Macht kaputt, was euch kaputt macht" gilt also auch im koreanischen Pop und wird aus der politischen in die private Sphäre übertragen. Es ist einer jener Songs, bei dem man sich einen Vorschlaghammer in die Hände wünscht, um irgendetwas zu zerstören.

Nach K-Pop-Maßstäben ist "Kill This Love" in Klang und Bildästhetik zwar nicht außergewöhnlich. Es folgt der Erfolgsformel, die die Gruppe mit ihrem Überproduzenten Teddy Park in "Ddu-Du Ddu-Du" selbst perfektionierte. Aber gerade darin spiegelt sich der unwiderstehliche Reiz des K-Pop-Zeichen- und Zitatgewitters. Nach dem Kathedralen-Intro zeigen die beiden Rapperinnen der Gruppe zu gluckernden Synthies erst mal, was sie so draufhaben. Jennie thront dabei auf einem schwarz-weißen Schwanenpaar, dessen zusammengesteckte Köpfe die Form eines Herzens bilden. Lisa beginnt mit einem Zitat der Raplegende The Notorious B.I.G. - "Kick in the Door" - und tritt ganz buchstäblich eine Tür ein: zu einem begehbaren Cornflakes-Schrank.

Danach macht der Song, was niemand so gut wie K-Pop-Künstler beherrscht: vor dem Refrain wechseln urplötzlich Stimmung und Register des Tracks. Diese spannungssteigernde Ruhepause ist bei Blackpink stets der Moment für die beiden singenden Diven. Jisoo führt also ein erweitertes Tableau vivant vom Plattencover zu Janelle Monáes "Dirty Computer" auf, bevor Rosé unter Tränen im Auto ihrem eigenen Spiegelbild entgegen rast.

Und dann, nach Salven aus der Snare Drum, sind die Fanfaren vom Anfang zurück und der Refrain ist da. Blackpink tanzen in Lara-Croft-Montur in einer Ruine und rufen zur Tötung der Liebe auf. Vor dem Kopf einer antiken Frauenstatue - Aphrodite musste scheinbar schon dran glauben - imitieren die Königinnen der universellen Onomatopoesie dann noch einen Militärmarsch. Da sind gerade mal 90 Sekunden vergangen.

Ende Mai darf dieser Rausch dann auch hierzulande etwas länger dauern: Blackpink geben in Berlin ihr erstes Deutschlandkonzert.

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