Jugendroman:Vorübergehender Wahnsinn

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Michael Rubens lässt seinen Helden das ganze Programm der Pubertät durchleiden. Mit viel Musik.

Von Markus C. Schulte von Drach

Austin Methune hat ein Problem: 4000 Dollar muss er beschaffen, um die Mandoline seines zukünftigen Stiefvaters zu ersetzen, die ein Mitschüler an seinem Schädel zertrümmert hat. Klingt schräg? Ist aber nur der Auftakt für eine Folge existenzieller Probleme. Die hängen vor allem damit zusammen, dass Austins totgeglaubter Vater wieder auftaucht und er sich in das völlig falsche Mädchen verliebt. Und dann steht er schließlich in einem Club in New York, mit Gitarre und versagender Stimme, und vermasselt einen Auftritt.

Michael Rubens: Playlist meiner miesen Entscheidungen. Aus dem Englischen von Uwe Michael Gutzschhahn. dtv, München 2017. 352 Seiten, 14,95 Euro. (Foto: dtv)

Vor allem aber steckt er in Schwierigkeiten, weil er 16 Jahre alt ist. Das bedeutet Impulskontrollstörung, verzögerte Einsichtsfähigkeit. Pubertät eben, das ganze Programm des entwicklungsbedingten, zum Glück meist vorübergehenden Wahnsinns.

Nun führt gerade dieser Zustand dazu, dass die wenigsten Bücher von jugendlichen Autoren selbst stammen. Der Nachwuchs hat in dem Alter genug damit zu tun, sich zu fragen: Wer bin ich eigentlich? Wieso versteht mich niemand? Wann habe ich endlich Sex? Also versuchen erwachsene Autoren, sich in pubertierende Jugendliche hineinzudenken. Ein Drahtseilakt - vor allem wenn auch noch aus der Ich-Perspektive erzählt wird. In seinem Buch "Playlist meiner miesen Entscheidungen" gelingt das dem US-Amerikaner Michael Rubens aber ziemlich gut - soweit man das als erwachsener Leser sagen kann.

Zum einen erscheint Austin realistisch unsympathisch. Er ist, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: "faul und ein Feigling. Aber sobald ein Mädchen zuschaut, mache ich so gut wie alles." Er kifft und kümmert sich nicht um die Schule. Dass seine Mutter endlich den richtigen Mann gefunden zu haben scheint, nervt ihn - vor allem, weil dieser Anwalt ständig das Wort "Verantwortung" im Munde trägt. Und wenn Austin erzählt, er habe einen Auftritt des Schulchors ruiniert, weil er im Requisitenraum mit einer Zwölfjährigen beschäftigt war, statt zu singen, ist man als Erwachsener irritiert. Zum anderen aber: Das ist alles nicht unrealistisch. So kann die Pubertät sein. Das war vor dreißig oder vierzig Jahren nicht anders.

Ein gutes Buch braucht aber mehr als Glaubwürdigkeit. Und Rubens bietet mehr. Wenn es um Musik geht, zum Beispiel: Austin spielt Gitarre und singt. Wie viele in seinem Alter träumt er davon, ein Star zu werden. Und wann immer Musik gemacht wird, werden die Leser mitgenommen und möchten am liebsten mitspielen.

Außerdem entwickelt sich Austin. Die Dramen, die er erlebt, hinterlassen Spuren. Er und andere müssen bitter leiden unter den Fehlern, in die seine Gefühle ihn treiben. Am Ende ist nicht alles gut. Aber vieles ist besser. Selbst der Balanceakt, auch noch pädagogisch Wertvolles einzubauen, ohne die Geschichte zu ruinieren, gelingt Rubens. Ob 16-Jährige sich in Austin und seinen Freunden aber tatsächlich wiederfinden, das müssen wir unseren Nachwuchs fragen. (ab 14 Jahre)

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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