"Jurassic World" im Kino:Auf High Heels ins Desaster

"Jurassic World" im Kino: Mittendrin statt nur dabei - der Saurier-Zoo in "Jurassic World".

Mittendrin statt nur dabei - der Saurier-Zoo in "Jurassic World".

(Foto: Universal)

Urzeit-Echsen, die Vierte: Zwei Jahrzehnte nach Spielbergs Dino-Coup sind die Saurier wieder los. Doch "Jurassic World" zeigt nur das Blockbuster-Elend der Gegenwart.

Von David Steinitz

Kurz bevor "Jurassic World" ins Kino kam, gab es einen großen Rechtsstreit zwischen dem Universal-Studio und der Gewerkschaft der amerikanischen Drehbuchautoren. Weil schon derart viele Hollywoodschreiber am Skript zum vierten Teil der Dino-Reihe herumgedoktert hatten, wurde die Liste derer, die man im Abspann hätte nennen müssen, allmählich etwas zu lang.

Universal wollte deshalb nur das Autorenduo der finalen Fassung erwähnen, die Gewerkschaft aber setzte bei Gericht durch, dass zumindest auch die zwei vorletzten Verfasser, von denen noch ein paar Ideen übrig waren, genannt werden mussten.

Sieht man jetzt den fertigen Film, ist klar, dass jeder zusätzliche Name im Abspann sehr sinnvoll ist - weil sich die Schuld an diesem Blockbuster-Debakel nun zumindest auf viele Schultern verteilt.

"Jurassic World" handelt von ein paar gierigen Dinopark-Betreibern, die im Labor einen neuen Supersaurier züchten lassen, der dummerweise Amok läuft - was unter anderem daran liegen könnte, dass man ihm Tintenfischgene ins Erbgut gemischt hat.

Die Horror-Kreation frisst ein paar Dutzend Touristen und Dinopark-Mitarbeiter, bis ihr das zu langweilig wird und sie sich lieber anderen Dinosauriern zuwendet. Die bekämpfen sich dann im Grande Finale und verspeisen sich zu weiten Teilen gegenseitig.

"Jurassic Park" war der perfekte, nicht wiederholbare Blockbuster

Das Desaster dieses Films beginnt aber nicht mit dieser idiotischen Drehbuchidee, die fast schon wieder sympathisch ist, sondern bereits vor 22 Jahren, als Steven Spielberg den ersten Teil der Reihe drehte.

"Jurassic Park" war 1993 nicht nur der Beginn des modernen Blockbusterkinos, sondern im Grunde gleichzeitig auch sein Ende - weil der Film einfach der perfekte, nicht wiederholbare Blockbuster war. Spielberg löste damals endgültig die Grenze zwischen Realitäts- und Traumblick auf, indem er das Kino so trickreich wie kein anderer Filmemacher zuvor ins Zeitalter der digitalen Spezialeffekte überführte.

Aber nicht nur künstlerisch, sondern auch kommerziell war "Jurassic Park" ein Meilenstein, da der Film auch als makelloser zweistündiger Werbespot seiner eigene Warenwelt funktionierte, was sich in dieser offensichtlichen Dreistigkeit auch noch keiner getraut hatte: Im Fanshop des "Jurassic Park" hingen bereits all die T-Shirts, Baseball-Caps und Tassen, die hinterher die echten Spielzeugläden fluteten.

Damit vollendete Spielberg, was er 1975 mit "Der weiße Hai", seinem großen Durchbruch, begonnen hatte: den perfekten kapitalistischen Film zu schaffen, der die Notwendigkeit für teure Marketingmaßnahmen, Merchandising-Weiterverwertungen und Fortsetzungen bereits in seiner natürlichen DNA trug, wie der Supersaurier den Tintenfisch.

Das Blockbuster-Kino frisst sich selbst

Nur toppen lässt sich das leider unmöglich. Wenn Blockbuster-Debütant Colin Trevorrow, eigentlich ein Kind des New Yorker Indie-Kinos, in seiner "Jurassic World" jetzt eine Touristenattraktion zeigt, in der ein gigantischer Wasserdinosaurier mit einem ganzen weißen Hai gefüttert wird, ist das deshalb nicht nur eine freundliche Reminiszenz an seinen Lehrmeister und Produzenten Steven Spielberg, sondern auch eine ziemlich traurige Metapher: Weil das Blockbusterkino nun einmal auf die totale Selbstverwertung hin angelegt wurde, ist es zum Kannibalismus verdammt und frisst sich in dieser Szene exemplarisch selbst.

Ursprünglich war der Spielberg-Buddy Harrison Ford für eine Rolle in dieser Neuauflage vorgesehen. Die sagte er aber vorsichtshalber ab, wohl weil er schon in "Indiana Jones 4" leidvoll gelernt hatte, dass es in den alten Themenparks der Filmgeschichte gerade für Schauspieler heute nicht mehr viel zu holen gibt. Sie sind dazu verdammt, Schablonen zu füllen.

Dinos, Muskelmänner und eine Chefin im engen Top

Der Chef des originalen "Jurassic Park"-Touristenparks wurde vor zwei Jahrzehnten vom freundlichen, weißbärtigen Märchenonkel Richard Attenborough gespielt. In "Jurassic World" wurde diese Figur durch eine junge Frau mit großen Brüsten ersetzt (Bryce Dallas Howard).

Bereits im Vorfeld des Filmstarts wurde in Hollywood wild darüber debattiert, was für ein sexistisches Gesamtkunstwerk denn da nun wieder anrolle, weil Howard im Trailer als zugeknöpfte Chefzicke präsentiert wird, die kurz davor ist, in den starken Armen eines Muskel-Machos endlich handzahm zu werden.

Das aber ist noch gar nichts im Vergleich zum Finale des Films, wo sie ihre streng zugeknöpfte Bluse auszieht, um im engen Top und, tatsächlich, High Heels vor einem T-Rex davonzulaufen.

Ihr Muskel-Macho wird von Chris Pratt gespielt. Der ist mit Fütterung und Aufzucht der hochaggressiven Velociraptoren befasst, vor allem aber ist er eine Art James Dean auf Anabolika. "Jurassic World" ist bereits die dritte Filmrolle in Folge, nach deren Vorlage Pratt auch als Legofigur verkauft wird.

Das belegt einerseits den Erfolg von Spielbergs Kino-Gesamtkonzept. Andererseits zeigt so eine klitzekleine Chris Pratt-Legofigur auch recht deutlich den Aura-Verlust auf, den Stars seit der Ära James Dean durchlitten haben. Und kein noch so perfekt animiertes Dino-Tohuwabohu kann davon ablenken.

Jurassic World, USA 2015 - Regie: Colin Trevorrow. Buch: Rick Jaffa, Amanda Silver, Colin Trevorrow, Derek Connolly. Kamera: John Schwarzman. Mit: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Omar Sy. Universal, 124 Minuten.

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