Julie Christie wird 70:Alles Samsara

Sie war Warren Beattys Muse und die Geliebte von Dr. Schiwago: Der leuchtenden Julie Christie, der ihr Ruhm immer so gleichgültig war wie sonst keinem Filmstar, zum 70.

Susan Vahabzadeh

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Sie war Warren Beattys Muse und die Geliebte von Dr. Schiwago: Der leuchtenden Julie Christie, der ihr Ruhm immer so gleichgültig war wie sonst keinem Filmstar, zum 70. Vielleicht kommt die Rolle, die Warren Beatty für Julie Christie in "Der Himmel kann warten" schrieb, ihr letztlich doch am nächsten. Es geht um einen Footballspieler (Beatty), den ein übereifriger Engel um den Rest seines Lebens betrogen hat, und der nun im Körper eines exzentrischen und skrupellosen Multimillionärs gefangen ist. Und dann kommt Betty, die natürlich so schön ist wie Julie Christie, aber erschütternd unglamourös, im derben Tweedkostüm, eine ernsthafte Kämpferin für die gerechte Sache, in deren Warmherzigkeit er sich sofort verliebt. Text: Susan Vahabzadeh/SZ vom 14.4.2011/Bildauswahl: sueddeutsche.de/dato

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Sie ist die Abgesandte einer Bürgerinitiative in England, und sie treibt dem Superkonzernchef nicht nur sein Bauvorhaben aus, sondern bringt ihn auch ansonsten auf einen ökologisch und sozial so korrekten Weg, dass selbst die Chefs im Himmel fürchten, die Weltordnung könnte aus den Fugen geraten. Man vergisst manchmal, dass die Problemstellungen vor dreißig Jahren nicht so viel anders waren als heute. Ein wunderschöner, damals immens erfolgreicher und später zu Unrecht entschwundener Film - weil er von politischer Unschuld träumt, und wegen des fragenden Blicks von Julie Christie, wenn sie am Ende in den Augen eines fremden Mannes den verschwundenen Geliebten entdeckt. Sie kann ganze Geschichten mit ihren Blicken erzählen, ohne ein Wort.

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Das war im Jahr 1978, da haftete Julie Christie - wegen der Jahre mit Warren Beatty, wegen ein paar der Rollen, die sie gespielt hatte, und vielleicht auch wegen des schwarzen Kleids mit Rückenausschnitt bis zum Hintern in "Shampoo" (1975) - noch das Image eines wilden Mädchens an. Später war dann so wenig davon übrig, dass man sich fragen darf, ob es überhaupt je gestimmt hat.

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Julie Christie wurde am 14. April 1941 auf einer Teeplantage in Assam geboren, das Kind eines Kolonialherren sozusagen. Sie wurde in England auf ein Nonneninternat geschickt und flog raus - zum Swinging London gehörte sie, bevor man es so nannte. 1963 fiel sie das erste Mal in einer Hauptrolle auf, als große Liebe des "Billy Liar/Geliebter Spinner" von John Schlesinger. Das war noch die kleine, wilde britische Nouvelle Vague, und dann ging alles ganz schnell, das Jahr 1965 machte sie flugs zu einer der berühmtesten Schauspielerinnen überhaupt - sie spielte in "Darling" - erneut für Schlesinger - ein zeitgemäß loses Weib, eine junge Frau, die modelt und schauspielert, wahllos mit diversen Männern ins Bett geht und klaut, nur weil ihr langweilig ist. Julie Christie bekam einen Oscar für die Rolle.

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In David Leans "Doktor Schiwago" wurde sie Lara, Life bildete sie auf dem Titelbild ab - "Die Anti-Göttin". Es folgten die Doppelrolle in François Truffauts "Fahrenheit 451", als folgsame Gattin und zweifelnde Lehrerin - und, wieder mit Schlesinger, die Thomas-Hardy-Verfilmung "Die Herrin von Thornhill". So unterschiedlich diese Auftritte auch waren, der leise zweifelnde, fragende Blick - den hatte sie in fast all ihren Rollen.

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In den Siebzigern, Christies Beatty-Jahrzehnt, machte sie insgesamt nur fünf Filme. Neben "Der Himmel kann warten" war sie noch in Robert Altmans legendärem Eiswestern "McCabe & Mrs. Miller" zu sehen, sie spielte für Nicolas Roeg die trauernde Mutter in dem Psychothriller "Wenn die Gondeln Trauer tragen", und Jackie Shawn in "Shampoo", die ihr Herz dem Mann, den sie liebt, verschließt und sich für einen alten Sack mit Geld und Macht entscheidet. Christie war wählerisch, sie war eher links, und anders als die meisten Linken in Hollywood meinte sie das so ernst, dass sie sich für Geld tatsächlich nicht interessiert hat - Peter Biskind erzählt in seinem New-Hollywood-Buch "Easy Riders, Raging Bulls", wie sehr sich Beatty einmal aufregte, als sie frohgemut einen 1000-Dollar-Scheck verlor. "Wenn es jemals einen Filmstar gegeben hat", zitiert Biskind den Drehbuchautor Robert Towne ("Chinatown"), "dem der Ruhm egal war, war es Julie Christie - sie hat eine wahrhaft heitere Seele".

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Kontroversen dagegen ging sie nicht aus dem Weg, etwa als Juryvorsitzende der Skandal-Berlinale von 1979. Wegen der Vorführung von Michael Ciminos "Deer Hunter/Die durch die Hölle gehen" boykottierten die Ostblock-Länder das Festival, und Christie schlug sich auf ihre Seite: "Ich bin der Ansicht, dass ein Film, der die Bevölkerung eines kleinen Landes, das einen erfolgreichen Guerillakrieg gegen eine riesige Invasionsmacht geführt hat, als fremdartigen, untermenschlichen Mob porträtiert, genau die Sorte von Rassismus ermutigt, die den Krieg überhaupt erst ermöglicht hat. Ich glaube nicht, dass man eine ganze Nation als Sadisten darstellen kann, um dann zu behaupten, dies sei nur um des dramatischen Effekts willen geschehen."

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Im Grunde hat sie nur wenige Filme gedreht - aber präsent war sie eben trotzdem. Die Rolle von Richard Geres Kundin und Geliebter in "American Gigolo" hatte Paul Schrader für Christie geschrieben - sie lehnte ab, immer streitbar, sie fand das Drehbuch frauenfeindlich - meine feministische Hochphase, kommentierte sie später. Da fand sie dann heraus, "dass Männer Teil der Wirklichkeit sind, mit der man leben muss. Die Buddhisten sagen: Alles ist Samsara, das, was man erdulden muss, um ins Nirwana zu kommen. Früher dachte ich, die Problematik des männlichen Egos würde eines Tages verschwinden. Tatsächlich taucht sie aber immer wieder auf. Und dann verstand ich: Das ist Samsara, das ist es, womit ich fertig werden muss!"

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Als Alzheimerkranke in Sarah Polleys "An ihrer Seite" ist sie vor fünf Jahren noch einmal für einen Oscar nominiert gewesen, ansonsten ist Julie Christie nicht mehr so wählerisch, wie sie einmal war - die kleinen feinen Filme, die sie liebt, so findet sie, werden sowieso kaum noch gedreht. Also machte sie bei "Troja" mit und bei "Harry Potter", und in der nächsten Woche taucht sie wieder auf der Leinwand auf, als Großmutter in der subversiven Rotkäppchen-Action "Red Riding Hood" - immerhin inszeniert von einer Frau, Catherine Hardwicke. Mit siebzig Jahren darf man vom Samsara auch einmal genug haben.

© SZ vom 14.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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