Juliette Gréco zum 80. Geburtstag:Madonna des Existenzialismus

Sartre schrieb ihr Chansons, Camus lag ihr zu Füßen: Stets in Schwarz gekleidet, ist die französische Sängerin Juliette Gréco das Markenzeichen des großen intellektuellen Aufbruchs im Paris der Nachkriegszeit.

Johannes Willms

Juliette Gréco ist längst eine lebende Legende, denn sie verkörpert noch immer das Lebensgefühl einer vergangenen Epoche, von deren Eklat Frankreich, Paris und insbesondere St. Germain-des-Prés noch heute zehren. Das ist alles vorbei und verweht, und es braucht schon viel archäologisches Gespür, um noch die letzten Spuren des unterdessen arg ramponierten Glanzes zu gewahren, gerade weil dieser von einer dicken Schicht aus Nostalgie konserviert wird. Nichts täuscht mehr als die pietätvolle Erinnerung, was die Gréco aber nicht abschreckte, sich in einer Bürgerinitiative zu engagieren, die sich gegen die unaufhaltsame Kommerzialisierung von St. Germain zur Wehr setzt. Das ist ebenso ehrenwert, wie es vergeblich sein dürfte.

juliette greco

Juliette Gréco während eines Auftritts in Montreux (im Juli 2005).

(Foto: Foto: dpa)

Juliette Gréco war die Madonna des Existenzialismus, den sie geradezu emblematisch verkörperte. Stets in Schwarz gekleidet, in schwarzen Hosen und Pullover zunächst, später in einem Etuikleid, avancierte sie rasch zum Markenzeichen des großen intellektuellen Aufbruchs im Paris der unmittelbaren Nachkriegszeit. Das Gesicht weiß geschminkt, die ausdrucksvollen Augen schwarz ummalt, so ist sie aus den insgesamt 33 Filmen vertraut, in denen sie in den fünfziger Jahren vor allem mitwirkte. Ihren größten Publikumserfolg hatte sie mit ihrem Auftritt in der sehr erfolgreichen Fernsehserie "Belphégor, le fantôme du Louvre", die Mitte der sechziger Jahre erstmals ausgestrahlt wurde.

Die Karriere der Gréco begann im "Tabou", einem Nachtclub in der Rue Dauphine, der 1947 aufgemacht wurde und mit zahlreichen anderen ähnlichen verräucherten und stets überfüllten Etablissements, die es damals in St. Germain gab, konkurrierte, in denen sich die Bohème versammelte, Dichter, Philosophen und vor allem Jazzmusiker. Die aus Montpellier stammende Juliette Gréco fiel hier sofort auf, weil sie eine junge, schöne Frau war, die Esprit und jenes gewisse Etwas hatte, das an den Nerv der Zeit rührte: Sie liebte und lebte ihre Freiheit. Mit solcher Ausstrahlung war es ihr ein Leichtes, rasch zum bewunderten Mittelpunkt jener intellektuellen Fauna zu werden, deren Biotop damals St. Germain-des-Prés war. Jean-Paul Sartre gehörte von Anfang an zu ihren Bewunderern ebenso wie Albert Camus, Boris Vian oder Jacques Prévert, Raymond Queneau oder Jules Lafforgue.

Im Schatten der Piaf

Der Stern der Gréco begann 1949 erst richtig zu erstrahlen, als sie sich von Freunden dazu überreden ließ, mit Chansons im "Boeuf sur le Toit" aufzutreten. Das war ihr großer Durchbruch, den die Gréco nicht zuletzt auch dem Umstand verdankte, dass ihre Dichter- und Schriftstellerfreunde für sie die Chansontexte zu Kompositionen von Joseph Kosma schrieben. Das verschaffte ihr von Anfang an den Schatz eines großen und ganz auf ihr gesangliches Temperament zugeschnittenen Repertoires, mit dem sie seither wuchern konnte.

Sartre bemerkte von ihr einmal: "Nur ihretwegen, und um das Erlebnis zu haben, dass meine Worte zu kostbaren Steinen werden, habe ich Chansons geschrieben." Ihrer Intellektualität und dem Anspruch auf die literarische Qualität ihrer Texte hat sie stets die Treue gehalten, auch wenn sie damit lange im Schatten der weitaus populäreren Edith Piaf stand.

Der Preis solcher Treue war auch, dass die künstlerische Karriere der Gréco von einem stetigen Auf und Ab gekennzeichnet war, sie es aber immer wieder schaffte, an ihre früheren Erfolge anzuknüpfen. Das gelang ihr im vorigen Jahr, als sie mit "Le Temps d'une chanson" ein neues Album mit zahlreichen ihrer großen Chansonerfolge aufnahm, deren Texte von Serge Gainsbourg, Léo Ferré oder Jacques Brel stammen, die sie mit dem zeitlos vollen Timbre ihrer Stimme interpretiert. Damit wird sie auch wieder ihr Publikum gefangen nehmen, wenn sie wenige Tage nach ihrem 80. Geburtstag an diesem Mittwoch am 13. und 17. Februar im "Théâtre du Châtelet" in Paris auftritt. "Ich werde so lange singen", sagte sie einmal, "wie das Publikum mich noch hören will und ich selbst noch Spaß daran habe".

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