Jugendtheater:Zeitlos verliebt

Love Kammerspiele

Die berühmte Balkonszene erst aus Romeos, dann aus Julias Perspektive erleben die Zuschauer von "#Love".

(Foto: Andrea Huber)

Die "Kammerklicke" bespielt das Bellevue di Monaco: 18 junge Erwachsene zeigen in wechselnden Perspektiven, was ihnen zu Shakespeares Liebestragödie "Romeo und Julia" eingefallen ist

Von Barbara Hordych

Das Raumkonzept war das Erste, was bei der diesjährigen Produktion der "Kammerklicke", dem Jugendclub der Kammerspiele, feststand. Erzählt Dramaturgin Elke Bauer, während man mit den anderen Premierengästen im Bellevue di Monaco wartet. Erstmals sollte nicht im Werkraum an der Hildegardstraße, sondern in im Zentrum für Geflüchtete an der Müllerstraße geprobt und gespielt werden, und zwar im ganzen Gebäude. Inklusive Innenhof und Basketballplatz. Erst im zweiten Schritt ging es um das inhaltliche Konzept: "Romeo und Julia", denn "Liebe zwischen jungen Leuten, das ging nicht nur zu Shakespeares Zeiten, das geht auch heute noch", wie Dramaturgin Elke Bauer und Regisseurin Christine Umpfenbach im Vorfeld von "#Love" feststellten. Bevor es nun losgeht, wird die Fehde zwischen den Familienclans der Capulets und der Montagues im Hier und Jetzt verankert, werden den Zuschauern Aufkleber überreicht, die sie mit "M" und "C" den jeweiligen Familien zuordnen. 18 junge Erwachsene aus unterschiedlichen Ländern mit einen halben Dutzend verschiedener Sprachen beginnen sodann, mit Texten aus Shakespeares Liebesdrama zu experimentieren. Und sich mit ihren jeweiligen "Anhängern" durch das Bellevue zu bewegen.

"Liebe ist eine Sache, die einfach passiert. Obwohl du manchmal denkst, sie ist verboten. Ja, wie bei ,Romeo und Julia'" - rezitiert einer der schwarz gekleideten Darsteller, die überall im Café-Foyer verteilt sind - auf den Fenstersimsen rundum oder oben auf der Galerie. "Verbotene Liebe, das gibt es öfters, alter Hass, das kenne ich aus Syrien, aus Afghanistan", ergänzen andere. Durch die großen Fensterscheiben fällt der Blick nach draußen, auf die Müllerstraße: Im Schein der Abendsonne entspinnt sich eine Rangelei zwischen mehreren Jugendlichen, sie wirkt so authentisch, dass einige Passanten versucht sind, einzugreifen. Aber auch das gehört zum Stück, als atmosphärisches Unterfutter für die Gemengelage der Gefühle.

Alsdann teilen sich die Zuschauer je nach Aufkleber in Montagues und Capulets, geht es die Stufen hinan in verschiedene Kulturräume des Bellevue. Während die Capulets mit ihren Clanmitgliedern aus dem Sichtfeld verschwinden, folgen die übrigen Zuschauer den Montagues in den Innenhof. Es heißt Platz nehmen auf den hölzernen Treppen und den Darstellern lauschen, die aus dem Treppenhausfenster ihre Gedanken über das berühmteste Liebespaar der Welt in den Hof hinunterrufen: Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick? Wen würden deine Eltern für dich aussuchen? Sind Herkunft, Sprache, Religion, Geschlecht egal, wenn du dich verliebst? Was, wenn dein Liebster Ali heißt und deine Eltern alarmiert unter "Moslem" googeln? Vertraust du deinen Gefühlen und lebst Liebe radikal, frei von den Regeln anderer?

Auch ganz konkrete Erfahrungen fließen in die Dialoge ein, die nur wenige Zeilen aus Shakespeares Originaltext enthalten. Die 17- bis 22-jährigen Mädchen in München seien nicht treu, sie hielten immer nach einem "Besseren" Ausschau, berichtet ein junger Mann. Ja, die Mädchen. An sie heranzukommen, ist nicht nur im Stück "#Love" eine knifflige Angelegenheit, sondern war auch zu Beginn der Probenarbeit schwierig. "Tatsächlich saßen wir hier im Frühjahr mit lauter Jungs", erinnert sich Elke Bauer. Kurzentschlossen wurden sie und Christine Umpfenbach bei der Leiterin des benachbarten Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums, einer katholischen Mädchenschule, vorstellig. Mit Erfolg. Danach lag der Anteil der weiblichen Darsteller bei immerhin sieben Mädchen.

"Lass feiern gehen, Romeo!" ruft jetzt einer der Montagues. Und zwar ganz frech auf der Party der verfeindeten Capulets. Hoch also von den Sitzen und weiter zum Basketballplatz geht es, wo mit den Clans auch Zuschauer wieder aufeinandertreffen. Ähnlich wie in der "West Side Story" tanzen die Protagonisten gegeneinander an, während Julia deklamiert: "Ich fühle mich getrieben, unsern ärgsten Feind zu lieben". Hat sie sich doch ausgerechnet in Romeo von den Montagues verguckt, da hält sich die Adaption der Kammerklicke ganz an die literarische Vorlage. Jede kann Julia, jeder Romeo sein: Ein schöner Regie-Einfall ist es, diese Szene in wechselnden Besetzungen mehrmals hintereinanderweg sprechen zu lassen. Sogar ein junger Mann agiert als Julia, womit auch noch die gleichgeschlechtliche Liebe als verbotene Variante mit ins Spiel kommt. Doch dann wird Romeo des Landes verwiesen: "Hey, Julia", schreibt Romeo via SMS, "ich hab' einen Brief vom Bundesamt für Migration bekommen. Da steht, ich muss das Land verlassen." Die berühmte Balkonszene erleben die Gruppen wieder geteilt. Gerade hat man als Montague noch hinter Romeos Leiter gestanden, da werden die Aufkleber getauscht und man verfolgt im ersten Stock die Szene aus Julias Perspektive. Nur mit dem Sterben wollten sich die einfallsreichen Darsteller nicht zufrieden geben. "Shakespeare could you write a happy ending please?" Ein Wunsch, den der 18-jährige Roman Politz erfüllt hat: In seinem gefeierten und auch gleich wiederholten Liebessonett-Rap finden Montagues und Capulets im Hof zusammen.

#Love, Freitag, 12. bis Sonntag, 14. Juli, 19 Uhr, Bellevue di Monaco, Müllerstraße 2-6

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