Jugendroman:Endspiel der Erinnerung

Flutlicht

"Flutlicht" von Gideon Samson und Julius ´t Hart. Cover: Gerstenberg Verlag

"Flutlicht" ist eine reale Erzählung über einen jungen Mann, der 2004 als Entwicklungshelfer den Tsunami in Sri Lanka erlebt. Fünfeinhalb Jahre später überwindet Julius't Hart sein Trauma.

Von Tobias Sedelmaier

Eigentlich wollte der fußballbegeisterte Pieter in seinem freiwilligen sozialen Jahr Kindern in Uganda das Kicken beibringen. Durch eine kleine Nachlässigkeit ist der Siebzehnjährige jedoch auf Sri Lanka, der "birnenförmigen" Insel südlich von Indien gelandet. Wider Erwarten gefällt ihm die Arbeit als Englischlehrer an einer Schule für behinderte Kinder; in dem witzigen John findet er einen guten Freund und am ersten Weihnachtsfeiertag lernen die Entwicklungshelfer am Strand die schwedischen Backpackerinnen Isabelle und Elin kennen.

In letztere ist Pieter augenblicklich verliebt, es ist "wie ein Lotteriegewinn, ohne dass man vorher weiß, dass man überhaupt mitspielt". Die beiden verbringen eine zärtliche Liebesnacht in den Wellen. Es ist das Jahr 2004. Wenige Stunden später wird das Wasser vom Glücks- zum Todbringer: Der Tsunami, der in diesem Jahr eine der größten Naturkatastrophen der Neuzeit mit über 230 000 Opfern auslöste, rollt über die Insel hinweg. Pieter, John und Elin müssen sich nicht nur selbst in Sicherheit bringen, sondern auch nach der verschollenen Isabelle suchen.

Der niederländische Autor Gideon Samson, der in seiner Heimat bereits zweifach mit dem renommierten Jugendbuchpreis Silberner Griffel ausgezeichnet wurde, hat in "Flutlicht" die wahre Geschichte des Entwicklungshelfers Julius´t Hart aufgezeichnet. Eindringlich werden die Schrecken der Katastrophe aus Pieters Perspektive geschildert, die lähmende Panik, die Hilflosigkeit angesichts der chaotischen Zustände, der Schock und die Apathie beim anblick der Leichen, die zahlreichen Mechanismen des Selbstschutzes. Die Reaktionen der Betroffenen fallen dabei recht unterschiedlich aus: Da steht die Hysterie einer reichen deutschen Touristin, die verzweifelt ihren Reisepass sucht, neben der Hilfsbereitschaft eines Einheimischen, der Dutzende Leute bei sich im Wohnzimmer übernachten lässt, da ist der Mönch eines höhergelegenen Klosters, der vor dem rettenden Einlass zuerst die Kleidervorschriften befolgt sehen will, oder der australische Surfer, der angesichts des Tsunamis keine Spur von Coolness mehr zeigt und den es nur noch heim zu den Eltern zieht. Vieles wirkt tranceartig, surreal wie in einem Hollywood-Abenteuerfilm, changiert zwischen packendem Drama und hochspannendem Thriller . Zur Authentizität tragen auch die Dialoge der Jugendlichen bei, die zu weiten Teilen auf Englisch geführt werden.

Der Titel "Flutlicht" hat in dieser Geschichte für Pieter eine doppelte Bedeutung. Einmal die Erinnerung an die Flutkatastrophe, bezeichnet er aber zugleich die Maschinerie für die Bewältigung von Pieters Trauma, das Anknipsen des erlösenden Schalters in seinem Kopf.

Fünfeinhalb Jahre nach dem Geschehen auf Sri Lanka bildet die stellenweise detailliert wiedergegebene Finalpartie der Fußballweltmeisterschaft 2010 zwischen den Niederlanden und Spanien die Rahmenhandlung. Kurz vor dem Anpfiff erhält Pieter auf Facebook eine Freundschaftsanfrage von Elin, mit der er seit dem Unglück nicht mehr gesprochen hat. Während die Mannschaft seines Heimatlandes das Spiel verliert, bekommt er in der Reflexion die Chance auf einen Neuanfang. (ab 13 Jahre)

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