Die liberale Demokratie hat derzeit keinen leichten Stand. Nicht zuletzt die jüngsten Wahlerfolge rechtspopulistischer bis rechtsextremer Parteien in Europa beruhen zu einem guten Teil darauf, dass das Liberale an der liberalen Demokratie offenbar zunehmend vielen Bürgerinnen und Bürgern eher als Mangel denn als Gewinn erscheint. Um eines der zentralen Elemente der liberalen Demokratie, die unabhängige Verfassungsgerichtsbarkeit, besser zu schützen, hat in den USA Präsident Joe Biden gerade weitreichende Reformvorschläge gemacht. In der SZ äußerte dagegen jüngst der Politologe Philip Manow von der Universität Siegen Zweifel an der Ansicht, die liberale Demokratie als einen demokratischen Idealzustand zu betrachten. Sie tendiere nämlich dazu, Entscheidungen über internationale Verträge, Gerichte und Verfassungsgerichte herbeizuführen statt über Wahlen und Mehrheiten. Manow favorisiert deshalb die sogenannte „elektorale“ Demokratie. Auch der Philosoph und Politiktheoretiker Julian Nida-Rümelin, einst Kulturstaatsminister in der ersten rot-grünen Bundesregierung, hat in der SZ jüngst darauf hingewiesen, dass die Tendenz der liberalen Demokratie zu Verrechtlichung und Expertokratie ein Problem ist. Manows Plädoyer für die elektorale Demokratie beruht seiner Ansicht nach aber auf einem schwerwiegenden Missverständnis darüber, was Demokratie im Kern ausmacht.
Interview mit Julian Nida-Rümelin:„Eine Diktatur der Mehrheit dürfen wir niemals zulassen“
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Der Politiktheoretiker Julian Nida-Rümelin über die Probleme der liberalen Demokratie, die Lüge von der Machtlosigkeit der Politik – und ein Grundprinzip, das unbedingt bewahrt werden muss.
Interview von Philipp Bovermann, Wolfgang Janisch
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